Bayreuth, den 28.1.18 Jeremia 9,22-23

Liebe Gemeinde! 

Es gibt zwei extreme Lebenseinstellungen. Diejenigen, die die erste vertreten, sagen: "Schaut mal, was ich kann!" Und die nach der anderen Einstellung leben, sagen: "Schaut mich lieber nicht an. Denn ich kann nichts und bin nichts."

Die einen strotzen nur so vor Selbstbewusstsein. Oder es sieht zumindest so aus. Und die anderen strotzen nur so vor Minderwertigkeitsgefühlen. Zwei extreme Lebenseinstellungen, und doch haben sie etwas gemeinsam. Es sind die Werte, die sie vertreten. Sie haben die gleiche Meinung über das, was das Leben wertvoll macht.

Jeremia nennt hier drei Werte, die für die Menschen der damaligen Zeit wichtig waren: Weisheit, Stärke, Reichtum. Das war vor 2500 Jahren. Aber ich meine, seitdem hat sich bei dem, was Menschen wichtig ist, nicht viel geändert.

Weisheit, man kann auch sagen, Intelligenz oder Klugheit, zählt in unserer Gesellschaft genauso viel oder gar noch viel mehr als zur Zeit des Jeremia. Intelligenz gepaart mit Fleiß drückt sich in der Regel in guten Noten in der Schule aus, in einem guten Berufsabschluss und Karriere im Beruf. Superintelligente Menschen genießen hohes Ansehen wie die Genies in der Wissenschaft, die Jahr für Jahr mit einem Nobelpreis bedacht werden.

Wir bewundern die starken Menschen wie die Spitzensportler unserer Zeit. Die besten Fußballspieler in den Topligen Europas verdienen Millionenbeträge pro Jahr. Und ein genialer Fußballer wie Lionel Messi genießt bei seinen Fans fast einen gottgleichen Status. Überhaupt: Einen gut aussehenden und fitten Körper zu haben, spielt in unserer Zeit eine immer größere Rolle. In Body-Buildung-Studios stählen vor allen Dingen Männer ihren Körper, um die entsprechenden Muskeln zu entwickeln. Frauen achten auf ihr gepflegtes Äußeres und ihr Gewicht.

Ein Ausdruck von Stärke kann auch Macht sein, wie sie Wirtschaftsbosse oder Politiker haben. Auch wenn wir nicht unbedingt so ein aufreibendes Leben wie sie führen wollen: Sie sind bekannt, sie sind berühmt, sie stehen im Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Schließlich spielt Reichtum damals zur Zeit des Jeremia wie heute eine wichtige Rolle in unserer Zeit. Wer viel Geld verdient, kann sich auch viel leisten wie ein schönes Haus, ein tolles Auto oder schöne Kleider. Die Superreichen wie Jeff Bezos (sprich: Bessos) oder Bill Gates werden bewundert oder beneidet.

Intelligenz, Stärke, Reichtum sind ja nichts Schlechtes. Wer will denn gerne dumm sein? Wer will denn gerne schwach sein? Wer will denn gerne arm sein? Doch niemand! Intelligenz, Stärke, Reichtum sind letztlich Gaben Gottes, mit denen ich Gutes tun kann und die mich dankbar machen können. Allerdings kann ich mit ihnen auch anders umgehen: Sie können mich dazu verführen, Schlechtes zu tun oder eingebildet zu werden. Das ist die Gefahr.

„Wer hat dich geschaffen?“ wurde einmal ein kleiner Junge von seinem Lehrer gefragt. Er antwortete: „Der liebe Gott, aber nur so groß (er deutete mit seinen Händen die Länge an, die etwa ein neugeborenes Kind hat), das andere bin ich von selbst geworden."

Genauso reden und denken viele Leute. Bis auf ihre Geburt meinen sie, alles sich selbst zu verdanken. Ich denke an einen bekannten Politiker. Er war Bundesminister, sehr beredt und sehr bekannt und lehnte bei seiner Vereidigung die Formel "Ja, mit Gottes Hilfe" ab. Auf die Frage, warum er dies gemacht habe, antwortete er: "Warum sollte ich? Gott hat doch nichts für mich getan!" Hier wird ganz bewusst Gottes Handeln im eigenen Leben geleugnet. So kann die gottlose Variante des Hochmuts aussehen. Der Mensch erhebt sich bewusst über Gott.

Aber es gibt auch die fromme Variante. Viele unter uns werden sicher denken: das Streben nach Reichtum, Macht, Intelligenz spielt in meinem Leben nicht die entscheidende Rolle. Für mich zählen andere Werte. Ich möchte mich an das orientieren, was der Wille Gottes ist. Ich möchte nicht bloß an mich und meine Karriere denken. Für mich zählt auch der Nächste. Der Gottesdienstbesuch, das Gebet und das Lesen in der Bibel ist mir wichtig. Das ist ja alles schön und gut. Aber auch meine Frömmigkeit kann ich dazu benutzen, um mich über andere zu erheben. Sie kann mich stolz und hochmütig machen. Ich kann sie auch dazu missbrauchen, um Anerkennung zu bekommen, eben in den frommen Kreisen, in denen ich mich bewege.

