Bayreuth, den 15.9.19 Johannes 1,43-51

Liebe Gemeinde!

Warum sitzt ihr denn heute Vormittag hier in diesem Gottesdienst und seid nicht gemütlich zu hause beim Frühstück oder liegt noch im Bett? Doch nicht, weil es hier noch gemütlicher oder noch bequemer als zu hause ists oder? Der Grund ist folgender: Irgendwann einmal hat uns jemand zu einem Gottesdienst wie heute oder zu einer Jungscharstunde, einer Jugendgruppe, zu einer besonderen christlichen Veranstaltung eingeladen oder mitgenommen. Vielleicht war es ein Pfarrer oder ein Gruppenleiter, eine Kindergottesdiensthelferin oder eine Religionslehrerin, unsere Eltern oder Großeltern. Oder ganz einfach unsere Frau.

Ich habe drei Personen gebeten, die uns in ein paar Sätzen sagen sollen, wer sie bei welcher Gelegenheit wohin eingeladen hat.

(Marion Gubitz, Franz Hühnel, Martin Engelhardt)

Ich denke, das war ganz typisch, was uns die drei erzählt haben. Die Freundin, eine Gruppenleiterin oder eine Kollegin haben uns eingeladen. Andere könnten erzählen, wie ihre Eltern sie als kleine Kinder einfach mitgenommen haben. Bei den ersten Christen war das ganz genauso. Die biblische Geschichte, die ich vorgelesen habe, erzählt von Philippus. Jesus lud ihn ein, ihm nachzufolgen, mit ihm zu leben. Dies tat er. Und er merkte: Dieser Jesus ist mehr als ein Mensch. Er ist der Messias, der Sohn Gottes.

Es war bei ihm wie bei so vielen Menschen: Sie vernehmen ganz deutlich den Ruf Jesu Christi: „Folge mir nach!“ Sie erkennen, dass das bisherige Leben kein rechtes Leben gewesen war. Denn es war geprägt von Sünde und Schuld, angefüllt von nichtigen Dingen. Sie hatten nur vergängliche Lebensziele. Und nun hören sie ganz klar die Stimme Jesu: „Kommt doch her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Ich will euch eure Lasten abnehmen. Kommt und folgt mir nach!

Manche wehren ab, wenn sie diesen Ruf hören. Sie wollen es sich lieber noch einmal überlegen. Oder sie wollen doch lieber ihr altes Leben weiterführen. Andere, wie hier in unserem Predigtabschnitt Philippus, gehen freudig auf das Angebot ein. Sie merken: Sie haben nun den gefunden, dem sie ihr Leben anvertrauen können.

Philippus ist unversehens von Jesus gefunden und ergriffen worden. Von nun an ist er „Feuer und Flamme“ für Jesus. Sein Herz ist voll, darum geht sein Mund über. Es sprudelt geradezu aus ihm heraus: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.“ Er macht uns vor, wie man einen Menschen zum Glauben bringt. Philippus bleibt kein stiller Genießer, der denkt: „Hauptsache, ich habe begriffen, worum es im Leben geht.“ Nein, er redet von seinem Glauben. Er hält Nathanael keinen langen theologischen Vortrag. Sondern er erzählt ihm, was er mit Jesus erlebt hat, die kurze Szene der Begegnung mit dem Sohn Gottes.

Philippus wendet sich nicht an einen X-beliebigen, sondern an einen Bekannten. Er weiß wohl: Meinen Freunden bin ich es schuldig, dass ich das weitersage, was ich als Wahrheit erkannt habe. Und ich mache mich schuldig, wenn ich es nicht tue.

Genauso wie Philippus können wir auch handeln. Wir können das, was uns selber im Glauben wichtig geworden ist, anderen weitersagen. Und wir wollen nicht bei irgendwelchen Fremden anfangen, sondern bei unseren Freunden und Bekannten, unseren Kindern und Eltern. Wie können wir ihnen das verschweigen, was ihnen allein helfen und sie in Ewigkeit retten kann, das Evangelium? Vielleicht will Gott, dass gerade du einen bestimmten Menschen ansprichst, dass du ihn einlädst zu einer christlichen Versammlung, und er letztlich durch dich zum Glauben kommt.

