Bayreuth, 26.04.2020 1. Mose 2,15; 1. Mose 3,17c-19;

Liebe Gemeinde!

Schließen Sie mal die Augen und stellen sich folgende Situation vor: Sie sitzen auf einem bequemen Liegestuhl und schauen auf das offene Meer. Die Wellen rollen sanft gegen den Strand. Es ist angenehm warm. Sie schlürfen einen coolen Drink und genießen den Sonnenuntergang. Wäre das nicht das Paradies?

Ich darf Sie bitten, die Augen wieder zu öffnen, nicht weiter zu träumen, sondern mir zuzuhören. Nein, möchte ich als Antwort auf meine Frage geben. Das ist nicht das Paradies. Es ist nur ein kleiner Teil davon.

Ich möchte Sie an das erinnern, was ich vorhin aus der Bibel über das Paradies vorgelesen habe. Gott führte die ersten Menschen, Adam und Eva, in einen Garten. „Dort“, so erklärte er ihnen, „dürft ihr leben. Ihr dürft das Leben dort genießen, klar. Ihr müsst nicht hungern. Es hängen an den Bäumen genügend Früchte in Hülle und Fülle. Bedient euch! Aber in diesem Garten zu leben bedeutet auch Arbeit. Ihr seid hier nicht in einem Schlaraffenland, wo euch die Früchte in dem Mund wachsen. Nein, ihr werdet diesen Garten bebauen und bewahren. Macht aus Natur Kultur. Wenn ihr das nicht macht, dann habt ihr bald keinen Garten mehr, sondern einen Urwald.“

Natürlich habe ich Gott ein paar Worte mehr in den Mund gelegt als in der Bibel steht. Aber so ist es gemeint.

Arbeit ist Gottes Berufung. Sie ist kein lästiges Übel. Die alten Griechen sahen das anders. Sie hielten Arbeit für etwas Menschenunwürdiges. Sklaven mussten arbeiten. Doch das waren ja keine richtigen Menschen. Aber ein freier griechischer Bürger wollte seine Zeit nicht mit Arbeit verplempern. Er strebte nach Höherem. Das war der Müßiggang, das Nachdenken und das geistvolle Gespräch. Solche Leute gibt’s ja heute auch noch. Man nennt sie Lebenskünstler. Sie frönen dem „süßen Nichtstun“. Aber ist es wirklich so süß?

Vater und Sohn streiten sich. Der Vater möchte, dass sein Junge fleißig und tüchtig ist. Der Sohn möchte sein Leben lieber genießen und alles etwas lockerer angehen. Der Vater versucht die Vorzüge der Arbeit anzupreisen. Er spricht vom Vorrecht und der besonderen Gabe der Arbeit, von ihrem Nutzen und der tiefen Befriedigung, die man aus der vollbrachten Arbeit beziehen kann. „Für mich ist die Arbeit jedenfalls etwas Schönes, und es bereitet mir ein Vergnügen, tüchtig zu arbeiten!“ „Siehst du“, antwortet der Junge cool, „und ich bin der Meinung, dass wir nicht zum Vergnügen auf der Welt sind!“

Eine schlagfertige Antwort. Aber wenn wir die Worte des Sohnes ernst nehmen, dann gibt er ja zu, dass sein Genuss-Leben kein Vergnügen ist!

Auf die Dauer ist so ein Leben öde und fade. Es macht keinen Menschen glücklich, wenn er wie im Schlaraffenland die ganze Zeit nur faul herumsitzt, vielleicht nur Fernsehen guckt und sich ab und zu zum Kühlschrank bewegt, um etwas Essbares oder Trinkbares zu holen.

Ich wiederhole: Arbeit ist Gottes Berufung und kein lästiges Übel. Das gilt für hoch qualifizierte und hoch angesehene Berufe wie für den eines Arztes, aber auch für den Mitarbeiter der städtischen Müllabfuhr.