Und die dritte Variante ist die Doppelgleisigkeit. Da will man in frommen Kreisen etwas gelten, wenn man sich in ihnen bewegt, aber auch in Kreisen, in denen Gott und der Glaube nicht viel zählt.

Wir sehnen uns nach Anerkennung. Wir wollen, dass die Menschen eine gute Meinung von uns haben. Das funktioniert vielleicht am besten, wenn wir unsere Schokoladenseiten präsentieren, unsere Klugheit, unsere Stärke, unseren Reichtum, oder auch unser nettes Wesen, unser gutes Aussehen und auch sogar unsere Frömmigkeit. Aber das ist kein guter Weg, um Anerkennung zu bekommen. Denn was wir dann bestenfalls von anderen Menschen bekommen ist Bewunderung aber keine Zuneigung.

Wer sein Leben auf seine eigene Leistung gründen will, der baut letzten Endes auf Sand. Das Streben nach Erfolg bringt dir keine Ruhe. So ein Leben ist ja immer irgendwie von anderen Menschen gesteuert, von deren Beifall, von deren Wohlwollen. Manchmal investiert man sogar viel Kraft und Zeit, um Menschen zu imponieren, die man eigentlich gar nicht mag. Man strengt sich unendlich an, um bei Menschen etwas zu gelten, um etwas wert zu sein, um kein Niemand zu sein.

Eine der erfolgreichsten Künstlerinnen aller Zeiten ist Britney Spears. Von ihr stammt das Lied „She’s a Star.“ Es handelt von dem Hollywood-Star „Lucky“, auf deutsch „glücklich“. Jeder findet sie toll. Aber „Lucky“ ist deshalb nicht glücklich. Sie hat das Gefühl, dass keiner sie wirklich kennt, dass man nur einem Idol zujubelt, aber nicht ihr selbst. Und wenn der „Glamour“ von dem Idol nicht mehr so strahlt, dann will man von ihm auch nichts mehr wissen. So musste es übrigens Britney Spears ein paar Jahre später selbst erleben.

So ergeht es vielen so genannten "Stars". Sie leuchten eine Zeitlang wie Sterne am Himmel. Andere bewundern ihren Glanz. Aber wenn dieser Glanz verblasst ist, sind auch die Bewunderer weg.

So wird es jedem ergehen, der sich auf seine eigenen Leistungen verlässt. Wer die Leistung im Beruf nicht mehr bringt, der ist weg vom Fenster. Wer nicht mehr so gut aussieht, der wird keine bewundernden Blicke mehr ernten. Wer nicht mehr reich ist, von dem wollen viele auf einmal nichts mehr wissen.

2. Teil

Aber ist er deshalb weniger wert? In den Augen von vielen Menschen sicherlich schon. Aber in den Augen eines Menschen, der ihn liebt, bestimmt nicht. Und erst recht nicht in den Augen Gottes.

Du musst keine besonderen Vorzüge haben. Du musst nicht fromm, fröhlich und fehlerlos sein. Du musst auch keine fromme Maske aufsetzen. Du darfst sein, wie du bist. Du bist grundlos geliebt, obwohl Gott deine Macken und Unvollkommenheiten kennt. Diese Tatsache darfst du ohne Wenn und Aber glauben.

Von Gott geliebt, das sind mehr als nur fromme Worte. Seine Liebe ist Mensch geworden. Jesus Christus ist der Sohn Gottes. Er ist auf diese Erde gekommen, hat unser menschliches Angesicht angenommen, hat all das Harte und Schwere durchgemacht, was wir Menschen auch durchgemacht haben, bis hin zum Tod am Kreuz. Die Quittung für unser Leben ohne Gott ist der Tod. Diese Quittung hat Gott selber bezahlt, am Kreuz. So sehr hat uns Gott geliebt, auch dich und mich.

Für ihn bis du kein „Niemand“. Der schätzt dich auch nach Abzug deiner Stärken. Der steht zu dir, auch wenn du durch Prüfungen gefallen bist oder das Klassenziel nicht erreicht hast, wenn du arbeitslos, oder krank und alt geworden bist, wenn du ein "Mauerblümchen" bist, das kaum einer beachtet. Der mag dich, auch wenn er hinter deiner netten Fassade einen manchmal sehr unangenehmen Menschen entdeckt. Der nimmt dich an, so wie du bist, einfach als Mensch und nicht als Träger von bestimmten Eigenschaften oder Funktionen.

Solche oder ähnliche Sätze haben wir vielleicht schon oft gehört. Und haben uns vielleicht auch zu sehr an diese Aussagen über Jesus gewöhnt, dass wir uns gar nicht mehr bewusst sind, wie aufregend sie sind. „Jesus liebt mich, er nimmt mich an, so wie ich bin.“ Das sind nicht nur fromme Worte, die für unser Leben keine Bedeutung haben.

