Bayreuth, den 29.07.18  1. Korinther 6,9-14.18-20

Liebe Gemeinde! 

Es gibt eine griechische Sage. Die handelt von dem König Augias. Der hatte einen Stall mit 3000 Rindern darinnen, also riesengroß. Und jetzt kommt's: Dieser Stall war seit 30 Jahren nicht mehr ausgemistet worden. Ein ungeheuerer Saustall also, müsste man sagen, wenn es nicht um Rinder anstatt um Schweine gehandelt hätte. Kein Mensch wagte sich an die unlösbare Aufgabe des Ausmistens. Für Herkules, eine Art antiker Superman, war diese Aufgabe allerdings eine Kleinigkeit. Er riss zwei Öffnungen in den Stall und lenkte den nahe gelegenen Fluss hindurch. So wurde der Mist innerhalb eines Tages weggespült.

Ähnliches geschah an den Christen in der Hafenstadt Korinth. Sie wurden reingewaschen, schreibt hier Paulus. Der Dreck ihres Lebens wurde weggespült. Dies geschah durch Jesus. Ihm hatten sie ihr Leben anvertraut. Daraufhin konnten sie sich von unguten Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften trennen. Ihr Leben wurde rein, durch die Vergebung und durch die Kraft des Heiligen Geistes. Unglaubliches geschah an ihnen. Alkoholiker wurden frei von ihrer Sucht. Menschen, die die antiken Götzen angebetet hatten, glaubten nun an den Gott der Bibel. Geizige wurde freigiebig und Diebe und Räuber gingen einer geregelten Arbeit nach. Heute in Deutschland kommen die Christen hauptsächlich aus bürgerlichen, geordneten Verhältnissen. Damals in Korinth war das anders. Diese Hafenstadt war gewissermaßen das St. Pauli der Antike. Dort blühte das Verbrechen und das Laster. Korinth war eine Hochburg der Prostitution. Von den 100.000 Einwohnern waren wohl etwa 1000 Prostituierte. Aber gerade dort blühte auch die christliche Gemeinde.

Die Christen in Korinth erlebten also Freiheit von Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sie von Gott weggezogen hatten. Aber nun geschah etwas Merkwürdiges bei einigen dieser Christen. Sie dachten: Klar, wir haben Vergebung unserer Sünden erfahren. Unser Leben gehört Jesus. Aber in bestimmten Dingen können wir trotzdem leben, wie wir wollen. Da haben wir Freiheit. Das betrifft vor allem alles, was mit dem Körper zu tun hat. Wenn einer Hunger oder Durst hat, so meinten sie, dann hat er doch das Recht zu essen und zu trinken. Ebenso, so argumentierten sie, sei es mit den sexuellen Bedürfnissen. Auch sie könnten einfach befriedigt werden. Sex ist erlaubt, auch wenn man nicht verheiratet ist, auch mit Prostituierten. Damit befriedigt ja nur der Körper ein Bedürfnis. Mit meiner Beziehung zu Jesus habe das ja nichts zu tun. Und schließlich bin ich doch ein freier Christ, der tun und lassen kann, was er will.

Ist der, der so denkt und handelt, wirklich frei? Ja, so frei wie ein Fallschirmspringer. Er schwebt in völliger Freiheit und Ungebundenheit der Erde entgegen. Auch die Schwerkraft scheint überwunden. Er empfindet seinen Zustand als völlige Freiheit. Aber in Wirklichkeit ist er nicht frei. Starke Kräfte ziehen ihn unaufhaltsam zu Boden. Er kann sich nicht entscheiden, wieder zurück zum Flugzeug zurückzukehren. Nur der Fallschirm bewahrt ihn davor, am Boden zu zerschellen.

So kann auch ein Christ denken: Ich habe die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich will. Es schadet mir nichts. Aber so ein Denken ist ein Irrtum. Er kann sich für frei halten. Aber er ist es nicht. Das merkt er, wenn er an seinem Verhalten etwas ändern will. Ein Raucher ist eben nicht frei, sondern gebunden an das Nikotin. Das entdeckt er aber erst, wenn versucht, vom Rauchen loszukommen.

Der Gang zur Prostituierten wird in christlichen Kreisen sicher seltener sein als bei den Korinthern. Aber wie ist es zum Beispiel mit dem Konsum von Pornographie? Aus seelsorgerlicher Erfahrung weiß ich, dass auch Christen das tun, was Millionen von Männern und auch Frauen machen. Sie konsumieren Pornos im Internet. Und es ist ja gut, wenn einer dies als Schuld erkennt und bekennt. Dann kann ihm ja vergeben und auch geholfen werden. Schwierig wird es allerdings, wenn jemand denkt: Das ist ja alles nicht so schlimm. Es sind ja nur Bilder und ich tue keinem dadurch weh. Außerdem könnte ich jederzeit damit aufhören.

Wer so denkt, der irrt sich, so wie damals die Korinther. Viele Menschen kommen eben nicht davon los, oder nur sehr schwer. Außerdem prägen sich die gesehenen Bilder im Kopf fest und beeinflussen die Phantasie. Es ist auch ein Betrug am Partner. So empfinden diese es auch, wenn sie dahinter kommen, was ihre Männer oder Frauen heimlich anschauen.

