Bayreuth 13.3.05 2. Mose 20,8

Zum Anspiel

Liebe Gemeinde!

Tja, vier merkwürdige Riten, die der Marsbewohner bei den Erdenmenschen entdeckt hat: Fußball, Baden, Autofahren und Fernsehen. Wir haben sie sicher erkannt, wie sie beschrieben worden sind. Und die Bilder dazu haben uns auch weitergeholfen.

Für uns sind es allerdings keine merkwürdigen Riten, sondern ganz normale Tätigkeiten – auch an einem Sonntag. Eher kommt uns ein anderer Ritus etwas seltsam oder exotisch vor: Ein schwarz gekleideter Mann oder eine schwarz gekleidete Frau singt oder redet in einem größeren Raum. Die Leute, die vor diesen schwarz gekleideten Personen sitzen, singen oder reden auch nach bestimmten Regeln. In gewissen Abständen stehen sie auf und setzen sich wieder. Und ab und zu hört man Töne aus einem riesigen Instrument.

Sie haben es natürlich erkannt: Das ist der Gottesdienst, den ich eben beschrieben habe. Vermutlich kommt so manchem, der den Gottesdienst nur sehr selten besucht, diese Veranstaltung tatsächlich als so eine merkwürdige Veranstaltung vor, deren Regeln man nicht so recht durchschaut.

Aber um dieser Veranstaltung willen gibt es den Sonntag. Der Gottesdienst gibt ihm erst seinen Sinn und seine Mitte. Wie ist denn der Sonntag als Feiertag eigentlich entstanden?

Konfirmand liest vor:

"Es ist nicht selbstverständlich, dass wir den Sonntag als Feiertag haben. Die ersten Christen kamen zwar am Sonntag zusammen, um miteinander Gottesdienst zu feiern. Aber der Sonntag war ja ein normaler Arbeitstag. So trafen sich die Christen wohl erst abends, um miteinander zu beten, Gottes Wort zu hören oder zu lesen und auch das Abendmahl miteinander zu feiern. Sie taten dies am Sonntag, weil Jesus an diesem ersten Tag der Woche von den Toten auferstanden war, und sie sich an diese wunderbare Tatsache immer wieder erinnern wollten.

Erst der römische Kaiser Konstantin führte im Jahr 321 den Sonntag als Feiertag ein. Im Mittelalter wurde sehr streng darauf geachtet, dass keiner an diesem Tag arbeitete. Strafen wurden dem auferlegt, der nicht den Gottesdienst besuchte. In der Neuzeit schlug das Pendel in die andere Richtung aus. Aus wirtschaftlichen Gründen setzte sich die Sonntagsarbeit immer mehr durch. In den 50er Jahren setzte sich der Samstag als arbeitsfreier Tag durch. Das Bewusstsein, dass der Sonntag der erste Tag der Woche ist, verschwand immer mehr. Vielmehr gehörte der Sonntag nun zum Wochenende, das nun immer mehr zu Kurzurlauben, Familienfesten und Sport- und Kulturveranstaltungen genutzt wurde."

Der Sonntag ist ein Geschenk Gottes an unsere vom Christentum geprägte Kultur. Es täte uns allen gut, an Leib und Seele, wenn wir dieses Geschenk recht gebrauchen und dankbar schätzen würden.

Es hat einmal jemand ein kluges Wort gesagt: "Als Gott die Menschen aus dem Paradies trieb, da ließ er ihnen zwei schöne Erinnerungen an diese schöne Zeit: die Familie und den Sonntag."

Der Sonntag ist ein Stück Ewigkeit in der Zeit, ist eine Erinnerung an das Ruhen Gottes und ein Versprechen auf die vollendete Ruhe der Kinder Gottes in der zukünftigen Welt,

Ursprünglich war der Feiertag der Sabbat. Bis auf den heutigen Tag feiern ihn die Juden, und nehmen ihn sehr genau. Ein strenggläubiger Jude kann am Sabbat keine Arbeit verrichten.

Dieses unumschränkte Arbeitsverbot der Juden am Feiertag haben die Christen nicht übernommen. Arbeit, die anderen Menschen hilft, ja sogar Leben rettet, ist am Feiertag erlaubt. Allerdings ist wichtig, dass man wenigstens am Sonntag, und wenn es wirklich nicht anders geht, an einem anderen Tag, aus der Tretmühle des Alltags herauskommt und einmal alle Arbeit liegen lässt, und erscheint sie noch so wichtig. Das wird unserem Leib und unserer Seele gut tun.

Jeder Motor muss regelmäßig kontrolliert werden. Jedes Auto muss in gewissen Abständen zur Inspektion, damit alles geprüft und erneuert werden kann. Wenn man diese Inspektion einfach weglässt, kann ich mit dem Auto leicht mal stehen bleiben. Ohne Überholung und Erneuerung kann ein Motor auf Dauer nicht funktionieren.

Was einem Motor gut tut, schadet auch dem Menschen nicht. Deshalb richtet Gott den Sonntag ein. Alle sieben Tage Inspektion. Gott möchte sich in ganz besonderer Weise um sein Geschöpf kümmern. Er möchte mit ihm reden. Er möchte die ungeklärten Dinge bereinigen: Sündenvergebung. Er möchte den Kurs für die nächste Woche festlegen: Orientierung durch sein Wort. Er möchte neue Kraft und Trost geben: durch seine Zusagen.

Nur der kann auf die Dauer seine Aufgaben erfüllen, die ihm von Gott in dieser Welt gestellt sind, wenn er diese regelmäßige Inspektion erfährt. Gott sieht nach dem Rechten. Gott bringt in Ordnung, was nicht stimmt. Das will er am Sonntag tun.