Wenn ein einziger unter uns einen Menschen einlädt, unter das Wort Gottes zu kommen, und der kommt tatsächlich und glaubt, dann ist das schon viel. Wenn diese beiden nach einem Jahr wieder je einen dazubringen, und dann diese vier nach einem Jahr wieder je einen, dann wären nach elf Jahren über 1000 Personen beieinander.

Wir mögen über solche Zahlenspielereien lächeln. Aber nur so, dass einer von seinem Glauben weitererzählt, wächst das Christentum. In Deutschland schrumpft es. Hunderttausende treten Jahr für Jahr aus den Kirchen aus. 4,7 Prozent derer, die sich noch Christen nennen, besuchen am Sonntag den Gottesdienst. Von den unter Dreißigjährigen sind es nur noch 0,7 Prozent. Warum ist das so? Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass wir viele Christen haben, die ihren Glauben nicht weitergeben und auch nicht einladen. Vielleicht haben sie auch nichts weiterzugeben, nichts zu bezeugen. Aber da, wo Menschen von ihrem Glauben an Jesus weitererzählen, da wachsen in der Regel die christlichen Versammlungen. Dies geschieht ja auch hier in Bayreuth. Oder muss ich da sagen: Es geschah?

Wir alle können dazu beitragen, dass der christliche Glaube weitergegeben wird. Es gibt eine simple Methode, die seit einigen Jahren ausprobiert wird. Mit Erfolg. "Back to Church Sunday". Eine Aktion, die in Manchester, in England begann. Eine Aktion ohne großen Aufwand: Man lädt einfach zu einem bestimmten Gottesdienst ein. Es war der letzte Sonntag im September. Der Erfolg war überwältigend. Es kamen tatsächlich erstaunlich viele Menschen. Als ob sie nur darauf gewartet hätten, eingeladen zu werden. Diese Aktion verbreitete sich sehr schnell. Mittlerweile machen in vielen Ländern tausende von Gemeinden mit. Auch in Deutschland ist diese Aktion angekommen. Letztes Jahr machte der Dekanatsbezirk Wunsiedel mit. Das Ergebnis dort war: Es kamen 70 Prozent mehr Besucher wie an anderen Sonntagen in den Gottesdienst. Es kommt nicht auf die Zahlen an. Und wenn es nur einige sind, die das Evangelium hören, die sonst nicht einen Gottesdienst besuchen, fände ich das großartig. In diesem Jahr machen viele Gemeinden aus dem Dekanatsbezirk Bayreuth mit. Auch wir als Nikodemuskirchengemeinde.

Das Gesamtthema lautet: "Gottesdienst erleben. Du kommst uns wie gerufen!" An diesem Sonntag, den 13.10, bei uns, geht es nicht darum, dass jeder einen mitbringen muss und beschämt zu hause bleiben muss, wenn er es nicht geschafft hat. Das wäre frommer Leistungsdruck. Sondern es geht darum, einzuladen. Das ist unsere Sache. Wie der andere reagiert, ist dessen Sache. Und den Segen schenkt Gott sowieso nur allein.

Natürlich gibt es auch Widerstandskräfte, die sich der Kettenreaktion des Glaubens entgegenstellen, sicher auch bei uns.

Wir haben ja vor 3 Jahren eine Gottesdienstumfrage gemacht. Etwa 150 Gottesdienstbesucher haben einen Fragebogen abgegeben. Man konnte auf eine Frage 1 bis 5 Punkte vergeben: 1 = trifft überhaupt nicht z, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = neutral, 4 = trifft zu, 5 = trifft voll und ganz zu. Da kamen viele erfreuliche Ergebnisse heraus: Freude auf den Gottesdienst: 4,41, Predigtthemen interessant: 4,58, Zufriedenheit mit dem Gottesdienst 4,47. Wisst wir, was - und zwar mit Abstand - den schlechtesten Wert hatte? Habe andere eingeladen: 2,52

Warum nur?

