Bayreuth, den 13.04.2020 1. Korinther 15, 19-28

Liebe Gemeinde! 

Was kommt nach dem Tod? Menschen aller Zeiten haben sich diese Frage gestellt. Ich habe den Eindruck: Viele heutige Menschen wollen sich mit dieser Frage nicht beschäftigen, oder behaupten es zumindest. Sie teilen die Meinung des antiken Philosophen Epikur: Der Tod geht mich nichts an. Solange ich da bin, ist der Tod nicht da. Sobald der Tod aber da ist, bin ich nicht mehr da.“

Klingt cool. Aber sind Sie so cool? Also ich nicht. Ich denke an New York. Am Samstag starben dort 783 Personen durch Corona. Wenn ich im Fernsehen Bilder von den Särgen sehen, kommt mir das Grausen. Und ebenso, wenn ich die Gesichter der Hinterbliebenen sehe, die verzweifelt ein Beerdigungsinstitut für ihre verstorbenen Angehörigen suchen und keines finden, weil sie überlastet sind.

Sie werden vermutlich auch nicht denken: Der Tod geht mich nichts an. Wir leben nicht nur in der Gegenwart. Wir haben eine Vergangenheit. Und wir sind vielleicht schon mit dem Tod konfrontiert worden. Da ist etwa ein lieber Mensch, ein Verwandter oder ein Freund gestorben und wir fragen uns: Was ist denn nun mit ihm? Außerdem sind wir Wesen, die wissen, dass sie eine Zukunft haben. Wir wissen, dass wir sterben müssen. Das ist, wie man sagt, todsicher. Wir können und brauchen auch nicht dieses Wissen verdrängen.

Was kommt nach dem Tod? Wir kennen die Antworten. Die einen behaupten: Gar nichts. Mit dem Tod ist alles aus. Das ist die materialistische Antwort. Die anderen meinen: Wir leben in irgendeiner Form weiter, vielleicht als Tier oder als ein anderer Mensch. Das ist die Antwort der fernöstlichen Religionen. Und die Dritten sagen mit dem Apostel Paulus: Ich glaube an die Auferstehung der Toten.

Unser Predigtabschnitt ist dem 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes entnommen. In diesem Kapitel behandelt Paulus ausführlich das Thema „Auferstehung der Toten“, aus einem ganz bestimmten Anlass. Einige Gemeindeglieder behaupteten: Es gibt keine Auferstehung der Toten.

Paulus sagt dazu: Wenn das wahr wäre, wäre das Christentum eine armselige Geschichte. Dann wären die Christen die Elendsten der Menschen, oder anders übersetzt, die Menschen, die am meisten zu bemitleiden sind. Dann gäbe es keine Hoffnung über den Tod hinaus. Dann gäbe keinen Himmel und kein ewiges Zusammensein mit Jesus. Dann wären Christen nur Leute, die sich für das Gute einsetzen, das aber keinen Bestand hat.

Aber das alles, so Paulus, ist nicht wahr. Es gibt eine Auferstehung der Toten. Denn Jesus ist von den Toten auferstanden. Diese Aussage ist wahr. Denn zum einen handelt es sich um eine geschichtliche Tatsache, die in der Bibel bezeugt ist. Dieser Jesus ist nicht im Grab vermodert, sondern er ist auferstanden. Das Grab Jesu war leer. Er ist auferstanden.

Immer wieder hat man diese phantastisch klingende Wahrheit in Zweifel gezogen und sich andere Erklärungen ausgedacht. Jesus soll die Kreuzigung überlebt haben und in Kaschmir ein neues Leben angefangen haben, die Jünger hätte sich alles nur eingebildet, oder sie hätten seine Leiche gestohlen und versteckt und dann weiterverbreitet: Jesus lebt. Alles Theorien. Fakt ist: Alle Apostel, bis auf Johannes, sind für ihren Glauben an den auferstandenen Jesus gestorben. Für eine Lüge? Für eine Illusion? Nein, für den, den sie als Auferstandenen gesehen und sogar berührt haben. Nur so ist die ungeheure Dynamik der ersten Christen erklärbar. Überallhin, soweit ihre Füße sie trugen, von Spanien bis nach Indien, brachten sie die Botschaft von Jesus. „Er lebt!“ sagten sie. „Er ist der Herr der Welt, sogar mächtiger als der Tod.“ Lieber ließen sie sich foltern oder umbringen als von der Gewissheit abbringen, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist.

