Bayreuth, den 30.5.19 Lukas 24,(44-49)50-53

Liebe Gemeinde! 

Christi Himmelfahrt ist wohl der unbekannteste christliche Feiertag. Was geschah da eigentlich? Was feiern wir an diesem Tag? Die allermeisten Deutschen wissen darüber nicht Bescheid. Aber als freier Tag ist Christi Himmelfahrt sehr beliebt. Ist er doch ein so genannter "Brückentag". Mit einem Urlaubstag kann man vier Tage frei machen. Das ist natürlich eine phantastische Gelegenheit für einen Kurzurlaub oder für einen Ausflugstag.

Heute werden wieder viele Männer mit einem mit einem Bier beladenen Bollerwagen unterwegs sein. Früher nannte man solche Ausflüge vornehm "Herrenpartie". Gemeint ist eine Wanderung, bei der der Alkohol meist im Übermaß genossen wird. Bei einem Ausflug ins Grüne kehren die Männer in der Regel blau zurück. Durch den Alkoholkonsum bedingt gibt am es so genannten "Vatertag" mehr Schlägereien als sonst und laut statistischem Bundesamt dreimal so viel Verkehrsunfälle wie an anderen Tagen.

Ich nehme an: Wir könnten hier die theologisch korrekte Antwort auf die Frage: "Warum feiern wir Christi Himmelfahrt?" geben. Wir bekennen es ja in jedem Gottesdienst: "Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur rechten Gottes, des allmächtigen Vaters". Schön und gut. Alles richtig. Aber wozu braucht es für diese Aussage einen Feiertag? Was gibt es denn heute zu feiern?

Man kann die Frage ja auch herumdrehen: Was würde fehlen, wenn wir diesen Feiertag nicht hätten? An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu. Klar, wenn er nicht geboren wäre, dann gäbe es gar kein Christentum. An Karfreitag denken wir an sein Sterben. Wenn Jesus am Kreuz nicht für unsere Sünde gestorben wäre, dann gäbe es keine Erlösung. Dann wäre der Weg in den Himmel versperrt. An Ostern feiern wir Jesu Auferstehung. Nur weil Jesus auferstanden ist, ist auch sein Tod nicht sinnlos. Jesus ist ja mehr als einer, der nur für eine gute Sache gestorben ist. Er ist auch der Sieger über Sünde und Tod. Und das letzte Christusfest ist nun seine Himmelfahrt. Wir denken an diesen Tag nicht nur an die Rückkehr Jesu zu seinem Vater. Das wäre zu wenig. Sondern Himmelfahrt bedeutet den Herrschaftsantritt Jesu über die ganze Welt. Er ist ja der Sohn Gottes. Ihm ist nach seinen eigenen Worten alle Macht im Himmel und auf Erden übertragen. Vom Himmel aus greift er fortwährend in die Geschichte dieser Welt und vor allen Dingen auch in die Lebensgeschichte derer ein, die an ihn glauben. Der Himmel ist ja nicht weit weg, kein unerreichbares Jenseits. Sondern er ist überall dort, wo Menschen ihm vertrauen und auch in besonderer Weise erfahrbar, wo sie sich in seinem Namen versammeln. So hat er es selber seinen Jüngern versprochen: "Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Und: "Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich mitten unter ihnen." An Christi Himmelfahrt feiern wir also und dürfen uns darüber freuen: Jesus ist immer bei uns, immer erfahrbar, immer bereit mit seiner Allmacht einzugreifen. Ist das nicht ein wunderbares Fest?

Christi Himmelfahrt geschah auf dem Ölberg in der Nähe von Jerusalem. Das Letzte, was die Jünger von Jesus sahen, war, wie er sie segnete. Man muss schon genau hinsehen, was hier in unserem Predigttext steht: Es heißt nicht: Nachdem er sie segnete, fuhr er in den Himmel auf. Sondern: Während er sie segnete! Dies bedeutet: Dieser Jesus hört nicht auf zu segnen! Jesus bleibt der Segnende auch über seine Himmelfahrt hinaus. Das verbindet uns mit den Jüngern von damals. Der Segen von Jesus kennt keine örtlichen und zeitlichen Grenzen mehr. Dieser Segen liegt auch auf deinem Leben, wenn du ein Mensch bist, dessen Leben Jesus gehört.

