Bayreuth, den 31.12.17 2. Mose 13,20-23

Liebe Gemeinde! 

So manche Menschen sagen, wenn man sie nach Wünschen für das neue Jahr fragt: "Ach, am liebsten wäre mir, wenn alles so bleiben würde, wie es ist." Aus diesen Worten klingt zum einen eine gewisse Lebenszufriedenheit. Wer so spricht, dem scheint es gut zu gehen, er ist wohl gesund und ist auch sonst mit seinen Lebensumständen zufrieden, wie in der Familie oder auf der Arbeit.

Auf der anderen Seite schwingt in so einem Satz auch Angst und Unsicherheit mit. Man weiß ja: Da kann sich so schnell alles ändern. Da erhält man eine Diagnose vom Arzt, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen will. Ein lieber Mensch kann plötzlich sterben. Ein Familienmitglied macht einem aus den verschiedensten Gründen Kummer. Oder auf einmal kann eine finanzielle Schieflage entstehen. Man hat Geldsorgen, und weiß nicht, wie man seine Schulden bezahlen soll.

Eigentlich kann sich so ein Wunsch: "Es soll alles so bleiben, wie es ist", gar nicht erfüllen. Es bleibt nie alles so, wie es ist. Das Leben bedeutet ja gerade Veränderung, auch wenn es mal ruhigere und keine turbulenten Zeiten gibt.

Unser Predigttext spielt nun in einer unsicheren Situation. Vor kurzem waren die Israeliten noch Sklaven des Pharao. Doch nun sind sie frei. Sie haben Ägypten verlassen und sind nun unterwegs nach - Ja, wohin? In das Land ihrer Vorväter, nach Israel, heißt es. Aber wo ist dieses Land überhaupt genau? Wie ist es dort? Und welchen Weg werden sie einschlagen? Eine ungewisse Zukunft wartet auf die Israeliten. Und Ungewissheit ist für den Menschen schwer zu ertragen. Da können Ängste und Sorgen in einem hochkommen, die Sorgen um ganz alltägliche Dinge oder um ganz große, die unsere Existenz bedrohen.

Solche Gefühle gehören zum Leben dazu. Jeder Mensch geht anders mit ihnen um. Der eine will seine Sorgen und Ängste wegschieben und verdrängen. Der andere lässt sich von ihnen beherrschen. Christen kennen einen dritten Weg, den des Vertrauens. Sie wissen ja um den, der sie nicht allein lässt, nie, der ihnen hilft, beisteht, sie führt und leitet, ihnen Kraft und Trost gibt. Das ist der dreieinige Gott, der Gott, der die Welt geschaffen hat und auch ihr Leben in seiner Hand hat, der für sie da ist und handelt, weil sein Sohn Jesus Christus für sie gestorben ist und der durch seinen Heiligen Geist in ihnen ist.

Das ist kein billiger Trost, keine unbeweisbare Annahme, die einem das Leben erträglicher gestaltet. Sondern ist eine erfahrbare Wirklichkeit. Jeder Christ weiß doch darum, dass Gebete tatsächlich erhört wurden, das Gott in seinem Wort persönlich etwas versprochen hat, was in Erfüllung ging, dass oft unerwartete, wunderbare Hilfen eintraten, die in ihrer Summe nur durch das Eingreifen eines lebendigen Gottes erklärbar sind.

Blicke doch ein jeder von uns nur auf das vergangene Jahr zurück. Muss er da nicht dankbar das erkennen, was der Liederdichter Neander in seinem Lied "Lobe den Herren…" in folgende Worte gefasst hat: "In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet"? So ein dankbarer Rückblick ist eine entscheidende Hilfe für den Umgang mit Sorgen und Ängsten. Dann wird mir wieder bewusst: Der Gott, der in dem vergangenen Jahr geholfen hat, wird dies auch im neuen tun. Er ändert sich doch nicht. Er bleibt uns treu, selbst wenn wir untreu sind, schreibt der Apostel Paulus. Jesus Christus ist und bleibt derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit, lesen wir im Hebräerbrief.

Entscheidend ist die Blickrichtung. Schauen wir auf das, was uns in Zukunft Angst machen will, dann wird diese Angst uns auch beherrschen. Oder schauen wir auf Jesus, der alle Macht hat im Himmel und auf der Erde - und auch in unserem Leben immer wieder alles zum Guten gewendet hat. Traue diesem Herrn und Heiland auch für das neue Jahr doch lauter Gutes zu. Er will dir nichts Böses zufügen sondern aus seiner Liebe heraus wunderbar für dich sorgen.

Blicke doch dankbar auf all das zurück, wo du die Hilfe Gottes erfahren hast. Und frage dich einmal die Frage "Warum lässt Gott das zu?" nicht anklagend sondern verwundert und dankbar.

