Bayreuth, den 14.1.18 Psalm 1,1-3 und Psalm 73,28

Liebe Gemeinde!  

Ums Glück soll es also heute in der Predigt gehen. Und ich geb's ja zu: Den Titel der Predigtreihe "Wo geht's denn hier zum Glück?" habe ich geklaut. So heißt ein Buch und ein Bestseller der Deutschholländerin Maike van den Boom. Ausgangspunkt ihrer "Glücksrecherchen" war eine merkwürdige Tatsache. Bei allen Untersuchungen zum Thema "Glück" belegten die Deutschen nie die ersten Plätze. Wir sind Fußballweltmeister, Exportweltmeister, aber Weltmeister im Glücklichsein sind regelmäßig die Leute, die in solchen Länder wie Costa Rica, Panama, Kolumbien und in Skandinavien leben. Machen die was besser als wir? "Kann der Deutsche nicht glücklich sein - oder will er nicht?" so kann man sich wie Maike van den Boom fragen.

Was ist überhaupt "Glück"? So muss man zunächst einmal fragen. Man kann es so ausdrücken: Es ist die Gabe oder Fähigkeit das Leben als Ganzes positiv zu sehen. Man muss nicht mit einem Dauergrinsen im Gesicht herumlaufen. Das kann aufgesetzt sein. Glücklich sein hat viel mehr etwas mit einer zufriedenen Lebenseinstellung zu tun.

Glücksfaktoren haben fast nichts mit materiellem Wohlstand zu tun. Luxus, Geld, Komfort sind nicht das, was zählt. Es ist eher der Blick für die kleinen Dinge, der glücklich macht.

Eine Kurzgeschichte von Heinrich Böll gibt diese Einsicht zum Ausdruck: Ein Fischer sitzt am Strand und blickt auf das Meer, nachdem er die Ernte seiner mühseligen Ausfahrt auf den Markt gebracht hat. Er war fleißig gewesen und gönnt sich nun ein wenig Ruhe. Ein Tourist fragt ihn: "Warum nehmen Sie nicht einen Kredit auf? Dann können Sie ein Motorboot kaufen und das Doppelte fangen. Das bringt Ihnen Geld für einen zweiten Kutter und einen zweiten Mann ein. Zweimal täglich auf Fang heißt das Vierfache verdienen. Warum trödeln Sie eigentlich herum? Auch einen dritten Kutter könnten Sie sich anschaffen. Das Meer könnte viel besser ausgenutzt werden, ein Stand auf dem Markt, Angestellte, ein Fischrestaurant, eine Konservenfabrik…" Dem Tourist leuchten die Augen. "Und dann?" unterbricht ihn der Fischer. "Dann brauchen Sie gar nichts mehr zu tun. Dann können Sie den ganzen Tag sitzen und glücklich auf Ihr Meer hinausblicken!" -"Aber das tue ich doch jetzt schon", sagte der Fischer.

Was ist Glück? Nicht unbedingt der bombastische Erfolg im Beruf sondern ein Blick aufs Meer, oder ein gutes Buch lesen, mit unserem Ehepartner ein tieferes Gespräch führen, das über die Verteilung der Pflichten hinausgeht, oder mit den Kindern spielen und einen Menschen, der ein gutes Wort von uns braucht, besuchen.

Die kleinen Dinge des Alltags genießen können und dankbar für sie sein. Das ist ein wichtiger Hinweis fürs Glücklichsein. Das zu tun, müsste Christen eigentlich leichter fallen als anderen Menschen. Denn sie wissen ja, wem sie all das Gute in ihrem Leben zu verdanken haben, nämlich Gott. Eigentlich, habe ich gesagt. Aber dem ist nicht immer so. Christen neigen eher dazu, den Mangel im Leben und das Schwere zu sehen, nicht unbedingt im materiellen Sinne sondern andere Dinge wie den moralischen Verfall in unserer Gesellschaft, schlimme Entwicklungen in der Kirche und auch das eigene Versagen, die eigene Schuld. Dieser Blick aufs Negative macht natürlich nicht glücklich sondern eher niedergeschlagen, sorgenvoll, eben unglücklich.

Was mich glücklich macht, ist nicht die Beschäftigung mit dem Negativem, mit dem Fehlenden sondern mit dem Guten, mit dem Schönen, genauer gesagt mit dem Ursprung des Guten und Schönen, eben mit Gott. Im Psalm 73 drückt es der Dichter Asaph so aus: "Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte." So heißt es in der Lutherübersetzung. Vielleicht haben wir noch die Übersetzung der Jahreslosung von 2014 im Ohr: "Gott nahe zu sein ist mein Glück."

