Bayreuth, den 29.9.19 Markus 4,26-29

Liebe Gemeinde! 

Das Jahr 2060 geisterte vor einigen Monaten wie ein Schreckgespenst durch kirchliche Medien und Verlautbarungen. Dann soll sich die Zahl der Kirchenmitglieder auf die Hälfte reduziert haben. Ob es so kommt, oder noch schlimmer oder nicht ganz so schlimm, das kann niemand vorhersagen. Auf jeden Fall kann man sagen: Mit der Kirche wird es weiter bergab gehen, wenn nicht eine grundlegende Umkehr unseres Landes zum Glauben an Gott und an Jesus geschieht.

Ob die Kirchen in Deutschland ihre besten Zeiten gehabt haben, kann niemand mit Gewissheit sagen. Es sieht zumindest so aus. Aber wenn wir uns nun mit dem Gleichnis, das Jesus erzählt hat, beschäftigen, sehen wir die Zukunft der Kirche mit anderen Augen, nicht einem panischen oder resignierten Blick sondern mit einem hoffnungsvollen. Das morsche Gebälk unserer Landeskirche mag zusammenbrechen, aber das Reich Gottes wird kommen. Alle Reiche dieser Erde werden einmal vergehen. Alle Ideologien, auch der Materialismus und der Atheismus werden einmal ein Ende haben. Die Zukunft gehört dem Reich Gottes. Sie gehört Jesus und denen, die an ihn glauben. Sein Reich wird kommen. Darum beten wir Sonntag für Sonntag im Vaterunser. Und das bekennen wir im Glaubensbekenntnis. Das steht fest. Denn das ist die Botschaft des gesamten Neuen Testamentes. Jesus redete immer wieder von dem kommenden Reich Gottes. Von dieser Gewissheit getragen machten sich die Jünger auf, um das Evangelium von Jesus weiterzusagen.

Wir wollen als Kirchengemeinde das Gleiche tun. Martin Luther wird der Satz zugeschrieben: "Wenn ich wüsste, dass Morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen." Ich möchte dieses Zitat ein bisschen abändern: Wenn ich wüsste, das Morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch die gute Botschaft von Jesus Christus weitersagen, gerade dann." Und wenn ich wüsste, dass Morgen die bayerische Landeskirche unterginge, - und das bedeutet ja noch lange nicht den Weltuntergang und auch nicht der weltweiten Kirche - so möchte ich auch das Evangelium weitergeben.

Auch in unserem Kirchenvorstand ist die Weitergabe des Evangeliums immer wieder ein wichtiges Thema. Wir wollen uns nicht nur mit Gebäuden und Finanzen beschäftigen. In unseren Beratungen nimmt der kids-Treff regelmäßig einen großen Raum ein. Denn in unserer offenen Kinder- und Jugendarbeit wollen unsere Mitarbeiter den Kindern und Jugendlichen die Liebe Jesu weitergeben, in Wort und Tat.

Nun ist unser Gottesdienst verglichen mit anderen Kirchengemeinden nicht gerade schlecht besucht. Aber wir überlegen uns im Kirchenvorstand immer wieder, wie wir noch mehr und andere Menschen mit der Botschaft erreichen können, dass sich allein ein Leben mit Jesus wirklich lohnt. Es gibt noch leere Plätze in unserer Kirche. Und es gibt sicher auch noch leere Plätze im Himmel.