Der Glaube an die Auferstehung beruht auf einer geschichtlichen Tatsache, der Tatsache, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Das ist wichtig, daran festzuhalten. Der christliche Glaube ist nicht nur eine spirituelle Sache, die auf einem Gefühl beruht. Gefühle können auch täuschen. Beim christlichen Glauben geht es um objektive Tatsachen.

Zum andern sind diese objektiven Tatsachen auch subjektiv erfahrbar. Unzählige Menschen haben erfahren, dass er in ihr Leben eingegriffen hat. Auch ich.

Vor einiger Zeit im Krankenhaus hier in Bayreuth. Ich besuche eine Frau aus meiner Gemeinde und bete zum Schluss noch mit ihr. Dabei sage ich etwa folgenden Satz: „Ich danke dir, Jesus, dass du immer bei uns bist, auch hier in diesem Krankenhaus, auch hier in diesem Krankenzimmer.“ Da meldet sich die Bettnachbarin zu Wort und sagte: „Ich beneide Sie.“ „Warum?“ „Um Ihren Glauben. Sie glauben an Gott. Das kann ich nicht. Sie glauben an Jesus. Das tue ich auch nicht. Ich glaube zwar, dass er gelebt hat. Er ist für mich auch ein Vorbild. Aber er ist für mich nicht Gottes Sohn.“

Solche und ähnliche Sätze habe ich oft gehört. Und ich habe die Erfahrung gemacht: Es hilft nicht, wenn ich Gegenargument auf Gegenargument auspacke, wie die Bibel ist doch nicht so unglaubwürdig, wie man denkt, es gibt auch Vieles, was auf die Existenz Gottes hinweist. Soll diese wunderbare Welt wirklich nur durch Zufall entstanden sein? All diese Argumente helfen mir selber, meinen Glauben zu untermauern. Aber weshalb ich glaube, hat einen ganz anderen Grund. Ich habe etwas mit Jesus erfahren. Das ist der Grund, warum ich glaube. Wenn man davon etwas erzählt, dann hören die Menschen zu. Dann ahnen oder spüren sie etwas von einer anderen Wirklichkeit, als nur die, die man sehen kann. Dann können sie sich auch für den Glauben öffnen.

Sehnsucht nach diesem Glauben, dass Gott uns ganz nahe ist, behaupte ich, haben viele, vielleicht alle Menschen, auch wenn sie es nicht zugeben. Diese Sehnsucht klang ja auch aus der Äußerung jener Frau heraus.

Als Antwort gab ich ihr unter anderem: „Ich glaube an Jesus, weil ich etwas mit ihm erlebt habe. Und dieser Glaube ist wirklich etwas Beneidenswertes, wie Sie eben gesagt haben. Ich habe noch keinen getroffen, der bedauert hätte, diesen Glauben zu haben. Ich kenne allerdings auch keinen, der nicht glaubt und gesagt hätte: „Ach, wie wunderbar, dass ich nicht an Gott und an Jesus glaube. Seitdem ich nicht glaube, geht es mir ja so gut.“

Nun aber ist Christus auferstanden, hält Paulus also fest, und zwar als erster. Mit seiner Auferstehung begann ein neues Zeitalter. Das vorherige Zeitalter begann mit Adam und mit seinem Ungehorsam im Paradies. Nach dem Sündenfall kam der Tod in die Welt. Was Adam im Paradies tat, kann man mit einem hochinfektiösen Virus vergleichen, an dem sich alle Menschen ansteckten. So wie bei Corona. Einmal, mit einem Menschen fing es an, irgendwo in Wuhan. Noch infektiöser als dieses Virus ist die Sünde. Es hat alle Menschen betroffen, die jemals gelebt haben. Und es ist zu hundert Prozent todbringend.

Ebenso ist es mit der Auferstehung Jesu. Sie löste das Zeitalter des Todes ab. Es begann das Zeitalter des Lebens. Das neue, ewige Leben, das Jesus brachte, ist auch ansteckend. Alle bekommen es, die an Jesus glauben. Man kann es auch so ausdrücken: Die Auferstehung Jesu ist das Serum gegen den Tod. Absolut wirksam. Zu hundert Prozent lebensbringend- Dieses Serum des ewigen Lebens ist in dem Moment in Ihnen, wenn sie an Jesus glauben.

Noch sehen wir dieses ewige Leben in seiner vollkommenen Fülle nicht. Dies geschieht erst nach dem Tode. Was wir jetzt sehen und erfahren sind Zeichen dieses ewigen Lebens, Zeichen des auferstandenen und lebendigen Christus.

