Bayreuth, den 8.9.19 Psalm 84,1-5:11-12

Liebe Gemeinde!

"Jemanden, den du kennst, zu etwas einladen, das du liebst." Das ist das Motto unseres "Back to Church" Sonntages am 13. Oktober. Es ist mein Wunsch, dass wir alle jemanden zu dem Gottesdienst an diesem Sonntag einladen. Ob diese Person dann kommt oder nicht, das ist nicht das Entscheidende. Das liegt nicht in unserer Hand. Das wollen wir getrost Gott überlassen.

Wir wollen zu etwas einladen, das wir lieben, also zum Gottesdienst. Es gibt ja ganz verschiedene Ereignisse, die wir lieben. Ein Urlaub etwa, auf den wir uns oft das ganze Jahr über freuen. Endlich raus aus dem Alltag in die Berge oder an die See oder in eine faszinierende Stadt. Oder ein Konzert, zu dem manche auch eine längere Fahrt auf sich nehmen wie nach Bamberg, Nürnberg oder noch weiter. Oder ein Treffen mit guten Freunden, auf das wir uns den ganzen Tag schon freuen.

Diese drei Beispiele habe ich bewusst gewählt. Weil sie alle irgendwie etwas mit dem Gottesdienst zu tun haben. Ist der Gottesdienst nicht auch eine Auszeit, wenigstens für eine Stunde, raus aus dem Alltag? Geht es nicht auch wie bei einem Konzert um Musik, um Lieder, die wir singen und deren Texte unserer Seele gut tun? Und treffen wir uns nicht auch mit guten Freunden und vor allen Dingen mit unserem besten Freund, Jesus Christus?

Ich gehe davon aus, dass die allermeisten hier gerne den Gottesdienst aus den von mir genannten Gründen besuchen. Sie freuen sich darauf. Es tut ihnen gut, hier zu sein. Und oftmals geht es ihnen besser, wenn sie den Gottesdienst wieder verlassen. Vielleicht ist auch manches Gewohnheit. Wir gehen halt in den Gottesdienst, weil wir es schon immer tun und machen uns nicht mehr viel Gedanken warum eigentlich. Es schadet sicher nicht, wenn uns wieder neu bewusst wird, was für ein Geschenk der Gottesdienst ist und wir wieder dankbarer dafür werden. Für was ich dankbarer werde, das schätze ich mehr. Was ich schätze, das kann ich lieben. Und was ich liebe, dazu kann ich gerne einladen.

Der Verfasser des Psalms 84 hat den Gottesdienst geliebt. Er kann es gar nicht erwarten, wieder den Tempel in Jerusalem zu besuchen, genauer gesagt, die Vorhöfe. Dort fanden die Gottesdienste statt. Der Tempel war ja nur den Priestern vorbehalten.

Im Tempel fühlte er sich wohl. Dorthin zog es ihn immer wieder. Er war seine Heimat. Dort fühlte er sich geborgen - wie ein Vogel in seinem Nest.

So können auch unsere Gottesdienste wie der Tempel zu Jerusalem ein Nest werden, in dem viele Menschen gewissermaßen sich bergen können. Nicht nur Menschen übrigens. Im jerusalemer Tempel haben wohl Vögel ihre Nester gebaut. So klingt es in unserem Predigtabschnitt an. Und in unserer Kirche haben schon andere possierliche Tierchen ihre Zuflucht gefunden. Es war in einem Gottesdienst im Sommer vor einigen Jahren. Ich bemerkte eine gewisse Unruhe unter den Gottesdienstbesuchern - vor allen Dingen unter den weiblichen. Eine Maus hatte sich nämlich auf die Empore verirrt. Dort wurde es ihr wohl zu warm und sprang dann runter in den Gottesdienstraum und wanderte durch die Stuhlreihen bis zum Altar vor. Wenn ich mich recht erinnere, hat nach dem Gottesdienst eine beherzte Jugendgruppenleiterin die Maus eingefangen, - mit einer Klorolle als Mausefalle!