So haben wir uns entschlossen, bei der "Back to Church" Aktion mitzumachen. Ich habe ja in meinen letzten beiden Predigten davon gesprochen. Ich gehe davon aus, dass alle wissen, worum es geht. Wir bitten Sie alle, dass Sie jemanden, den Sie kennen, zu etwas einladen, was Sie lieben. Sprechen Sie Leute aus Ihrer Verwandtschaft, Nachbarschaft, Freunde, Mitschüler, Kommilitonen, Arbeitskollegen an. Bringen Sie einen einladenden Satz über die Lippen wie: "Würdest du gerne mit mir in den Gottesdienst gehen?" Und wenn Ihnen dieser Satz aus irgendeinem Grund nicht gefällt, verwenden Sie einen anderen Satz. Hauptsache, Sie laden jemanden zu einer Veranstaltung ein, von der ich ausgehe, dass Sie sie lieben. Sonst wären Sie ja nicht Sonntag für Sonntag hier. Werfen Sie bitte nicht nur einen Flyer in den Briefkasten sondern sprechen Sie die Person persönlich an. Wenn sie zugesagt hat, holen Sie sie am besten ab, bringen Sie sie hierher, laden Sie sie anschließend zum Kirchenkaffee ein. Bringen Sie sie in Kontakt mit anderen Gemeindegliedern, laden Sie sie auch in unsere Gemeindegruppen ein und natürlich auch wieder in unsere Gottesdienste. Sie dürfen nicht nur an unseren "Back to Church" Sonntag einladen sondern auch zu anderen Gottesdiensten.

Wenn Sie sich bei unserer Einladeaktion mitmachen, dann beteiligen Sie sich auch an dem, was der Bauer in unserem Gleichnis tat. Er streute Samen auf das Feld. Ein Stück Reich Gottes wird gesät. Das soll auch in wie an allen anderen Gottesdiensten am 13. Oktober geschehen. Da soll durch eine gastfreundliche Atmosphäre, durch die Lieder und vor allen Dingen durch die Predigt die Liebe Gottes in das Herz der Besucher gesät werden.

Aber wie soll ein Bauer mit einem ganzen Sack voll Getreide säen, wenn er keinen Acker hätte? Und wie soll jemand in einem Gottesdienst etwas von der Liebe Jesu erfahren, wenn er nicht da ist, weil er nicht eingeladen wurde?

Nun hoffe und bete ich auch, dass Sie zu diesem Gottesdienst einladen. Und wie geht es dann weiter? Wie ging es denn nach der Säaktion in unserem Gleichnis weiter? Der Bauer tat zunächst gar nichts. Er schlief und stand wieder auf, lesen wir in unserem Predigttext. Ansonsten wartete er einfach ab, was mit dem Samen geschah. Er konnte ja nichts dazu tun, dass die Saat aufging. So ist das in der Landwirtschaft im Prinzip bis auf den heutigen Tag. Gut, moderne Landwirte können den Boden besser vorbereiten als ihre Vorväter, sie können Dünger ausbringen, können mehr als früher gegen Schädlinge und Unkraut tun. Aber ansonsten müssen auch sie abwarten, was geschieht. Sie können es nicht regnen lassen, können nicht die Sonne scheinen lassen. Es ist immer noch wie vor 2000 Jahren: Unwetter und Dürre können eine ganze Ernte vernichten.

Genauso ist es auch bei der Aussaat des Evangeliums. Sie können einladen. Aber Sie haben es nicht in der Hand, ob die Eingeladenen kommen. Sie können sie ja nicht zwingen. Wenn dies geschieht, dann müssen Sie sich keine Vorwürfe machen. Sie haben nicht versagt. Sondern sie haben das getan, was Sie konnten. Und das ist wunderbar. Es geht an diesem Sonntag nicht um eine fromme Erfolgsbilanz. Es geht auch nicht um ein Vergleichen: Die hat mehr eingeladen und bei dem sind mehr als einer gekommen. Es geht bei dieser "Back to Church" Aktion nicht um große Zahlen. Es geht um Treue. Lade du treu ein. Und bete treu für die Eingeladenen. Alles andere überlass Gott.

Wir haben es also nicht in der Hand, ob einer kommt, der eingeladen wird. Wir haben es auch nicht in der Hand, ob einer zum Glauben kommt. Das ist ein Geheimnis Gottes, das wir nicht ergründen können. Jesus hat ja einmal ein anderes Gleichnis aus der Landwirtschaft erzählt, das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld. Da säte auch ein Bauer seinen Samen aus. Nur ein Teil brachte Frucht, der Großteil nicht. Auch Jesus erging es also mit seiner Verkündigung so wie allen anderen Predigern des Evangeliums nach ihm.

