Liebe Gemeinde!
Das Gleichnis, das wir eben gehört haben, will uns eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn unseres Lebens geben. Diese Frage stellt sich uns dann vor allen Dingen, wenn uns etwas wegbricht, was wir bis dahin als selbstverständlich genommen haben und was uns wichtig gewesen ist. Wenn wir unsere Arbeitsstelle verloren haben oder in Rente gegangen sind, wenn wir krank geworden sind, wenn unser Ehepartner gestorben ist oder uns verlassen hat, wenn wir aus welchen Gründen auch immer in ein emotionales Loch gefallen sind, dann können wir zu der Erkenntnis kommen: So vieles, eigentlich alles, worauf ein Mensch sein Leben bauen kann, vergeht so schnell, Gesundheit, Lebensenergie, Arbeit, Familie, die Ehe. Dann kann in uns die Frage hochkommen: Worauf soll ich denn mein Leben bauen?
Alles vergeht so schnell. Deshalb meinen viele Menschen: Ich muss, so viel nur geht, aus diesem kurzen Leben herausholen. Genau das Gegenteil behauptet der Religionsstifter Buddha: Töte alle deine Begierden ab. Dann findest du Frieden. Dann kommst du irgendwann einmal ins Nirwana.
Und Jesus? Er sagt hier: Das Wort Gottes gibt deinem Leben Sinn, einen ewigen Sinn. Wenn du es in dein Leben hineinlässt, dann kommt auch ein Stück Ewigkeit in dein Leben hinein und du wirst ein anderer Mensch, einer, von dem Frieden, Liebe, Geduld, Freundlichkeit ausgeht. Wenn Gott in unser Leben durch sein Wort hineinkommt, dann hat es Sinn, auch wenn alles andere wegbricht, was einem Menschen wichtig sein kann.
Schon Menschenworte können ein Leben verändern und mit neuen Sinn erfüllen. Wenn zum Beispiel ein junger Mann von einer jungen Frau, um die er wirbt, hört: „Du, ich liebe dich!“ Dann kann so ein Satz ihn vollkommen glücklich machen. Erst recht kann so eine Veränderung in einem Leben geschehen, wenn wir das Wort Gottes hören und ihm Glauben schenken: „Du, ich hab dich lieb!“
Gott redet, in der Bibel oder wie heute in diesem Gottesdienst. Dies ist keine Theorie und bloße Behauptung. Unzählige Menschen, auch ich, haben es erfahren, wie im Gottesdienst Gott durch das Wort von Menschen zu ihnen gesprochen hat.
Es ist wunderbar, dass Gott mit uns redet, um uns etwas mitzuteilen und vor allen Dingen um uns zu verändern. Denn Gottes Wort ist keine neutrale Information über bestimmte Sachverhalte. Es ist eine Kraft, die Herzen bewegt. Es hat Leben in sich wie das Saatgut, das der Bauer aussät. Es will in unserem Leben Wurzeln schlagen und Frucht bringen. Alles, was Gott an uns nicht gefällt, soll durch sein Wort verändert werden. Etwas Neues soll in uns anfangen und immer stärker und kräftiger werden. Gott will seine Lebenskräfte in uns hineinsäen. Sind wir wie ein Acker, offen und empfänglich? Kann Gott seine Liebe in uns hineinlegen, damit sie sich vermehrt und Frucht bringt?
Gleicht unser Leben einem aufgebrochenen Acker oder einem plattgefahrenen Feldweg? Hören wir Gottes Wort und hören es doch nicht? Es gibt eine geistliche Form der Schwerhörigkeit, nämlich die dem Wort Gottes gegenüber. Es ist schon schlimm genug, wenn unser natürliches Ohr nichts oder schlecht hören kann. Schon junge Leute können schlecht hören, durch eigene Schuld. Eine Sprechstundenhilfe eines HNO Arztes sagte mir: „Viele junge Leute kommen zu uns nach Rockkonzerten in die Praxis. Durch die überlaute Musik haben sie sich ihr Hörvermögen geschädigt. Der Hörnerv erholt sich zwar in der Regel wieder schnell. Aber zurück bleiben störende und oft quälende Hörgeräusche.“
Ebenso kann man sich sein Hörvermögen für Gottes Wort ruinieren, auch schon in jungen Jahren. Da erscheint schon einem jungen Menschen nichts Langweiligeres als eine Predigt, auch wenn sie lebendig und vollmächtig ist. Wir empfinden es oft als normal, wenn schon Konfirmanden oder frisch Konfirmierte nur ein Gähnen für den Gottesdienst übrig haben. Aber es ist höchst unnormal, ein beunruhigendes Krankheitszeichen. Es sind die Folgen eines geistlichen Hörsturzes, einer geistlichen Taubheit. Wenn einer taub ist für Gottes Wort, dann stimmt etwas nicht bei dem oder der Betreffenden. Dann sollten bei ihm sämtlich Alarmglocken schrillen. Denn wenn einer sich für Gottes Wort nicht interessiert, dann hört er ihm nicht zu. Und wenn er nicht zuhört, dann kann er nicht glauben. Und wenn er nicht glaubt, dann führt er ein sinnloses Leben und verpasst einmal die Ewigkeit.