Die Warnung des Paulus, die sich ja an Christen richtet, ist heute noch aktuell: Flieht die Hurerei! Paulus verwendet für das Wort „Hurerei“ den griechischen Begriff „Porneia“. Im engeren Sinne heißt dies sich Einlassen mit Prostituierten. Im weiteren Sinne bedeutet dieses Wort jede sexuelle Aktivität außerhalb der Ehe. In die heutige Zeit übersetzt beinhaltet die Warnung vor der „Porneia“ eben auch Folgendes: Schau dir keine Pornos und erotische Bilder an. Durch sie wird ein Karussell der Gedanken angestoßen, das du nicht mehr stoppen kannst. Erst wird die Neugierde, dann die Gier geweckt nach mehr und schließlich die Sucht, die von diesen Bildern nicht mehr los kommt.

Jesus stellt in der Bergpredigt fest: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“ So kann also nach den Worten von Jesus ein Mann aber auch eine Frau durch die Augen zu einem Ehebrecher oder einer Ehebrecherin werden.

„Porneia“ bedeutet Sex außerhalb der Ehe, haben wir gehört. Die Ehe ist der von Gott gegebene Schutzraum der Sexualität. In der Ehe kann sich Sexualität entfalten, ohne Angst vor ungewollter Schwangerschaft, ohne Angst, dass der Partner mich jederzeit verlassen kann, ohne Druck, dass „sie“ ihm sich Verfügung stellen muss, weil „er“ sonst Schluss macht.

Und wenn mich jetzt einer lächelnd fragt: „In welcher Zeit lebst du denn?“, muss ich ihm sagen: In der gleichen Zeit wie du, in der die negativen Folgen von Sex vor und neben der Ehe immer deutlicher werden, in einer Zeit, in der es immer mehr Kinder von Alleinerziehenden gibt, die die Geborgenheit einer intakten Familie von Mutter und Vater nie kennengelernt haben, in einer Zeit, in der die Ehescheidungen rasant zunehmen. Vorehelicher Geschlechtsverkehr erhöht die Wahrscheinlichkeit zu außerehelichen Geschlechtsverkehr. Und Ehebruch ist bekanntlich ein Hauptgrund für das Auseinanderbrechen von Ehen.

Sexualität ist ein wertvolles Geschenk unseres Schöpfers an uns Menschen. Deshalb will Gott, dass wir sorgfältig damit umgehen. Deshalb hat er auch einen Rahmen geschaffen, in den sie hineingehört, einen Rahmen der Treue und Verbindlichkeit. Das ist die Ehe. Wer Sex aus diesem Rahmen herausbrechen will, der macht dieses Geschenk kaputt. Dann wird aus etwas Teurem etwas Billiges.

Unser ganzes Leben gehört Gott. Dazu gehört nicht nur unser Geist und unsere Seele, sondern auch unser Körper. Das schärft Paulus den Korinthern ein. Wir können deshalb nicht tun und lassen, was wir wollen, auch nicht mit unserem Körper. Wenn wir so handeln, dann kann unsere Beziehung zu Gott daran zu Grunde gehen. Setzen wir sie bloß nicht aufs Spiel. Dazu hat Gott viel zu viel in uns investiert. "Ihr seid teuer erkauft", schreibt er hier in unserem Predigttext den Korinthern.

Unser Leben ist also keine armselige und wertlose Sache. Denn es gibt jemand, der höchst interessiert ist an uns. Das ist Gott. Für ihn sind wir ungeheuer wertvoll.

Gott liebt jeden von uns, egal wer er ist. Seine Liebe ist unabhängig von Vorleistungen und Vorbedingungen. Diese Liebe ist mehr als ein Gedanke oder eine bloße Behauptung . Er hat ungeheuer viel dafür eingesetzt, um dir zu beweisen, wie wertvoll du ihm bist.

Was hat Gott eigentlich für dich eingesetzt? Ein paar fromme Gedanken? Ein paar rührselige Tränen? Ein paar christliche Sprüche? Nein! Seinen Sohn hat er eingesetzt. Im Johannesevangelium lesen wir: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Deshalb sagt hier Paulus: „Ihr seid teuer erkauft.“ „Wieso muss Gott sich erkaufen, was ihm doch eigentlich gehört?“, mag jetzt einer fragen. Ich will es mit einer Geschichte, die ich einmal las, erklären:

Ein Junge bastelte einmal ein Segelschiff. Viele Tage verbrachte er damit. Als das Schiff fertig war, ging er damit an den Fluss. An einer langen Schnur ließ er den Segler auf das Wasser hinaus. Irgendwie jedoch riss sich das Schiff los. In wenigen Augenblicken wurde das Schiff auf die Mitte des Flusses getragen. Zum Entsetzen des Jungen war es bald verschwunden. Völlig geknickt kam der Junge am Abend nach Hause.