Nein, Jesus ist mehr als eine gewöhnliche Person, die irgendwann gelebt hat und dann wieder gestorben ist. Sondern er ist der Sohn Gottes, der heute noch in das Leben eines Menschen treten kann. Du kannst ihn nicht sehen, du kannst ihn nicht berühren. Aber du kannst mit ihm reden, also beten. Und er kann auch mit dir reden. Dies kann geschehen, wenn du seine Worte in der Bibel liest oder wenn auch ein ganz normaler Mensch wie ich heute früh/Abend von ihm redet.

Das ist wirklich wahr: Du kannst mit Gott in eine ganz persönliche Beziehung treten, durch Jesus. Dann bist du nicht irgendjemand, irgendeine Nummer im Massenbetrieb der Menschheit, jemand, der nicht nur von Menschen anerkannt ist wegen seiner Leistungen oder Fähigkeiten, sondern jemand, der zu Gott gehört. Wenn du an Jesus glaubst, dann stehst du zu Gott in einer ganz besonderen Beziehung. Die Bibel drückt es so aus: Dann bist du ein Kind Gottes.

Und dafür kannst du dankbar, ja darauf kannst du stolz sein. Du darfst ja den kennen und zu dem gehören, der alle Macht hat, wie er es selber gesagt hat.

Er ist mächtiger als Menschen, vor denen du Angst hast, deine Krankheit, deine Zukunft, auch deine Sünde und Schuld, unter der du vielleicht leidest. Wenn du das glaubst, dann hast du nicht den geringsten Grund, unter Minderwertigkeitsgefühlen zu leiden. Dann kannst du vielmehr stolz darauf sein, den auf deiner Seite zu haben, der wirklich alle Macht im Himmel und auf der Erde hat.

Von dem darfst du auch viel erwarten. Sollst du sogar. Denn er möchte dir in deinem Leben helfen, beistehen, dir auch durch sein Wort Wege zeigen, die du in deinem Leben gehen kannst, dich auch korrigieren und zu einer Persönlichkeit von Format machen. Mit ihm soll dein Leben nicht klein und mickrig sondern groß werden. Deshalb darfst du auch von ihm Großes erwarten. Einen großen Gott darfst du um Großes bitten, nicht nur um Kleines.

Es gibt ein gängiges Klischee von Christsein, das sieht etwa so aus: Christen sind langweilige, unscheinbare Typen. Die müssen immer brav sein und haben nichts vom Leben. Aber das ist nicht wahr. Genau das Gegenteil stimmt.

Wer glaubt, der hat mehr vom Leben. Er kann mit Jesus Dinge erleben, die er vorher nicht für möglich gehalten hat. Ich kann sogar das Leben besser genießen. Denn ich muss nicht verbissen nach Erfolg streben und dass mein Image passt und mein Geldbeutel voll ist. Ich muss nicht dauernd Angst habe, dass ich was verpasse und dass irgendwann doch alles zu Ende ist. Sondern ich darf ja alles als ein Geschenk Gottes betrachten, wie schöne Tage im Urlaub, Freunde, Familie, Erfolg im Beruf.

Diese neue Haltung möchte ich an dem Schicksal von Eric Lidell klarmachen. Er war ein Spitzensportler, der Favorit im 100-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris. Doch er weigerte sich, bei einem Vorlauf zu starten, weil der an einem Sonntag stattfand. Das mache ich nicht, sagte er, der Sonntag ist mir heilig. Weil Lidell nun fehlte, kam die große Chance seines Teamkollegen Abrahams. Dieser hatte verbissen auf den Olympiasieg hin trainiert und schafft ihn auch. Aber danach ist er merkwürdig traurig und deprimiert. Er hat sein Ziel erreicht. Aber was nun?

Lidell darf nun im 400-Meter-Lauf starten. Just for Fun. Denn die 400 Meter ist er vorher noch nie gelaufen. So legt er nun auch los, mit dem Tempo eines 100-Meter-Läufers – und hält das Tempo durch! Ergebnis: Olympiasieg dazu noch in Weltrekordzeit! Er kann sich wie ein Kind über seinen Triumph freuen und ihn genießen. Denn der Erfolg war ihm nicht das Wichtigste. Er hat noch andere Ziele. Er möchte Missionar werden.

So hast du, wenn du an Jesus glaubst ein viel reicheres Leben als ohne ihn, nicht so kleinkariert, nicht ein Leben, dass sich nur um das eigene, kleine Ich dreht, sondern ein Leben mit einem viel größeren Horizont, in dem auch andere vorkommen, in dem die Wirklichkeit Gottes der Mittelpunkt ist und ein ewiges Leben dein Ziel.

Amen

Die Geschichte von Eric Lidell ist übrigens verfilmt worden. Der Film hieß "Chariots of Fire", auf deutsch "Die Stunde des Siegers" und gewann 4 Oskars. Wir sehen den Schluss dieses Filmes, das entscheidende Rennen mit Eric Lidell.