Zuflucht und Geborgenheit finden wir bei Jesus Christus, der uns in seinem Wort begegnet. Wer an ihn glaubt, der geht in ihn hinein wie in einen Raum. Der ist „in Christus“, so drückt es der Apostel Paulus aus. Der wohnt in ihm, so sage ich jetzt einmal so.

„Wohl denen, die in deinem Hause wohnen“, so lesen wir hier im Psalm 84. Eigentlich merkwürdig ausgedrückt. Hier in unserem Gemeindezentrum, da wohnt nur der Pfarrer mit seiner Familie. Und im Tempel zu Jerusalem wohnte niemand, außer Gott. Die Priester taten wohl dort ihren Dienst, aber sie wohnten nicht im Tempel. Was heißt denn dann im Hause Gottes wohnen?

Wir haben hier viele Gottesdienstbesucher. Aber viele von diesen Besuchern können sicher sagen: „Wir sind eigentlich keine Besucher mehr. Wir wohnen hier im Haus Gottes. Denn wir sind Kinder Gottes. Das heißt, wir wollen von diesem Ort, in dem Jesus Christus verkündigt wird, nicht mehr weggehen. Denn das brauchen wir, dass man uns die Nähe Gottes zuspricht, dass wir spüren und erfahren, in der Predigt wie im Abendmahl, wie unsere Sorgen, Ängste und vor allen Dingen unsere Schuld von uns abfallen, so wie Lasten einem abgenommen werden. Bis an unser Lebensende gehören wir hierher.“ Wohl denen, die so sprechen kennen. Sie haben eine Heimat, die Jesus Christus heißt. Und die bleibt in alle Ewigkeit.

Sie sind nicht obdachlos, heimatlos, wie so viele Menschen, die nicht wissen, wo sie hingehören.

Bei einem Pfarrer bat einmal ein Obdachloser um Brot und Kaffee. Während er in Ruhe aß und trank, sprach der Pfarrer mit ihm. Der Sohn des Pfarrers, vier Jahre alt, stand hinter seinem Vater und beobachtete ängstlich den Mann mit seinem wilden Bart und verwegenen Aufzug. Dieser sah auf den Jungen, der sich am Vater festhielt und immer wieder einmal hinter ihm hervorlugte. Schließlich stand der Obdachlose auf. Es rollte ihm eine Träne in den Rauschebart, und er sagte: "Junge, du hast es gut. Du hast einen Vater und ein Zuhause. Das habe ich nicht."

Es ist so wichtig, dass wir eine Heimat haben, bei Gott unserem Vater und dort, wo die gute Botschaft von seinem Sohn verkündigt wird

Dann weiß ich, wo ich hingehöre. Dann passiert mir zwar auch wie jedem anderem Menschen manches Unvorhergesehenes und Unverständliches. Da kann plötzlich ein lieber Mensch sterben, da überfällt mich eine Krankheit, ich werde arbeitslos oder Menschen enttäuschen mich. Aber ich habe doch einen Punkt, an den ich mich orientieren kann, einen Halt, an dem ich mich festhalten kann. Es ist die Botschaft von Jesus Christus, die ich höre. Schon manches mal habe ich es gehört: Dieses Wort, das Sie in der Predigt gesagt haben, oder beim Abendmahl mir zugerufen haben, hat mir geholfen. Und dann fand man aus Niedergeschlagenheit und Trauer zur Freude.

Sie haben in den Gottesdiensten den gefunden, der sie liebt wie kein anderer, Jesus Christus. Der es unendlich gut mit ihnen meint, auch mit dir übrigens, der du mit ihm noch wenig oder gar nichts anfangen kannst. Der hat ihnen alles Lasten abgenommen, die sie niederdrückten, alle Sünde, alle Sorge und Ängste. Deshalb lieben sie auch den Gottesdienst, weil sie dort der Liebe Jesu begegneten.