Wir sind in der Lage jener Zwillinge, die sich vor ihrer Geburt unterhalten. Henri Nouwen hat sich diese Geschichte ausgedacht und ich möchte sie Ihnen erzählen:

Die beiden befinden sich also im Mutterleib. Und die Schwester sagte zu ihrem Bruder: „Ich glaube an ein Leben nach der Geburt!“ Ihr Bruder erhob lebhaft Einspruch: „Nein, nein, das hier ist alles. Hier ist es schön dunkel und warm, und wir brauchen uns lediglich an die Nabelschnur zu halten, die uns ernährt.“

Aber das Mädchen gab nicht nach: „Es muss doch mehr als diesen dunklen Ort geben; es muss anderswo etwas geben, wo Licht ist und wo man sich frei bewegen kann.“ Aber sie konnte ihren Zwillingsbruder immer noch nicht überzeugen. Dann, nach längerem Schweigen, sagte sie zögernd: „Ich muss noch etwas sagen, aber ich fürchte, du wirst auch das nicht glauben: Ich glaube nämlich, dass wir eine Mutter haben!“

Jetzt wurde ihr kleiner Bruder wütend: „Eine Mutter, eine Mutter!“, schrie er. „Was für ein Zeug redest du denn daher? Ich habe noch nie eine Mutter gesehen, und du auch nicht. Wer hat dir diese Idee in den Kopf gesetzt? Ich habe es dir doch schon gesagt: Dieser Ort ist alles, was es gibt! Warum willst du immer noch mehr? Hier ist es doch alles in allem gar nicht so übel. Wir haben alles, was wir brauchen. Seien wir also damit zufrieden.“

Die kleine Schwester war von dieser Antwort ihres Bruders ziemlich erschlagen und wagte eine Zeitlang nichts mehr zu sagen. Aber sie konnte ihre Gedanken nicht einfach abschalten, und weil sonst niemand da war, mit dem sie hätte darüber sprechen können, sagte sie schließlich doch wieder: „Spürst du nicht ab und zu diesen Druck? Das ist doch immer wieder ganz unangenehm. Manchmal tut es richtig weh.“ –

„Ja“, gab er zur Antwort, „aber was soll das schon heißen?“ Seine Schwester darauf: „Weißt du, ich glaube, dass dieses Wehtun dazu da ist, um uns auf einen anderen Ort vorzubereiten, wo es viel schöner ist als hier und wo wir unsere Mutter von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Wird das nicht ganz aufregend sein?“

Ihr kleiner Bruder gab ihr keine Antwort mehr. Er hatte endgültig genug vom dummen Geschwätz seiner Schwester und dachte, am besten sei es, einfach nicht mehr auf sie zu achten und zu hoffen, sie würde ihn in Ruhe lassen.

Wie wir wissen, ist der Glaube an ein Leben nach der Geburt kein dummes Geschwätz. Genauso wenig ist auch der Glaube an ein Leben nach dem Tod keine merkwürdige Vorstellung von dummen, nicht aufgeklärten Menschen, sondern eine Hoffnung mit einem festen Grund. Das ist die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Christen, so drückte es einmal Peter Hahne aus, sind ein GmbH, eine Gesellschaft mit begründeter Hoffnung.

Diese Hoffnung kann uns jetzt schon trösten und Mut geben, in einem Leben, in dem wir immer wieder von lieben Menschen Abschied nehmen müssen und wir selber einmal sterben werden.

Einem Afrikaner starb seine 17jährige Tochter. Auf ihr Grab setzte er ein Kreuz aus Holz und schrieb darauf die merkwürdigen Worte: "Der Tod hat keine Hände." Der Missionar fragte ihn, was diese Inschrift bedeuten solle. Der Vater gab zur Antwort: "Ich weiß, dass mir der Tod mein Kind nicht auf ewig festhalten kann, sondern dass ich es bei Jesus wiedersehen werde. Der Tod hat ja keine Hände."

Es gibt eine Auferstehung der Toten, die mit der Auferstehung Jesu begann. Danach geht es aber noch weiter. Luther hat für dieses Geschehen ein schönes Bild verwendet, das Bild des Morgengrauens. Es ist noch Nacht und doch nicht mehr richtig Nacht. Es ist schon Tag aber noch nicht richtig Tag. Doch die Richtung ist klar. Es geht nicht in die Nacht, sondern in den Tag, das Licht hinein.