Was bedeutet das? Was bedeutet denn der Segen Gottes? Es gibt einen Spruch, den wir alle kennen: „An Gottes Segen ist alles gelegen.“ Den Segen Gottes hat jeder Mensch nötig. Ohne ihn läuft nichts oder geht alles schief im Leben.

Gottes Segen ist mehr als ein Glückwunsch, mehr als gute Worte von Menschen. Worte von Menschen können oft gut gemeint sein, sie können uns glücklich machen und neuen Mut geben. Aber sie tragen nicht in sich selber die Kraft, dass sie sich auch erfüllen. Das kann nur ein anderer tun, Gott selber. Bei Gottes Worten ist das anders. Sie geben auch das, was sie sagen, in jedem Fall. Denn hinter ihnen steht die unumschränkte Macht Gottes. Gott tut alles, wirklich alles, um sein Wort zu erfüllen, um auch uns seinen Segen zu geben.

Im Alten Testament wird Segen ja sehr irdisch gesehen. Und das ist auch gut so. Gottes Segen kann ja heute auch noch bedeuten, dass einer ein glückliches Familienleben führen darf, dass er eine gute Arbeitsstelle hat, ein gutes Auskommen, er gesund an Leib und Seele ist. Darum dürfen wir ja bitten. Unser tägliches Brot gib uns heute, so lehrt es uns Jesus im Vaterunser.

Aber bei Jesus hat der Segen noch eine tiefere Bedeutung. So hat Jesus Kinder gesegnet und ihnen nicht Wohlergehen und Wohlstand zugesprochen sondern das Reich Gottes. Warum? Weil sie rein und unschuldig waren? Nein, weil sie hilflos, klein und gering sind. Gerade ihnen spricht er den Segen Gottes zu.

Hier in unserem Predigttext segnet Jesus die Jünger. Auch ihnen spricht er mit dem Segen das Reich Gottes zu, die Gemeinschaft mit ihm, die immer gilt, auch wenn sie ihn nicht mehr sehen. Warum verspricht er dies? Der Grund liegt nicht in ihrer Treue zu ihm. Sie waren ihm ja alle untreu geworden. Als er im Garten Gethsemane verhaftet wurde, ließen sie ihn alle im Stich. Keiner blieb bei ihm. Später behauptete Petrus sogar, ihn nicht zu kennen.

Der Grund liegt in seiner Treue zu ihnen. Er hat ihnen vergeben, hat die Treulosen wieder angenommen und sie zu seinen Mitarbeitern gemacht. Ausgerechnet diese Gruppe von Versagern, diese "Gurkentruppe", hat er sich ausgewählt, das Evangelium, die gute Nachricht von seiner Liebe zu den Menschen, weiterzusagen.

Ihr eigenes Leben stand unter dem "Minus", unter dem Fluch Gottes. Aber dieses "Minus" wurde durch die Gnade und Vergebung durchkreuzt. So wurde aus dem "Minus" ein "Plus". Das heißt Segen.

Das Zeichen des Segens ist für Christen ja das Kreuz. Es ist zunächst ein Todeszeichen, ein Fluchzeichen. Aber indem Jesus den Fluch des Todes, das Gericht für uns trägt und überwindet, wird das Kreuz ein Siegeszeichen, ein Lebenszeichen.

Ein kleines Mädchen kommt vom Dorf in die Großstadt, sieht die vielen Kirchtürme und fragt die Mutter: „Warum sind auf den Kirchen die Pluszeichen?“ Vom Rechnen wusste sie, dass das Kreuz das Zeichen für Plus ist.