Das Entscheidende muss Gott tun, durch seinen Heiligen Geist. Und er weht, so sagte es Jesus einmal, wo und wann er will. Und er schenkt auch Glauben, so steht es in unseren Bekenntnisschriften, der Augsburger Konfession, Abschnitt Fünf, wo und wann er will.

Wir sind als Kirche kein Unternehmen, das sich bestimmte Wachstumsziele setzt und versucht, sie dann umzusetzen. Wenn wir das tun würden, würden wir einem Machbarkeitswahn verfallen. Das Entscheidende muss Gott tun. Er gibt Verheißungen. Er legt den Samen in den Boden. Er schenkt Wachstum und Gedeihen. Das dürfen wir nicht vergessen. Sonst bleiben wir nicht gelassen und verfallen in Hektik und Stress.

Diese Gelassenheit muss ein Martin Luther gehabt haben. Nach seinen Gottesdiensten, in denen er gepredigt hatte, soll er mit seinem Freund Philipp Melanchthon einen trinken gegangen sein. Und er begründete dies so: "Während ich mein Tröpflein Wittenbergisch Bier trinke, läuft das Evangelium." Also ohne ihn. Das sind wohl die schönsten Worte, die ich jemals über das Bier gehört habe. Wir können Gemeinde nicht bauen. Wir können nicht Menschen zum Glauben bringen. Das muss Gott tun. Wir können oft nur staunend danebenstehen und zuschauen, wie Gott das tut und nicht rotieren, bis wir nicht mehr können.

Ein Bauer braucht Geduld. Das sagt uns hier Jesus in diesem Gleichnis. Zuerst wächst der Halm aus der Erde, dann kommt die Ähre und schließlich die Körner an der Ähre. Jeder Bauer weiß das. Er kann nicht mit der Beißzange die Ähre aus dem Boden ziehen und dadurch den Wachstumsvorgang beschleunigen. Dadurch würde er im Gegenteil die Ernte kaputt machen. Er muss warten, bis die Frucht an der Ähre hängt.

Auch das Reich Gottes braucht Zeit zum Wachsen. Man sieht nicht sofort etwas. Oft langsam und "heimlich, still und leise" wie es in dem Lied von Manfred Siebald heißt, kommt es und wächst. Und wir brauchen Geduld, um dieses Wachstum abzuwarten. An dieser Geduld fehlt es uns oft. Wir sind enttäuscht, wenn wir jemanden eingeladen haben, und er kommt nicht - und denken: "Ach, das ganze Einladen bringt doch nichts." Und geben auf. Auch ich kenne solche ähnlichen Gedanken. Da verkündige ich nun schon seit fast 40 Jahren das Evangelium, und was ist das Ergebnis? Auch Luther kannte solche Gedanken. Er trat einmal in Wittenberg in den Predigtstreik, weil er dachte, seine Zuhörer gingen doch nicht auf das ein, was er ihnen jahraus, jahrein predigte.

Ja, oft fehlt es uns an Geduld. Wir wollen alles sofort haben. Ist es nicht ein Kennzeichen unserer Zeit, dass man alles möglichst schnell, ohne zu warten, sofort bekommen muss. Ich kenne jemand, bei dem stapeln sich zu hause die Computer. Immer wenn ein neuer, leistungsstärkerer auf den Markt kam, musste er gekauft werden. Ähnlich kann es uns mit neuen Handys, Fahrrädern oder Autos ergehen. Moderne Hochglanzprospekte wecken Begehrlichkeiten, die sofort erfüllt werden müssen. Es hat einmal jemand diese Einstellung "Sofortismus" genannt. Man will nicht mehr verzichten, wenn es nicht möglich ist. Man spart nicht mehr auf etwas, das man möchte. Man wartet nicht mehr, bis man es sich leisten kann. Nein, sofort muss es sein.