Durch die Auferstehung Jesu ist die entscheidende Richtung festgelegt, wie nun die Geschichte dieser Welt weitergeht. Es gibt einen bestimmten Plan Gottes für den Ablauf der letzten Dinge. Die wichtigsten Eckdaten nennt Paulus hier in unserem Predigtabschnitt. Zuerst spricht er von der Auferstehung der Toten. Dies wird geschehen, wenn Jesus wiederkommt. Die Christus angehören, werden dann den gleichen Auferstehungsleib bekommen wie er. Es wird ein Leib sein, der für die Ewigkeit passt. Er wird uns nicht mehr mit Krankheit oder Schmerzen plagen. Und er kann auch nicht sterben. Wann dies geschieht, sagt Paulus hier nicht. Er selbst hat noch zu seinen Lebzeiten damit gerechnet, dass er wie Jesus auferstehen wird. Nun sind 2000 Jahre vorbei und Jesus ist immer noch nicht wiedergekommen. Aber so gewiss Jesus auferstanden ist, werden auch einmal unsere Leiber auferstehen.

Und dann wird das Ende kommen. Alles zu dem von Gott bestimmten Zeitpunkt. Alle Menschen werden vor den lebendigen Gott treten müssen. Sie müssen sich vor ihm versammeln und dann wird ihr Leben durchgegangen. Jeder muss sich vor Gott verantworten, im letzten Gericht. Alle müssen dann anerkennen, dass Gott die letzte, entscheidende Instanz ihres Lebens ist, ob sie es wollen oder nicht. Die göttliche Macht triumphiert einmal über jeden Menschen.

Das sind großartige Aussichten. Aber das ist immer noch nicht alles, was Paulus uns zu sagen hat. Also, zuerst sprach er davon, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Das geschah an Ostern. Dann davon, dass wir auferstehen werden, wenn Jesus wiederkommt. Aber dann geht es noch weiter. Jesus wird alle bösen Mächte zerstören. Sogar der Tod als letzter Feind wird vernichtet werden. Atemberaubende Aussichten! Es gibt ein Happyend, ein Neuwerden der ganzen Welt.

Ich denke, wir alle lieben Filme mit einem Happyend. Wir mögen es zwar, wenn es dramatisch und spannend wird. Aber zum Schluss soll doch das Gute siegen.

Nun gut, so denken wir, das ist eben Hollywood. Da gehen häufig die Filme gut aus. Aber die Wirklichkeit sieht eben anders aus. Da nimmt oftmals das Böse überhand. Da siegen Lug. Trug und Gemeinheit, und das Gute verliert. Aber das scheint nur so. Die Siege des Bösen sind nur Teilerfolge. Der Gesamtsieg gehört Gott. Dieser wird sich in jeder Hinsicht durchsetzen. Sein Reich wird kommen. Was wir im Vaterunser beten, wird sich erfüllen.

Wir dürfen gespannt sein, wann und wie es geschieht und fest damit rechnen, dass es geschieht. Wir werden es erleben, früher oder später.

Vielleicht berührt uns die Botschaft nicht so recht. Die Ewigkeit erscheint uns fremd und weit weg. Aber manchmal kann sie einem ganz nahe sein. Mir ging es in diesen Tagen so, als ich mich wieder einmal mit dem Theologen Dietrich Bonhoeffer beschäftigte – und auch mit seinem letzten Weg zu seiner Hinrichtung durch die Nazis am 9. April 1945. „Das ist das Ende – für mich ist es der Anfang“, mit diesen Worten verabschiedete er sich von seinen Freunden. Ja, dachte ich, so ist das. Nach dem Tod fängt es erst richtig an! Das ist doch eine wunderbare Hoffnung! Diese Hoffnung ist wie Frischluft, die durch ein geöffnetes Fenster in stickiges Zimmer kommt. Ewigkeitsluft!

Deshalb wollen wir uns jetzt schon ganz und gar auf die Seite dessen stellen, der alle Macht hat. Er, Jesus befreit uns von der Macht der Sünde. Ich möchte nicht an die unbesiegbare Macht der Sünde glauben, sondern an die Macht Christi. Er wird auch fertig mit dem, was uns in unserem Alltag Sorge bereiten will, auch im Zusammenhang mit Corona. Er wird mit den Nöten unseres Leibes und unserer Seele fertig, auch mit unseren chronischen Krankheiten, auch mit unseren Altersgebrechen. Er ist doch der Herr, unser Arzt und kann oft wunderbar heilen. Ob mit oder ohne ärztliche Hilfe. Und wenn unser Leib ganz und gar ausgedient hat, dann wird er uns auch einen neuen in der Auferstehung geben. Er, Jesus bringt alles zu einem guten Ende.

Amen