Ein gesegnetes Leben ist ein Leben, das unter dem Pluszeichen Gottes steht. Eigentlich steht unser Leben unter dem Minuszeichen von Sünde, Leid und Tod. Aber wenn wir damit zu Jesus kommen, wird er uns vergeben und uns mit dem Zeichen des Kreuzes segnen. Dann ist die Schuld vergeben, der Tod besiegt, das Leid getragen. Wir sind von Gott zum Leben gezeichnet, gesegnet.

Dieser Segen, die Zusage der unaufkündbaren Nähe und Liebe Jesu, setzte bei den Jüngern eine, wie es hier heißt, "große Freude" frei. Das Kommen Jesu in diese Welt und seine Rückkehr zum Vater waren mit dieser großen Freude verbunden. Die Hirten auf dem Feld hörten von dieser großen Freude und die Jünger gingen mit dieser großen Freude zurück nach Jerusalem.

Das Christentum ist etwas zum sich Freuen. Die Freude ist ein Echtheitsbeweis des Christentums. Wo Christen zusammenkommen, da geht es nicht langweilig und traurig zu. Sondern wo das Evangelium verkündigt wird, da verliert ja alles Niederdrückende seine Macht, alle Ängste und Sorgen können von einem abfallen, das schlechte Gewissen weicht der Gewissheit, dass alle Schuld vergeben ist.

Luther schreibt: "Gott will die traurigen Geister nicht haben und hasset die traurigen Gedanken und Sprüche, auch eine Lehre, die niederdrückt, (er) machet dagegen herzlich froh. Denn er hat seinen Sohn nicht gesandt, dass er uns traurig mache, sondern dass wir fröhlich seien." Und an anderer Stelle sagt er: "Ein Christ soll ein fröhlicher Mensch sein."

Auch wenn man keine Frohnatur ist, so kann man doch diese Freude immer wieder erfahren. Sie ist nicht von dieser Welt. Wir brauchen sie nicht produzieren, sondern wir bekommen sie geschenkt, wenn wir glauben, dass Jesus immer bei uns ist und dass wir nie von ihm verlassen sind.

Sicher: Im Leben eines jeden Christen gibt es auch immer wieder Sorge und Trauer, Niedergeschlagenheit und Angst. Es wäre unehrlich, dies zu leugnen. Aber derjenige, der alle Macht im Himmel und auf Erden hat, Jesus Christus, ist auch da, immer da! Mit dieser Gegenwart dürfen wir rechnen. Er hat die Macht, mit Sorge, Trauer, Schuld und Zweifel fertig zu werden.

Es gibt den bösen Vorwurf des Gottesleugners Nietzsche: "Erlöster müssten die Christen aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte." Unsinn. Wir sollen nicht erlöster aussehen. Wir brauchen nur unsere Erlösung glauben, das nehmen, was schon da ist, für uns bereit ist, Hilfe, Vergebung, Kraft, Liebe. Dann kommt die Freude wieder in unser Herz hinein, auch in unsere Gesichter und kann auch überspringen auf andere.

Jesus ist da, immer da, er ist nahe bei uns. Das ist Grund zur Freude in der Hektik oder Einsamkeit des Alltages. Es hilft und tröstet uns ja schon, wenn wir wissen, dass ein lieber Mensch immer für uns Zeit hat, dass er bei uns ist oder wir uns jederzeit an ihn wenden können, um ihm unser Herz auszuschütten. So ist es auch hilfreich und tröstlich, wenn wir uns in allen Dingen im Gebet an Jesus Christus wenden können.

Neben allem Bedrängenden, was uns die Freude nehmen will, ist Jesus ja auch da. Er ist immer da. Schon früh am Morgen steht er neben unserem Bett und will uns begegnen. Er wartet nur darauf, dass wir unsere Bibel, unser Losungsbuch, unser Andachtsbuch aufschlagen und dann damit rechnen, dass er zu uns redet. Im Büro, in der Küche, in der Schule, beim Wäschewaschen, im Arbeitszimmer ist er bei uns und wartet nur darauf, dass wir mit ihm reden: „Herr, ich danke dir, dass du da bist. Ich danke dir, dass du mir nie zuviel aufbürdest und mir auch jetzt bei der Last dieses Tages beistehst.“ Das heißt ganz praktisch mit der Nähe des Auferstandenen zu rechnen. Denn er ist ja wirklich da, um uns zu helfen. Wir müssen nur seine Hilfe in Anspruch nehmen. Deshalb brauchen wir nicht zu denken: „Das schaffe ich nicht! Was wird dieser Tag wohl bringen? Wie wird das wohl ausgehen?“ Sondern wir dürfen alle Dinge im Gebet vor Jesus bringen und ihm danken, dass er, der alle Gewalt im Himmel und auf Erden hat, doch auch da ist.