So einen Satz schrieb nun einer, dem es überhaupt nicht gut ging. Er sah, wie gut es denen ging, die überhaupt nicht nach Gott fragten, sah ihre zur Schau getragene Fröhlichkeit. Und da überfiel ihn der Gedanke: Die Glücklichen, das sind diese gottlosen Menschen, aber nicht ich, der an Gott festhält. Doch dann kam ihm die Erkenntnis: Das ist ja gar nicht wahr. Ihr Glück dauert oft nur eine Zeitlang. Früher oder später entweicht es wie die Luft aus einem Luftballon, manchmal sogar ganz plötzlich mit einem lauten Knall. Das Glück, das mir keiner nehmen kann, das habe ich bei Gott.

Wenn Gott mir nahe ist, erfahre ich Glück. Aber wo ist er mir denn nahe? Diese Frage bewegte auch einmal zwei Mönche, von denen eine alte Legende erzählt. Die lasen miteinander in einem alten und weisen Buch: Am Ende der Welt gebe es einen Ort, an dem der Himmel und die Erde sich berühren, an dem also Gott zu finden ist. Und dort ist das wahre Glück. Sie beschlossen, diesen Ort zu suchen und nicht umzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten. So durchwanderten die beiden die Welt, bestanden unzählige Gefahren, erlitten alle Entbehrungen, die eine Wanderung durch die ganze Welt fordert, und alle Versuchungen, die einen Menschen von seinem Ziel abbringen können, wehrten sie ab. Eine Tür sei dort, so haben sie gelesen. Man brauche nur anzuklopfen und befinde sich bei Gott. Schließlich fanden sie, was sie suchten. Sie klopften an die Tür. Bebenden Herzens sahen sie, wie sich die Tür öffnete. Und als sie eintraten und die Augen erhoben, fand sich jeder in seiner Klosterzelle. Da begriffen sie: Der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren, wo Gott einem begegnet, befindet sich nicht am Ende der Welt, sondern hier auf dieser Erde, an der Stelle, die uns Gott zugewiesen hat. An jedem Ort und in jeder Stunde unseres Lebens dürfen wir Gott suchen - und finden.

Auch in den Zeiten und Situationen, wo wir meinen, da kann ich überhaupt nicht glücklich sein: in einem öden Hausfrauendasein, im tristen Schüleralltag, in einer Krankheitszeit, in einem ungeliebten Beruf, im beginnenden Alter. Nicht außerhalb, sondern innerhalb unseres gewöhnlichen Lebens. In schönen und unbeschwerten aber auch in den dunklen und schweren Stunden unseres Lebens ist uns Gott nahe. 
Wer die Nähe Gottes erfahren will, muss dazu nicht in einem Kloster oder in einer Kirche sein. Allerdings begegnet er mir nicht in jedem Stein und Strauch der Natur, auch nicht in meinem Inneren, in meinen Gefühlen. Aber Gott redet mit mir, durch sein Wort in der Bibel, das ich lese oder das mir einfällt und auch durch die Predigt seiner bevollmächtigten Zeugen.

Da kann ich z.B. die Worte lesen oder hören: "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoff' auf ihn, er wird's wohl machen ." oder "Alle Sorge werfet auf ihn, denn er sorgt für euch." Oder "Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat." Und diese Worte lassen Lasten von einem abfallen. Denn da spricht Gott unmittelbar durch ihnen zu einem.

Auch in Liedern, in denen Christen ihre Erfahrungen mit Gott in Worte und Melodien gefasst haben, kann Gott mir nahe kommen. Vielleicht ging es Ihnen ja auch schon so: Gerade in schweren und öden Zeiten fielen mir solche Lieder ein und begleiteten mich den ganzen Tag über. So erfuhr ich die Nähe Gottes, wurde getröstet und wieder glücklich.

Es gibt so viele wunderbare Lieder, alte Choräle wie "Befiehl du deine Wege" von Paul Gerhardt oder auch neuere Lieder wie "Von guten Mächten wunderbar geborgen" von Dietrich Bonhoeffer, von denen eine tröstende und stärkende Macht ausgeht. Medizin für die Seele, ja ein Glücksbringer, besser als ein "Glückskeks", den man zusammen mit einem netten aber meist nichtssagenden Satz auf einem Zettel in chinesischen Lokalen bekommt.

Wenn ich diese Lieder höre, singe oder ihre Texte lese, merke ich auf einmal etwas von einer anderen göttlichen Wirklichkeit. Sorgen können tatsächlich verschwinden. Ich kann Gott vertrauen und ein wunderbarer Friede, ein wunderbares Glück, ist in meinem Leben.

Das größte Glück schenkt mir das Wort Gottes durch die Zusage der Vergebung. Es kann wunderbar befreiend und beglückend sein, wenn wir diese Worte lesen oder hören und sie glauben: "Sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben."

Ein Mensch, der durch eigene Schuld viel in seinem Leben zerstört und auch bei anderen kaputt gemacht hat, schrieb mir einmal den unglaublichen Satz: "Ich bin ein reicher, begnadeter und gesegneter Mensch." Er hatte die Nähe Gottes erfahren durch sein Wort der Liebe und Vergebung, Veränderung von unguten Eigenschaften, von Süchten und Abhängigkeiten.