Antwort: Ich denke, es spielt viel Angst mit. Es ist ja nicht so, dass die Verkündigung des Evangeliums immer und sofort auf begeisterte Zustimmung stößt. Was ist, wenn der andere absagt? Nicht kommt? Mich dumm anschaut?

Da spielt die Angst mit, etwas falsch zu machen, ungeschickt zu argumentieren und den anderen eher zu verprellen als zu gewinnen. Diese Angst kommt auch aus der Scheu, den anderen in intimen Dingen, und dazu gehört ja zweifellos der Glaube, zu nahe zu treten. Und schließlich ist ganz einfach die Trägheit und Feigheit, die keine Lust hat oder sich nicht traut, Gelegenheiten zum Bekennen zu nutzen.

Jesus hat einmal gesagt: "Wessen Herz voll ist, dem geht der Mund über." Das heißt: Wer Jesus lieb hat, der möchte dann doch auch etwas von dieser Liebe an andere Menschen weitergeben und weitersagen.

Nun kann natürlich einer sagen: Diese Liebe habe ich gerade nicht! Aber das stimmt nicht! Wenn du ein wiedergeborenes Gotteskind bist, dann hast du diese Liebe. Denn dann hast du doch Jesus Christus, der in dir mit seiner Liebe wohnt, ja der diese Liebe ist! Du brauchst nicht auf deine eigenen Kräfte zu sehen, auf deine mangelnde Liebe, auf deine Ungeschicklichkeit. Gott hat dir seinen Geist des Mutes, der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit gegeben. Er hat! Deshalb kann dir Gott auch zumuten, deinen Glauben zu bekennen. Du kannst es.

Natürlich ist es nicht so, dass die Verkündigung des Evangeliums immer und sofort auf begeisterte Zustimmung stößt. Auch Nathanael, dem Philippus begeistert von seiner neuen Erkenntnis berichtet, reagiert zunächst skeptisch. „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ hält er ihm entgegen. Der Messias soll aus einem unbedeutenden Provinznest kommen?

Skepsis und Glaubenszweifel sind also nichts Modernes, sondern es gab sie schon im Neuen Testament. Nur, - und das ist neu: Die Einwände gegen das Christentum sind zahlreicher geworden. Das Sündenregister der Kirche ist lang: Die Predigten sind trocken, die Kirchenbänke zu hart, die Musik zu langweilig, die Bibel zu altmodisch. Deshalb und aus noch vielen anderen Gründen sagen Viele: Hört mir auf mit der Kirche! Was kann vom Christentum schon Gutes kommen? Da findet doch das Leben nicht mehr statt. Das hat sich längst überholt.

Was soll man auf all diese Anfragen antworten? Wir können wiederum von Philippus lernen. Er reagierte nicht beleidigt, als Nathanael skeptisch fragte und sein Zeugnis auf spröde Abwehr traf. Er ließ sich von Nathanael nicht aus der Fassung bringen. Ganz schlicht verweist er auf den, auf den es ankommt, auf Jesus: „Komm und sieh es!“ Er hält sich nicht lang bei den Einwänden und Argumenten des Nathanael auf, er führt keine theologische Diskussion, sondern lädt zu Jesus ein. Mit scharfsinnigen Argumenten und mit Logik kann man zwar Diskussionen, aber in der Regel keine Menschen gewinnen. Der Glaube wird nicht bewiesen, sondern muss von jedem selber gewagt werden. Wir brauchen niemanden überreden. Jeder soll selber prüfen und sich ein Urteil über Jesus bilden. Wer dies offen und ehrlich tut, der wird auch von der Wahrheit des Evangeliums überwältigt werden.