Dieser Jesus Christus verdient nichts anderes als Anbetung und Lobpreis. Genau das taten ja auch die Jünger, als sie von Bethanien nach Jerusalem zurückkehrten. Sie priesen Gott. Segnen und preisen ist hier im griechischen Urtext das gleiche Wort. Wörtlich übersetzt heißt es "Gutes reden". Jesus segnete die Jünger, das heißt, er redete gutes für sie. Und die Jünger priesen Jesus, das heißt sie redeten Gutes von ihm. Die Gesegneten loben Gott. Und umgekehrt sind auch die, die Gott loben, gesegnete Menschen.

Wenn man sich fortgesetzt gegen Gott und seine Führung auflehnt, ihn anklagt und fragt: "Warum lässt du das zu?" ist bestimmt nicht gesegnet. Aber wer fortgesetzt Gott dankt, der ist gesegnet.

Alleine schafft man das oft nicht. Deshalb ist es auch für uns hilfreich, was die Jünger nach der Himmelfahrt taten. Sie kamen immer wieder in dem Tempel zusammen, um Gott zu preisen, wie es in unserem Predigttext heißt. Das Gleiche dürfen wir ja auch tun, wenn wir Sonntag für Sonntag, und manchmal auch unter der Woche, im Gottesdienst zusammenkommen.

Mit diesem Lobpreis Gottes der Jünger im Tempel endet das Lukasevangelium. Der gleiche Autor, Lukas, schrieb ja auch die Apostelgeschichte. Sie beginnt mit der Himmelfahrt. Mit ihr endete nicht die Geschichte von Jesus und seinen Jüngern. Sondern sie ging erst so richtig los. Die gleichen Jünger, die sich in den Tempel zum Lob Gottes zurückzogen, zogen dann auch aus, um die Welt zu revolutionieren. Mit dem Heiligen Geist ausgestattet, vollbrachten sie die gleichen Wunder wie Jesus, sprachen mit der gleichen Vollmacht wie er. Wie ein Flächenbrand verbreitete sich die Botschaft von Jesus im Römischen Weltreich. Überall, in Kleinasien, Griechenland, Spanien, Italien, entstanden christliche Gemeinden. Auch in Pakistan und Indien soll durch den Apostel Thomas die gute Nachricht von Jesus weiterverbreitet worden sein.

Wir sind kein Paulus und kein Petrus. Aber wir haben wie sie den gleichen Christus und den gleichen Heiligen Geist. Auch wir dürfen uns im Gottesdienst zurüsten lassen für den Alltag, nicht nur für unsere Aufgaben in Beruf und Familie. Wir haben noch eine andere Aufgabe: eine entchristlichte Welt für Jesus zu gewinnen. Eine ungeheuere, zu große Aufgabe für uns? Mit unseren Kräften ist sie nicht zu schaffen. Aber mit seiner Kraft, mit dem Geist Jesu Christi, ist es möglich. Dann können wir ein liebes Wort weitersagen, eine Einladung über die Lippen bringen, wie "Würdest du mit mir in den Gottesdienst gehen?" oder sich zu seinem Glauben zu bekennen. Wir werden uns mit unserem Bekenntnis zu Jesus nicht immer Freunde machen. Aber nur so, durch Einladen und Bekennen, ist die Kirche entstanden, sind auch wir zu Christen geworden und werden auch noch heute andere Menschen zu Christen.

Amen