Frage dich einmal, warum lässt Gott das zu, dass wir in einem Land leben dürfen, in dem wir wunderschöne Landschaften bestaunen dürfen, in dem wir nicht hungern müssen und wenn wir krank sind, eine hervorragende ärztliche Betreuung genießen dürfen? Warum lässt Gott das zu, dass wir arbeiten, uns ausruhen, lachen und uns freuen dürfen, dass wir jeden Tag aufstehen und uns bewegen können, in festen Häusern und Wohnungen leben dürfen? Warum lässt Gott das zu, dass wir in einer Familie leben, Frauen, Männer, Kinder oder liebe Freunde haben? Warum lässt Gott das zu, dass wir im Gebet zu ihm kommen und mit ihm reden dürfen, dass wir unsere Sorgen bei ihm abladen und Vergebung unserer Sünden bekommen können? Warum lässt Gott das zu, dass sein Sohn Jesus Christus in diese Welt gekommen ist, für uns gelitten hat und gestorben ist, dass er auferstanden ist und als der lebendige Herr immer bei uns ist? Und warum lässt Gott das zu, dass wir nach einem erfüllten Leben in der Ewigkeit mit ihm leben dürfen? Warum? Weil er es gut mit uns meint!

Aus den guten Erfahrungen der Vergangenheit mit Gott können wir doch nur einen Schluss ziehen: Dieser Gott wird uns auch im neuen Jahr nicht im Stich lassen. In der Bibel steht mehrfach diese Zusage Gottes: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.

Gott geht mit. Er ist treu. Das bleibt so. Gott geht auch mit uns, wenn wir in das Jahr 2018 aufbrechen. Wir wissen nicht, was aus uns und aus der kleinen Welt, die uns umgibt, wird. Werden wir gesund bleiben? Werden wir unseren Arbeitsplatz behalten? Klappt es mit unserer Ausbildung? Schaffen wir den Schulabschluss?

Wir wissen auch nicht, was aus dieser großen Welt wird. Wird uns der Frieden erhalten bleiben? Wird die Welt immer unsicherer durch Katastrophen und Terrorakte?

Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, was kommt. Aber Gott geht in dieses neue Jahr mit. Wenn er mitgeht, dann heißt das nicht: Es gibt keine Probleme und Schwierigkeiten mehr. Aber er ist der treue Gott. Er ist der Herr unseres Lebens. Er geht mit und führt uns unseren Weg.

Auch wenn es in die Tiefe geht. So haben es die Israeliten ja auch erlebt. Sie haben Ägypten verlassen. Gott machte ihnen die Zusage seiner Nähe. Die Wolken- und Feuersäule sollte als Zeichen seiner Gegenwart immer bei ihnen sein. Aber kurze Zeit später gerieten sie in eine menschlich gesehen aussichtslose Lage. Sie kamen an das Rote Meer. Es ging nicht mehr weiter. Hinter ihnen rasten die Streitwagen der Ägypter heran. Pharao verfolgte sie. Er wollte die Israeliten wieder zurückholen und erneut versklaven.

Doch Gott ließ sie wie versprochen nicht im Stich. Wir kennen ja die Geschichte: Das Meer teilte sich auf wunderbare Weise. Die Israeliten konnten trockenen Fußes an das andere Ufer hinübergehen. Die hinterher jagenden Ägypter ertranken alle in den Fluten, die über sie hineinbrachen. Die Wolkensäule Gottes war hinter den Israeliten und machte die Ägypter orientierungslos. Und die Feuersäule Gottes war vor ihnen. Die Israeliten waren nicht allein.

Auch wenn der Weg in die Tiefe geht: Gott geht mit. Auch wenn es durch das Wasser geht oder durch Matsch, wie bei den Israeliten. Gott geht mit. Manchmal muss man ins tiefe Tal. Da schickt Gott keine sechsspurige Autobahnbrücke. Nein, manchmal muss man ins Tal runter. Es geht durch unwegsames Gelände. Aber dann, gerade dann kann die Nähe Gottes am intensivsten erfahren werden.

So hat es einmal die 11jährige Irene erlebt. Sie lebt in schlimmen Verhältnissen. Die Mutter ist allein erziehend. Ihr jetziger Freund ist schon der dritte „Papa“, den das Kind erlebt. Das Geld reicht nicht. Das fünfte Kind ist unterwegs. Die Mutter und ihr Freund verlieren oft die Nerven. Irene muss zuhause viele schlimme Auseinandersetzungen miterleben.

Sie vertraut sich ihrer Lehrerin an. Das Kind lernt von ihr das Wort aus dem 139. Psalm kennen und glaubt es auch: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Eines Tages kommt es zu einem schlimmen Streit zwischen ihrer Mutter und ihrem Freund. Irene bekommt furchtbare Angst und kroch in ihr Bett.