Wenn wir nun jemand zu dem Gottesdienst am 13. Oktober einladen, dann kann natürlich jemand seine Bedenken und Vorurteile gegenüber Kirche und Gottesdienst äußern. Damit müssen wir rechnen. Aber wir können ja sagen: "Schau es doch selber einmal an. Bilde dir dadurch deine eigene Meinung." Dann kann das geschehen, was mit Natanael geschehen ist, und auch mit so manchem anderen Menschen.

Ich denke an einen jungen Mann. Nennen wir ihn mal Andi. Er wohnte zu hause bei den Eltern, verbrachte seine Zeit mit Arbeiten, Kneipenbesuchen und viel Fernsehen. Er hat nie über Gott nachgedacht.

Eines Tages kam eine junge Frau auf der Arbeit auf ihn zu und lud ihn zur Kirche ein. Er war von sich selber überrascht, als er ja sagte. Die junge Dame, nennen wir sie Silke, holte ihn am Sonntagmorgen ab und nahm ihn mit in den Gottesdienst. Sie fragte ihn, wie er den Gottesdienst fand. Er antwortete einfach: "Okay." Er traf einige von Silkes Freunden und wurde in den folgenden Wochen einige Male zum Essen eingeladen.

Er kam wieder und wieder und bekam schließlich von Silke eine Bibel geschenkt. Andi begann Fragen zu stellen, von denen er - wie er später sagte - nicht einmal wusste, dass er sie in seinem Inneren trug. Andi wurde ein aktives Mitglied dieser Kirchengemeinde. Jahre später sagte er, dass Silkes Einladung und die Gastfreundschaft ihrer Freunde einen gravierenden Unterschied für sein Leben gemacht haben. Man kann Andi heute noch in der gleichen Gemeinde finden, in die er vor Jahren eingeladen wurde.

Es gibt heute noch ehrlich Suchende, selbst wenn sie wie Andi nicht einmal wissen, dass sie auf der Suche sind. Natanael war auch so ein Mensch. Er spürte: Dieser Jesus kennt mich und er liebt mich. Er kann sich der Faszination, die von Jesus ausging, nicht entziehen. So einen Menschen wie Jesus hatte er nie kennengelernt. Diese Begegnung mit Jesus war das Wunderbarste und Herrlichste, was er bisher erlebt htte!

Aber Jesus macht ihm klar: Das Schönste kommt erst noch. Wer bei Jesus ist, der lebt unter dem geöffneten Himmel. Das heißt nichts, keine Schuld, keine Sünde, trennt mich von Gott und ich darf fortgesetzt etwas mit ihm erfahren. Ja, ich darf sogar Abenteuer mit ihm erleben. Wer glaubt, erlebt immer wieder Wunder mit einem lebendigen Gott. Er merkt immer neu, dass es keine aussichtslosen Lagen für ihn gibt.

Jedes Wunder und jede Hilfe ist nur eine Anzahlung dafür, dass Gott zu viel Größerem bereit ist. Im Christentum geht es von Erkenntnis zu Erkenntnis, von einem Wunder zum nächsten. Wer etwas mit Gott erlebt hat, der darf auf noch Größeres hoffen. Wir brauchen nie traurig sein, dass etwas Schönes zu Ende gegangen ist. Es folgt immer noch Schöneres. Und das Schönste kommt noch: Im Reich Gottes.

Es wäre doch wunderbar, wenn wir durch eine Einladung in einen Gottesdienst einen anderen Menschen dazu bringen, dass er Jesus kennenlernt. Nur ein paar Worte können ein Leben verändern. Wie etwa die neun Worte: "Würdest du gerne mit mir in die Kirche gehen?" Oder die zwei Sätze: "Ich gehe morgen in den Gottesdienst. Gehst du mit?" Überlegen Sie Formulierungen, Worte, Sätze, mit denen Sie gerne einladen möchten. Und tun Sie es vor allen Dingen, auch wenn Sie feuchte Hände und Herzklopfen haben wie bei Ihrem Heiratsantrag. Beten Sie, dass Ihnen klar wird, wen Sie einladen können. Freuen Sie sich, wenn jemand mitgeht und akzeptieren Sie es, wenn jemand "Nein" sagt.

Amen