Wochen später entdeckte er ein Segelschiff im Schaufenster eines Pfandhauses – eben das Boot, das er mit soviel Sorgfalt gebaut , aufgetakelt und angemalt hatte. Er fragte den Inhaber des Pfandhauses, ob er das Boot haben könne. Sein Herz sank ihm fast in den Magen, als er den Mann sagen hörte: „Nur, wenn du den Preis zahlst, der auf diesem kleinen Schild steht.“

Der Junge arbeitete mehrere Wochen, um sich die Summe für das Boot zusammenzusparen. Endlich kehrte er mit dem Geld in der Hand in das Pfandhaus zurück, legte die Summe auf den Ladentisch und sagte: “Bitte sehr , ich hätte gern mein Boot.“

Als er den Laden mit dem Boot in der Hand verließ, sah er es mit einem Gefühl von Freude, Stolz und Liebe an, so, als wollte er sagen: “Du gehörst mir, kleines Schiff! Du gehörst mir zweimal! Einmal, weil ich dich gemacht habe, und dann noch einmal, weil ich dich gekauft habe!“

Ähnlich ist es auch mit Gott und den Menschen. Wir haben uns irgendwie von Gott losgerissen und sind seiner Herrschaft entglitten. Aber Gott ist unser Elend nicht einfach egal. Er ist innerlich in Aufruhr um unseretwillen. Er hat uns lieb wie ein Stück von sich selbst. Er will uns wieder in Besitz nehmen. Aber die gottfeindliche Macht, der wir nun gehören, pocht darauf, dass wir alle Rechte vor Gott verloren haben. Nun musste Gott einen ungeheuer hohen Preis zahlen, um uns wieder zu besitzen. Das war sein Sohn. Gott hat diesen Preis bezahlt! Das ist die gewaltigste Nachricht, die die Menschen je gehört haben. Gott hat uns teuer erkauft. Er ließ seinen Sohn für uns sterben, stellvertretend für unsere Sünde und Schuld. Das ist der Preis.

Ein Unterschied besteht nun zwischen dem Schiff und uns. Der Segler war ein totes Stück Holz und musste den Wechsel vom Händler zu dem Jungen automatisch mitmachen. Wir aber sind lebendig und Gott zwingt es uns nicht auf, wieder sein Eigentum zu werden. Wir können es ablehnen, Gottes Eigentum zu sein. Jesus wäre dann für uns umsonst gestorben. Er hätte umsonst gezahlt. Aber wir können es auch akzeptieren, Gottes Eigentum zu sein. Wir brauchen nur das Geschenk der Liebe Gottes annehmen. Wir brauchen uns nur von ihm liebhaben zu lassen. Jesu Zuneigung können und brauchen wir nicht zu erkaufen. Sie ist uns schon zugesichert. Diese Tatsache brauchen wir nur noch zu glauben.

In einem Schaukasten sieht jemand einen Spiegel. Er schaut hinein. Ein Spruch ist unten auf den Spiegel geklebt. Er liest ihn: “So sieht der Mensch aus, den Gott liebt.“ Wie sieht der Mensch aus? Er schaut in den Spiegel und sieht sich. Da rastet es bei ihm innerlich ein: Er ist mit dieser Aussage gemeint. Da geht ihm auf - und hoffentlich uns allen auch: Ein Mensch, den Gott liebt, muß keine besonderen Vorzüge haben. Er muß nicht fromm, fröhlich und fehlerlos sein. Wir müssen auch keine fromme Maske aufsetzen. Wir dürfen sein, wie wir sind. Wir sind grundlos geliebt, obwohl Gott unsere Macken und Unvollkommenheiten kennt. Diese Tatsache dürfen wir ohne Wenn und Aber glauben.

Gott liebt uns so, wie wir sind. Aber er lässt uns nicht so. Gott liebt den Sünder, aber nicht die Sünde. Er solidarisiert sich mit dem Menschen, aber Gott sagt nicht zu allem Ja und Amen, was er tut. Gott nimmt an, aber er verweichlicht uns nicht. Gottes Liebe will „erziehen“, verändern. Wir können uns nicht von Gott annehmen lassen und gleichzeitig das tun, was ihm nicht gefällt. Wir müssen es auch nicht mehr tun. Wir sind davon frei. Wer die Liebe Gottes erfahren hat, der bleibt nicht so, wie er ist. Er wird zu einem liebesfähigen Menschen umgewandelt. „Wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt, da wirkt sie fort in Tat und Wort hinaus in unsre Welt.“ Heißt es in dem Lied von Manfred Siebald.

Deshalb ein seelsorgerlicher Ratschlag zum Schluss: Beschäftige dich nicht mit dem, wo du bei dir noch Sünde entdeckst. Resigniere auch nicht, wenn du immer wieder das tust, was du eigentlich gar nicht tun willst. Sondern beschäftige dich immer wieder neu mit dieser vergebenden, befreienden und mächtigen Liebe. Und danke immer wieder dafür, dass du geliebt und befreit bist. Dann wird diese Liebe und Freiheit in deinem Leben immer stärker und der Reiz des Bösen immer schwächer, bis er einmal, so dürfen wir es glauben, ganz und gar verschwindet.

Amen