Aber ist es nicht so, dass Gott an jedem Tag unser Herr sein will? Er will doch täglich zu uns durch sein Wort reden. Das ist richtig. Man darf dieses Gebot nicht so verstehen, als wolle Gott von uns nur den Sonntag, und an allen anderen Tagen könnten wir machen, was wir wollten.

Bei einem Auto ist es ja auch so, dass wir häufiger tanken müssen, aber wir gehen nicht jeden dritten Tag zur Inspektion. Die gründliche Überprüfung und Überholung ist nur in größeren Abständen notwendig.

So auch zwischen Gott und uns. Er will den täglichen Kontakt zu uns haben. Er will täglich mit uns sprechen, uns täglich die Schuld vergeben. Aber alle sieben Tage will er eine gründliche Inspektion durchführen. Dazu ist einfach mehr Zeit notwendig, als den meisten in der Woche bleibt.

In meinem Auto klebt ein Zettel, der mir sagt, wann ich mit meinem Wagen zum nächsten Kundendienst fahren muss. Das ist ein wichtiger Termin, den ich nicht verpassen will.

Gott will Inspektion in unserm Leben machen. Alle sieben Tage. Bitte den Termin notieren! Wer ohne Inspektion Gottes fährt, läuft heiß, leiert aus, wird wacklig, verschleißt sich schnell, zerstört sich selbst.

"Du sollst den Feiertag heiligen", dieses Gebot tut dem Menschen gut. Was ist denn nun am Sonntag heilig? Dem einen ist es seine Sonntagszeitung, die er am Vormittag liest. Dem anderen sein gutes Mittagessen, auf das er großen Wert legt. Dem dritten ist sein Mittagsschlaf wichtig, zu dem er nur am Sonntag kommt. Dem vierten sein Spaziergang und dem fünften seine Joggingrunde, die er dreht.

Nichts gegen Zeitunglesen, ein gutes Mittagessen, Schlafen, Spazierengehen und Sporttreiben am Sonntag. Doch Sonntagsheiligung bedeutet etwas anderes. Gott will, dass der Sonntag "geheiligt" wird. D.h. dieser Tag soll ganz besonders Gott allein gehören. Heilig sein heißt: ausgesondert sein für Gott.

Der Sonntag ist dazu da, um Zeit mit Gott zu verbringen. Sonntag wird dann, wenn wir mit Gott reden und wenn er zu uns reden kann. So gesehen ist der Sonntag ein ganz besonderes Geschenk Gottes an den Menschen. Gott will uns an diesem Tag ganz besonders beschenken.

Um dieses Geschenk recht empfangen zu können, kann ich mich auch vorbereiten. Ich soll selber zur Ruhe kommen, alle unnötige Arbeit ruhen lassen, mich nicht gleich in neue Aktivitäten stürzen, sondern mir auch einmal Zeit nehmen für mich und meine Seele. Es ist sicher gut, wenn ich einmal inne halte und über mein Leben nachdenke. Dabei kann ich mir immer wieder einmal folgende Fragen vorlegen: Lebe ich so, wie es Gott von mir haben will? Halte ich seine Gebote? Welchen Sinn hat überhaupt mein Leben?

Dann kann ich all das, was mir anhand dieser Fragen aufgegangen ist, im Gebet vor Gott bringen. Ich kann ihm alles sagen, was mein Herz bewegt, kann vor ihm mein Herz ausschütten. Er kann ja helfen, er kann antworten.

Gott redet durch sein Eingreifen, seine Hilfen, ja seine Wunder. Er redet durch seine Taten, und er redet auch durch sein Wort. Er kann uns oft ganz klar sagen, was er von uns erwartet, was er mit uns vorhat und was wir von ihm erwarten dürfen. Wenn ich in der Bibel lese und den Gottesdienst besuche, dann kann und will er mit mir reden. Man kann viel gegen den Gottesdienst sagen: "Die Leute, die hingehen, sind auch nicht besser wie die anderen, die Predigt ist langweilig, ich verstehe sie nicht." Das mag ja alles der Fall sein, aber Gott kann ja auch in einem vorgelesenen Bibeltext oder in einem Lied zu dir reden. Du musst nur deine Ohren auftun und nicht schlafen. Die Erwartungshaltung spielt eine entscheidende Rolle. Wer vom Gottesdienst sich nichts erwartet, muss sich nicht wundern, wenn er wieder leer nach Hause geht. Wer aber vor und während des Gottesdienstes betet: "Herr, gib mir heute ein Wort für mein Herz und gib mir ein Herz für dein Wort.", der wird in der Regel nicht leer nach hause gehen.

Der Sinn vom Gottesdienst ist ja nicht, dass jeden Sonntag irgendein Ritual abgespult wird. Der Sinn des Gottesdienstes ist, dass ich dort die Stimme Gottes höre, und zwar so, dass ich im Herzen von seinem Wort getroffen werde, und ich mich von Herzen über Gott freuen kann.

Ich kenne viele Menschen, die freuen sich, wenn wieder Sonntag ist. Vor allen Dingen freuen sie sich darauf, dass im Gottesdienst wieder Gott mit ihnen redet. Sie haben es erfahren, wie ihnen Hilfe gegeben wurde, neuer Mut und Trost. Sonntag für Sonntag dies erleben zu dürfen, ist doch etwas Wunderbares. Es ist ein Geschenk Gottes – auch an uns.

Amen