Ich denke auch den Umgang mit dem Sex. Wieso warten, gar bis zur Ehe? So fragen Viele. Das macht doch eh keiner mehr. In den Kino- und Fernsehfilmen wird es uns vorgemacht: Man kennt sich gerade ein paar Stunden oder Tage und hüpft gemeinsam ins Bett. Mit Liebe hat das nichts zu tun, sondern mit Ungeduld, mit nicht warten können, mit Egoismus. Wahre Liebe wartet. Möchte mit dem anderen ein Leben lang zusammen sein, nicht nur ein paar süße Stunden. Möchte in der Geborgenheit der Ehe mit ihm zusammen sein und sich dort erst ihm ganz öffnen.

Nicht warten können, ein großes Problem unserer Zeit. Damit hängt auch zusammen, warum wir oft unsere Schwierigkeiten mit Gott haben. Wir können ihn nicht sehen. Diese Unsichtbarkeit kann uns oft schwer zu schaffen machen. Sicher, Gott begegnet uns in seinem Wort. Und sein Wort, das wissen sicher viele unter uns, kann uns tief bewegen. Aber warten wir, glauben wir, dass Gott schon noch Großes tun kann, weil er es versprochen hat, an uns und an anderen Menschen?

Die persönliche Glaubensentwicklung eines Menschen dauert oft. Plötzliche Bekehrungen sind wohl eher die Ausnahme. Das Greifswalder Institut für Gemeindeentwicklung und Evangelisation hat mal eine Studie gemacht. Thema war der Glaubensweg eines Erwachsenen in Deutschland. Wie lange dauert es vom Erstkontakt mit einem Christen bis zu einer bewussten Hinwendung zum Glauben? Antwort: Im Durchschnitt 10 Jahre! Gott lässt einem Menschen auf dem Weg zum Glauben offenbar viel Zeit. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

Wir brauchen Geduld. Vielleicht kommt zum Beispiel jemand nicht nach einer ersten Einladung in einen Gottesdienst, vielleicht beim zweiten oder eben erst beim zehnten Mal. Mit uns muss Gott ja auch Geduld haben. Wie oft hat er uns schon Mut zum Glauben und zum Vertrauen gemacht, und wir zweifeln und sorgen uns doch noch? Trotzdem gibt er uns nicht auf sondern geht uns immer wieder nach, bis wir es endlich begriffen haben.

So können wir auch mit anderen Menschen Geduld haben, keine passive sondern eine aktive Geduld, die im Gebet sich immer wieder für andere Menschen einsetzt, dass sie doch zum Glauben kommen.

Wir dürfen natürlich beten und glauben, immer wieder, und damit rechnen, dass etwas geschieht. Auch an unseren Verwandten, auch an unseren Kindern oder Enkeln. Auch wenn es dauert, vielleicht viele Jahre.

Ich kenne Menschen, für die haben Angehörige und Freunde jahrelang, jahrzehntelang gebetet, jeden Tag, jeden Tag, dass sie doch von ihren verkehrten Wegen umkehren. Anscheinend umsonst, bis es doch geschah, vollkommen unerwartet, scheinbar plötzlich, aber doch das Ergebnis eines langen, unsichtbaren Reifungsprozesses.

Ich möchte wieder einmal an Monika erinnern, die Mutter des großen Kirchenvaters Augustin. Sie konnte geduldig warten und kann uns durch ihr Warten ein Vorbild sein. Sie war ja engagierte Christin. Und es war ihr ein Herzensanliegen, dass ihr Sohn auch den Weg des Glaubens geht. Doch ihr Glaube wurde auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Denn Augustin trieb sich in jungen Jahren überall herum. Er genoss ein ausschweifendes Leben und wurde bereits mit 16 Jahren Vater eines Sohnes. Aber Monika hörte nicht auf, für ihn zu beten und durfte dann nach vielen Jahren erleben, dass ihr Sohn mit 32 Jahren Christ wurde. In seiner Autobiographie, den "Konfessionen", hat Augustin später seiner geduldig hoffenden Mutter ein Denkmal gesetzt.

Ja, wir brauchen Geduld. Es lohnt sich auf den Tag der Ernte zu warten. Er kommt bestimmt! Amen