Auch heute dürfen wir alle, auch du, diese Botschaft hören und glauben: All deine Lasten darfst du an Jesus abgeben. Du brauchst ihm nur zu vertrauen, dass er dir hilft und beisteht, dass er dir deine Schuld vergibt und dich zu einem neuen Menschen macht. Jesus fordert nichts von dir, was du eh nicht schaffst. Sondern er schenkt dir etwas, was dich froh und frei macht, die totale Vergebung deiner Sünden. Du brauchst es nur zu nehmen, zu glauben.

Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt: „Eine rechte evangelische Predigt muss so sein, als ob man einem Kind einen schönen roten Apfel hinhält oder einem Durstigen ein Glas Wasser und dann fragt: ‚Willst du?’“

Man kann es auch so ausdrücken: Die vorrangige Aufgabe der Predigt ist nicht, aus schlechten Menschen bessere zu machen, sondern zu verkündigen, dass Gott für schlechte Menschen gut ist. Solche Botschaft drückt nicht nieder, sondern befreit und verändert dann auch Menschen, wenn sie dem Evangelium Glauben schenken.

Diese Botschaft zieht die Menschen an, die Botschaft von einem gnädigen und gütigen Gott, der sich uns in Jesus gezeigt hat. Und es sind auch die Menschen, die etwas von diesem Geist Jesu in sich tragen, vor allen Dingen etwas von seiner Liebe. Wo jemand dies spürt, da fühlt er sich wohl. Das Glaubensbekenntnis spricht von der "Gemeinschaft der Glaubenden". Diese Gemeinschaft gibt es wirklich, nicht die Gemeinschaft der Fehlerlosen, nicht die Gemeinschaft derer, die sich alle sympathisch sind. Sondern die Gemeinschaft derer, die diese Liebe Jesu in ihrem Leben erfahren haben und die sie verbindet.

Diese Gemeinschaft brauchen wir alle. Es tut mir gut, wenn ich in der Gemeinschaft der Glaubenden bin. Es tut mir gut, wenn ich spüre, da ist im Gottesdienst eine Gemeinschaft zusammengekommen, die diesen Geist Jesu Christi in sich hat. Dann kann ich viel leichter glauben. Ja, ohne diese Gemeinschaft kann ich auf Dauer nicht glauben. Das ist wie mit den Mammutbäumen.

Die Mammutbäume in Kalifornien sind die gewaltigsten Pflanzen der Welt. Die mächtigsten dieser Bäume sind mehrere tausend Jahre alt. Fast 100 Meter ragen diese Riesen in den Himmel, der höchste 115 Meter. Sie kommen nur in Gruppen vor. Das ist das Grundgeheimnis ihrer wunderbaren Standfestigkeit, obwohl sie keine Pfahlwurzeln haben, sondern nur Wurzeln, die sich unter der Oberfläche des Bodens ausbreiten. Diese Wurzeln der Bäume verflechten sich untereinander so fest und sind dabei so elastisch, dass sich die Mammutbäume gegenseitig halten, selbst wenn die gefürchteten Hurrikane wüten.

Christen sind keine religiösen Einzelgänger, die für sich allein glauben und alle Glaubensschwierigkeiten mit sich selber ausmachen. In den Stürmen, die ihren Glauben vernichten wollen, brauchen sie wie die Mammutbäume den Halt der anderen. In der Gemeinschaft lässt es sich viel leichter glauben als alleine. Wer dies einmal gemerkt hat, der möchte diese Gemeinschaft um keinen Preis mehr missen. Er sucht sie, so oft er kann und scheut auch weite Wege, schlechtes Wetter und eine ungünstige Zeit nicht.

Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist Jesus eben auch dabei. In der Gemeinschaft der Glaubenden kann mich das Wort Gottes ganz anders bewegen und treffen, als wenn ich es nur für mich alleine lese.

Auch die Regelmäßigkeit macht’s. Wir sollten die Gemeinschaft der Glaubenden nicht nur dann suchen, wenn irgendein Anlass besteht, wie Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung, Weihnachten, sondern immer wieder, freiwillig, ohne dass es einen besonderen Anlass braucht.