Später erzählt sie ihrer Lehrerin mit strahlenden Augen: „Und dann auf einmal, dann hat ER mich umgeben.“ „Du hast Gott gespürt?“ fragt die Lehrerin nach. Sie nickte. „Es war ganz arg hell, und ich brauchte keine Angst haben. Und dann hat das Helle aufgehört. Aber ER war immer noch da. Und ich bin eingeschlafen. Gott hat mich umgeben.“ Und dann fragt sie ihre Lehrerin: „Glaubst du das auch?“ „Ja, Irene, das glaube ich auch.“ Und beide sind ganz still.

Das ist die wunderbare Erfahrung, die ein Glaubender machen darf: Er lebt mit Gott im Frieden und darf immer wieder seine Geborgenheit spüren.

Einmal müssen wir ins tiefste Tal, das Tal der Todesschatten, wie es im Palm 23 wörtlich übersetzt heißen muss. Einmal wird alles vergehen. Alles, was mir im Leben wichtig war, menschliche Liebe, Arbeit, Ehre, Vergnügen, vergeht einmal. All mein Hab und Gut, das ich mir im Laufe meines Lebens erworben habe, wird mir wieder genommen. Im Zeitpunkt meines Todes muss ich spätestens alles lassen. Aber Gott bleibt da, Er geht mit. Und dann trägt er uns auch. Er trägt uns einmal hinüber in sein wunderbares Reich der Ewigkeit.

Deshalb hab keine Angst vor dem neuen Jahr. Gott geht mit. Damals hatten die Israeliten ein sicheres Zeichen der Nähe Gottes. Die Wolken- und Feuersäule wich nie von ihnen. Und so wussten sie: Gott ist bei uns. Er verlässt uns nicht.

Christen haben auch ein Zeichen, das uns zeigt: Gott ist nahe. Er ist bei uns. Das ist das Kreuz. Das Kreuz zeigt uns, dass Gott sogar den schmutzigsten und schrecklichsten Weg mitgeht, bis hin zum Tod, ja, bis hin zum Verbrechertod am Kreuz. Freiwillig geht er diesen Weg, damit wir ihn nicht gehen müssen. Jesus hing ja am Kreuz für uns, für unsere Sünde und Schuld. Er nimmt uns die Schuld ab, damit wir Vergebung bekommen können. Er stirbt für uns, damit wir leben können. Er ging für uns in die Hölle am Kreuz, damit wir in den Himmel kommen können. Er machte das größte Leid und den größten Schmerz durch, damit wir wissen: Auch in den schrecklichsten Lagen sind wir nicht allein.

Nie allein! Denn du bist Gott wichtig. So wichtig, dass er sogar sein Liebstes sterben ließ, seinen eigenen Sohn.

Der Theologieprofessor Gollwitzer erzählt einmal von einem deutschen Kriegsgefangenen, dessen Auslieferung in ein jugoslawisches KZ bevorstand. Dieser junge Leutnant sah für sich selber keine Zukunft. Niemandem ist er wichtig, keinem kümmert sein Schicksal, allenfalls seiner Mutter. So dachte er. Gollwitzer macht ihm Mut: „Gottes Liebe ist der Sinn deines Lebens, auch im jugoslawischen KZ. Du bist Gott so wichtig, wie du dir selbst wichtig bist und wie er sich selbst wichtig ist. Male dir ein Kreuz an die Pritsche und sag dir den Satz dabei vor, sag ihn dir jedes Mal, wenn du hinschaust, dreimal vor! Und hol dir heute Abend meine Bibel, lies darin und setz diesen Satz überall ein, wo von der Liebe Gottes die Rede ist.“

So darfst du es auch machen. Überall, wo du ein Kreuz siehst, hier in dieser Kirche, in deinem Zimmer oder sonst wo, darfst du daran denken: Das, was da am Kreuz geschah, hat Jesus für mich getan. Ich bin Gott wichtig, so wichtig, dass er sogar seinen Sohn für mich hat sterben lassen. Ich bin ihm so wichtig, wie ich mir selbst wichtig bin und wie er sich wichtig ist.

Du bist Gott wichtig, das bedeutet das Zeichen des Kreuzes. Du bist so wichtig, dass er dir diese Botschaft von seiner Liebe immer wieder sagt, auch heute Abend. Du bist ihm so wichtig, dass du es auch spürbar erfahren kannst: im Abendmahl. Wir brauchen es auf unserem Weg als Christen. Es ist Stärkung unterwegs, damit wir immer wieder neue Kräfte bekommen. So haben es ja viele von uns immer wieder beim Abendmahl erfahren. Da fiel etwas ab von ihnen, Sünde, Sorge, und sie konnten wieder frei und mit neuer Kraft den Gottesdienst verlassen. So dürfen wir es heute auch wieder erfahren. Jesus ist im Abendmahl ganz besonders nahe und gibt uns auch heute das, was wir brauchen.

In einem Lied heißt es, - wir wollen es gleich singen: "Drum aufwärts froh den Blick gewandt, und vorwärts fest den Schritt! Wir gehen an unsers Meisters Hand, und unser Herr geht mit."

Amen

Wir singen das Lied EG 394, 1-5 "Nun aufwärts froh den Blick gewandt"