Ein taubes Ohr für Gottes Wort kann man bekommen, wenn andere Stimmen das überdröhnen, was unser Schöpfer uns zu sagen hat. Es sind geistige Mächte, die ein Herz in Beschlag nehmen, Gedanken, die mich so fesseln, dass ich gar nicht mehr auf Gottes Wort hören kann. Und wir wissen ja, was ein Herz total vereinnahmen kann: Musik, Fußball, Sex, bestimmte Menschen, die ich verehre, die Sucht nach Ehre und Anerkennung und Vieles andere mehr. All diese Gedankenmächte reduzieren das geistliche Hörvermögen nahe Null. Und der Teufel hat seine Freude daran.
Aber es gibt noch andere Gefahren, die einen für das Wort Gottes taub machen. Es sind Gefahren, die vor allen Dingen fromme Leute betreffen. So gibt es ein gewohnheitsmäßiges, pflichtgemäßes Christentum. Man denkt vielleicht: „Ich weiß alles, glaube alles, der Pfarrer kann mir nichts Neues sagen. Ich habe ja alles schon oft gehört.“ Das Leben gleicht einem Feldweg, auf dem die Wagen des Alltäglichen so sicher und gleichmäßig dahinrollen. Alles ist eingeebnet, plattgetreten und eingestampft. Kein Hoffen und Sehnen, kein Rumoren und Bohren, kein Fragen und Kämpfen. Alles ist eingelaufen und festgefahren, gewohnt und abgenutzt. Alles hat seinen Platz gefunden, ist eingespielt und müde. Es dringt nichts mehr ein, bricht nichts mehr auf.
Die andere Gefahr ist: Man kommt sich als rechter, frommer, braver Christ vor, hat sich noch nie oder nicht mehr als Sünder erkannt, der Gnade braucht. Deshalb hört man gar nicht richtig zu, wenn von Sündenerkenntnis die Rede ist oder lehnt sich gar dagegen auf. Und das Wort von der Vergebung und der Liebe Gottes überhört man dann auch. Das Wort Gottes hat so keine Chance, in ein solches Herz einzudringen.
Dann redet Jesus von einer zweiten Möglichkeit, mit dem Wort Gottes umzugehen. Menschen glauben dem Evangelium, mit Freuden, mit Begeisterung. Aber sie glauben nur eine Zeitlang, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.(Lukas 8,13) Eine Zeitlang, das kann sogar nur die Dauer eines Gottesdienstes umfassen. Man kann sehr angetan von einer Predigt sein, aber letztlich genoss man den Gottesdienst wie ein Theateraufführung. Er war nur fromme Unterhaltung. Und es verändert sich nichts. Viele junge Leute sind begeistert etwa von einer Konfirmandenfreizeit oder Jugendfreizeit „Das war cool!“ schwärmen sie. Aber die Begeisterung war nur ein Strohfeuer. Nach kurzer Zeit ist es wieder herabgebrannt. Anderes nimmt sie wieder in Beschlag.
Die Dritten, so sagt Jesus, hören das Wort, sie glauben es. Alles scheint in Ordnung zu sein. Aber noch eine andere Saat geht in ihrem Herzen auf. Sorgen, Reichtum und Freuden des Lebens ersticken den guten Samen des Wortes Gottes. Reichtum kann einen dabei gleichermaßen von Gott abziehen wie Armut. Wer reich ist, steht in Gefahr, dass sein Besitz sein Herz gefangen nimmt. Je mehr einer hat, desto größer wird die Gefahr, dass er hartherzig und geizig wird, dass seine Gedanken immer mehr darum kreisen, wie er zu noch mehr Reichtum kommt.
Armut bringt einen allerdings nicht automatisch näher zu Gott. Es ist ein Irrtum, wenn man meint, dass Not Beten und Glauben lehrt. Dies kann natürlich auch der Fall sein. Aber Not lehrt auch Fluchen und Sorgen. Im alltäglichen Getriebe, in der Sorge um das Auskommen, den Beruf, die Kinder, die Gesundheit kann einem der Glaube abhanden kommen wie ein achtlos liegen gelassener Regenschirm. Und wenn man ihn doch braucht, den Glauben, dann hat man ihn nicht.
Die Jagd nach Vergnügen ist auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das Christsein. Man will schon glauben, aber da ist noch dieses Fest und jene Party, die man mitnehmen will. Im Zweifelsfall gehen alle privaten Interessen vor dem Wort Gottes. Bei so einem Christsein stimmt auch etwas nicht. Da hat man noch nicht die rechte Rangordnung begriffen oder sie wieder aus dem Auge verloren. Es gibt nichts Schöneres, Wichtigeres und Erstrebenswerteres als das Reich Gottes. Nicht umsonst mahnt Jesus in der Bergpredigt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ (Matthäus 6,33).