Ein französischer Geistlicher hat einmal folgendes Plakat an seine Kirchentür gehängt, um laue Kirchgänger zu ermuntern. Darauf stand: „Eines Tages hat Ihre Mutter Sie hierhergebracht. Später Ihre zukünftige Frau. Eines noch späteren Tages werden Ihre Freunde Sie trauernd hierher geleiten. Versuchen Sie doch auch mal, allein zu kommen.“

Wie alles, was ich regelmäßig mache, kann der Gottesdienstbesuch mein Leben verändern. Das ist wie beim Fitnesstraining. Jeder, der dreimal pro Woche eine halbe Stunde ein leichtes Ausdauertraining macht, der wird feststellen, dass seine Fitness sich enorm steigert.

Fest verwurzelt sein in der Gemeinschaft der Glaubenden, Geborgenheit und Heimat finden im Gottesdienst, ihn schätzen und lieben, dass wünsche ich allen hier. Und ich wünsche es auch denen, die noch nicht hier sind aber hier sein könnten, wenn wir sie denn einladen.

Heimat kann ja ein sehr exklusiver Begriff sein. Heimat, damit kann der Ort gemeint sein, wo ich aufgewachsen bin, wo ich schon seit Jahren und Jahrzehnten wohne und feste Freundschaften habe. Gottesdienstgemeinde als Heimat kann nun auch eine fest verschworene Gemeinschaft sein. Man kennt sich, schätzt sich und mag sich. Und andere würden da eher stören.

Es gibt die Gefahr, dass Gemeinde ein exklusiver Zirkel wird. So geschah in jener Kirchengemeinde, von der ich ihnen zum Schluss noch erzählen möchte:

Auf vielfachen Wunsch der Gemeinde predigt eines Sonntags der Pfarrer über eine schwierige Frage: Werden wir uns im Himmel wiedererkennen? Gibt es ein Wiedersehen nach dem Tode? Der Pfarrer zieht allerlei Bibelstellen heran und kommt zu dem Ergebnis, dass sich Freunde und Familien im Himmel wieder erkennen können.

Am Montag danach findet der Pfarrer in seinem Briefkasten eine Nachricht: "Sehr geehrter Herr Pfarrer! Könnten Sie vielleicht auch mal ausführlich über das Thema predigen, wie wir unsere Freunde hier auf Erden erkennen? Ich besuche nun seit einiger Zeit Ihre Gemeinde und noch nie hat jemand irgendeine Notiz von mir genommen."

Zu dieser Geschichte ist zweierlei zu sagen: Zum einen: Vielleicht findet sich ja jemand unter uns in dieser Geschichte so wieder, dass er denkt: "Genauso geht es mir auch. Ich besuche zwar hier den Gottesdienst oder gar unter der Woche eine Gruppe, aber an meiner Person scheint niemand Interesse zu haben." Diesem möchte ich den Rat geben: Sieh dich nach einem um, dem es anscheinend ähnlich geht wie dir und gehe auf ihn zu. Warte nicht, bis jemand dich anspricht sondern sprich selber jemanden an! Und hüte dich vor einer Eigenschaft, die wie selten eine andere dein Selbstwertgefühl und deine Stimmung nach unten zieht: Das ist das Selbstmitleid. Selbstmitleid erkennt man wohl an dem Satz, den man permanent zu sich spricht: "Niemand denkt an mich! Nur ich denke an mich!"

Und zum anderen ist zu der Geschichte, die ich eben erzählt habe, zu sagen: Es wäre wirklich beschämend, wenn so etwas vorkommt, auch in unseren Reihen. Und wenn wir ehrlich sind, die Gefahr dazu besteht sicherlich. Denn wir neigen dazu, uns mit uns selbst zu beschäftigen und mit denen, die uns aus irgendeinem Grund sympathisch sind oder, die wir schon lange kennen oder von denen wir etwas wollen. Das ist einfacher. Das ist bequemer.

Aber nun wünsche ich mir, und ich hoffe, es ist auch euer Wunsch, dass ihr in fünf Wochen Bekannte zu dem einladet, was ihr liebt, zu unserem Gottesdienst, dass möglichst viele auch kommen, sie sich wohl fühlen und hier in unserer Gemeinde ihre Heimat finden.

Amen