Das Wort Gottes macht einen Menschen glücklich, aber nicht automatisch. Der Psalm 1 nennt den glücklich, der „Lust hat an dem Gesetz des Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht.“ Gottes Wort hören tut es nicht alleine. Damit es seine Wirkung entfalten kann, muss ich auch darüber nachdenken, es bewegen und mein Denken, Reden und Handeln danach ausrichten. Um ein Bild zu gebrauchen: Wer an einem frischen Brot satt werden will, dem nützt es nicht, wenn er nur ein bisschen daran schnuppert. Sondern er muss es essen und verdauen.

Damit das Wort Gottes seine Wirkung bei einem Menschen erzielen kann, braucht es vor allem Stille. Es funktioniert nicht, wenn man seine Bibel vor einem lärmenden Fernseher oder einer dröhnenden Stereoanlage oder mit einem Stöpsel im Ohr lesen will. Dann kann ich es genauso gut auch bleiben lassen. Auch bringt es nichts, wenn ich in einem Gottesdienst sitze, zwar mehr oder weniger abgeschirmt von äußerer Ablenkung, aber ich selber bin nicht still, weil es in mir lärmt, sich in mir unablässig irgendwelche Gedanken wie ein Mühlrad drehen. Meist sind es ja sehr belanglose Gedanken wie: Warum dauert das heute wieder so lange? Wieso zappelt der da vor mir sitzt, immer hin und her? Ah, da sitzt ja der Erwin oder die Sabine! Die muss ich nachher unbedingt etwas fragen!

„Unsere Kraft kommt aus der Stille“, so heißt ein fantastisches Buch des Norwegers Ole Hallesby, eines der wenigen Bücher, in die ich immer wieder gerne und mit Gewinn hineinschaue und darin lese. Es stimmt: Nur wenn ich still werde, kann Gott mit mir reden, können meine Lebenswurzeln Kraft aufnehmen, die schließlich in Frucht umgewandelt wird.

Die äußere Stille kann man sich verschaffen. Um die innere kann man ringen und vor allen Dingen darum bitten: „Lass mich doch zuhören! Lass mich ruhig werden, damit ich dein Wort lesen und in mich aufnehmen kann!“ Und ein Drittes kann ich tun: Mal raus aus den Alltag gehen, wo mich so vieles von Gottes Wort ablenkt und auf eine christliche Freizeit oder an einem Wochenende in ein christliches Gästehaus fahren. Viele Christen haben gemerkt: Manchmal muss man aus seinem Hamsterrad rauskommen, den Trubel und den Stress seines Lebens verlassen, und sich mal intensiver mit dem Wort Gottes beschäftigen. So kann ich glücklich werden, auch wenn ich nur noch Gott und sein Wort habe, ja gerade wenn ich nur noch ihn habe.  Damit meine ich nicht: Die glücklichsten Menschen sind die, die ihr Leben lang allein mit Gott und seinem Wort sind. Ein Christ braucht zwar die Gemeinschaft mit Gott aber er braucht auch den Gegenpol: die Gemeinschaft mit anderen Glaubenden. 

Luther gab wiederholt Menschen, die unter Schwermut litten, den Rat: "Fliehe die Einsamkeit! Suche die Gesellschaft von Freunden!" "Der Teufel versuchte Jesus, als er in der Einsamkeit war. David fiel in Ehebruch und Mord, als er einsam und untätig war." "Diejenigen, die von Traurigkeit im Geist gepeinigt werden, … müssen sich sehr in Acht nehmen, nicht allein zu sein." "In der Einsamkeit bilde ich mir den schlimmsten Ausgang aller Dinge ein" und bilden uns oft ein, dass andere es besser haben als wir. Alles kluge Sätze Martin Luthers.

Also: Fliehe die Einsamkeit! Auch wer alleine wohnt, kann dies tun: Mal die beste Freundin regelmäßig anrufen, sich mit Freunden treffen, nicht um zu jammern und sich gegenseitig runterzuziehen sondern um sich gegenseitig Mut zum Glauben an Jesus zu machen. Weiter: auch einmal seinem Seelsorger sein Herz ausschütten und natürlich sonntags die Gottesdienste besuchen und unter der Woche einen Bibelkreis.

Der Schreiber vom Psalm 1 warnt davor, die Gemeinschaft von Spöttern und Ungläubigen zu suchen. Dort finde ich gewiss nicht die Nähe Gottes, eher das Gegenteil. Wer aber die Gemeinschaft von glaubenden Menschen sucht, der wird das erfahren, was Jesus versprochen hat: "Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen kommen, da bin ich mitten unter ihnen." Der wird die Nähe Gottes erfahren.

Amen