Dies sind nun zweifellos sehr ernste Worte, Worte, die wir uns gefallen lassen müssen, die auch mir gelten. Aber Gott sei Dank ist das nicht alles, was ich zu sagen habe. Jesus spricht in seinem Gleichnis von den Menschen, die den Samen des Wortes Gottes aufnehmen, es in ihrem Herzen bewegen und Frucht in Geduld bringen.
Was ist das für eine Frucht? Da ist zunächst die Frucht, die Gott in unserem persönlichen, eigenen Leben erwartet. Paulus schreibt davon an die Galater: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.“ Und die andere Frucht, die er erwartet, ist, dass auch andere Menschen durch uns zum Glauben kommen.
Aber, wenn wir von dem guten Lande hören, von einem feinen, guten Herzen, kann man sich fragen: Wer hat denn so ein Herz? Ist unser Herz so ein feines, gutes Herz? O nein, das natürliche Menschenherz ist kein gutes Land. Es hat all die schlimmen Eigenschaften der drei genannten Bodenarten. Es gleicht dem Wege, hart und festgetreten durch die Sünde oder die Selbstgerechtigkeit. Unser Herz kann so schnell begeistert und doch wieder verzagt und gottlos sein. Und liegen auch nicht in unserem Herzen die Keime zur Sünde, zu jeder Sünde? Paulus hat recht, wenn er an die Römer schreibt: „Ich weiß, in mir, das ist in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes.“ Ja, wir sind zu allem fähig, wenn uns die Gnade nicht bewahrt.
Wie soll denn nun aus unserem Herzen ein feines, gutes Herz werden? Auf keinen Fall durch gute Vorsätze und fromme Bemühungen! Ein anderes Herz kann nur Gott geben.
David erkannte, dass sein Herz böse war. Darum betete er. „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist.“ Und der Dichter Neuß hat das auch erkannt:
„Ein reines Herz, Herr schaff in mir,
schließ zu der Sünde Tor und Tür;
vertreibe sie und lass nicht zu,
dass sie in meinem Herzen ruh.
Gott kann Herzen umwandeln, wenn wir nur auch wollen und ihm dies auch zutrauen. Wenn wir beten und glauben, dann wird Gott auch handeln. Er kann Menschen verwandeln und wird es auch tun, wenn sie es nur wollen. Nur, es kann natürlich eine Zeitlang dauern. Nicht umsonst spricht Jesus hier von der Geduld. Er weiß, wie ungeduldig wir Menschen oft sein können, wie wir alles Gute sofort erwarten und auch nach Rückschlägen schnell aufstecken. Gott wird uns schon zu Menschen verwandeln, die Frucht bringen, so wie er sie haben will, und wenn es Jahre und Jahrzehnte dauert. Es kann gar nicht anders sein. Auch wenn wir das Gegenteil sehen: Wir dürfen weiterglauben, dass unser Leben noch viel Frucht bringt, viel mehr als wir ahnen.
In den Gräbern der alten ägyptischen Könige fand man unter den Grabbeigaben auch Gefäße mit Weizenkörnern, die bereits 5000 Jahre alt waren. Als man sie in die Erde legte und mit Wasser begoss, keimten die Weizenkörner und wuchsen zur Frucht. Noch nach 5000 Jahren hatten sie die Keimkraft in sich und warteten nur auf den richtigen Boden, um auch wachsen und Frucht bringen zu können.
Auch Gottes Wort ist tausende von Jahren alt. Aber es hat in sich eine erstaunliche Kraft. Die Worte Gottes enthalten das ganze volle Leben und Wachsen. Es braucht nur in ein Herz und Leben gelegt werden, um seine Kraft auch zu entfalten. Wo dies der Fall ist, wo sich ein Herz für das Wort öffnet, da wird es auch seine Früchte hervorbringen.
Mit wem Gott einmal angefangen hat zu reden, den führt er auch immer weiter auf dem Weg zum Ziel. Gott macht keine halben Sachen.
Auch wenn wir das Gegenteil von dem erleben, was uns Gott versprochen hat, Not statt Hilfe, Rückfall in Abhängigkeiten statt Erneuerung, ein böses Gewissen anstatt Frieden, dann halten wir doch erst recht am Glauben fest, dass Gott es gut mit uns meint. Dann brauchen wir eben Geduld. Geduld ist keine behagliche Ruhe und Beschaulichkeit. Geduldigsein ist tätiger , angespannter Widerstand. Geduldig sein heißt, fortgesetzt gegen die Mutlosigkeit in einem anzukämpfen, die in einem hochsteigen will. In Zeiten, wo wir denken, der Glaube hilft ja doch nicht, brauchen wir Geduld, die sich an die Zusagen Gottes festklammert.
Gott braucht oft Zeit, um uns verändern zu können. Niemand braucht an die nicht zu bezwingende Macht der Sünde zu glauben. Wir dürfen vielmehr glauben, dass das Wort Gottes sich letzten Endes in unserem Leben durchsetzen wird.
Amen