Wer seinen Beruf als Berufung zu begreift, der kann ihn mit Freude ausüben. 6 Müllmänner aus Köln schienen diese Einstellung gehabt zu haben. Zumindest sangen sie einmal vor Jahren in der „Sendung mit der Maus“ voller Begeisterung von ihrem Beruf: „Wir sind die 6 von der Müllabfuhr. Wir fahren raus um 7 Uhr. Wir kümmern uns um jeden Dreck. Dreck muss weg!“

Was wäre unser Land ohne Müllmänner! Dann hätten wir solche Zustände wie einmal vor Jahren in Neapel, wo sich Müllberge in den Straßen türmten, weil dort die Deponien überfüllt waren und es an Verbrennungsanlagen fehlte

Arbeit ist zum ersten also Berufung und zum zweiten sogar Gottesdienst. Bekannt ist ja, was Martin Luther zu diesem Thema gesagt hat. Er war der Überzeugung: Die Magd, die den Stall auskehrt, dient Gott nicht weniger als ein Priester, der einen Gottesdienst hält. So ein Satz war eine pure Provokation. Damals dachte man ja: Was in der Kirche geschieht, das zählt bei Gott. Mit den frommen Werken wie Beten, Fasten, Opfern. Wallfahrten konnte man sich sogar Pluspunkte im Himmel erwerben.

Heute denken wir, zumindest in der evangelischen Kirche, nicht mehr so. Aber vielleicht denken wir frommen Evangelischen so: In der Kirche ist man Gott näher als im Alltag. Denn dort spielt sich das eigentliche Christsein ab: im Singen, Beten und im Hören von Gottes Wort. Das, was bei Gott zählt, ist die eine Stunde im Gottesdienst am Sonntagvormittag oder manchmal auch am Abend. Doch das ist falsch gedacht.

Ein deutscher Christ, Ulrich Eggers, fährt durch eine trostlose Gegend einer amerikanischen Großstadt. Kaputte Häuser, leere Grundstücke. "Wie kann man da nur leben?" fragt er sich. Da kommt er an einer kleinen Kirche vorbei. Die Aufschrift der Kirchentür brennt sich ihm ins Gedächtnis ein. Sie lautet: "Enter to worship - exit to serve." Also: "Komm rein zum Anbeten - geh raus, um zu dienen."

Wer als Christ leben will, braucht beides: Er braucht zum einen den Gottesdienst. Er braucht aufrüttelnde Botschaften, die ihm sagen, was in seinem Leben nicht stimmt. Er braucht den Zuspruch der Vergebung. Er braucht Trost, die Gewissheit, dass Gott ihn nicht alleine lässt. Er braucht die Nähe der anderen Christen, gewissermaßen die Nestwärme, die sie ihm geben.

Aber das alles nicht als Selbstzweck. Sondern das, was wir im Gottesdienst an Nähe zu Gott erfahren, soll uns zum Dienst für andere stärken und auch zum Dienst in unserem Beruf. Dort spielt sich auch unser Christsein ab. Unser Alltag und unsere Arbeit ist auch Gottesdienst. Es isst Dienst für Gott und in Verantwortung vor Gott.

In meiner alltäglichen Arbeit geht mein Gottesdienst weiter. Da wird er ganz praktisch. Glaube an Jesus wirkt sich nicht nur im sonntäglichen Gottesdienstbesuch aus, sondern auch im Alltag. So sagte einmal eine Hausangestellte: "Seitdem ich an Jesus glaube, mache ich meine Putzarbeiten viel gründlicher." Ein Autofahrer könnte vielleicht sagen: "Seitdem ich an Jesus glaube, bedränge ich auf der Autobahn niemand mehr mit der Lichthupe." Und ein Steuerzahler: "Seitdem ich an Jesus glaube, fülle ich meine Steuererklärung korrekt aus." Ein Schüler: "Seitdem ich an Jesus glaube, ärgere ich nicht mehr meine Lehrer." Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Alles kleine Veränderungen im Alltag, die ein Gottesdienst sind.

Nun wollen wir eines nicht verschweigen: Auch, wenn ein Beruf Gottesdienst ist, macht er nicht immer Spaß. Er ist ebenfalls mit Mühe und Plage verbunden, vielleicht sogar überwiegend. So steht es schon nüchtern in der Bibel. Wir leben eben nicht mehr im Paradies, in dem die Arbeit pure Freude bereitete. Sondern wir leben außerhalb des Paradieses. Im Schweiße seines Angesichtes muss Adam arbeiten. Sein Acker wird nicht nur gute Früchte, sondern auch Dornen und Disteln tragen. Es gibt nicht nur schwere Arbeit. Das ist nicht das Schlimmste. Sondern es gibt auch Arbeit, die umsonst ist. Es gibt Kollegen, die einen mobben. Es gibt Chefs, die nur fordern und nie loben.

Der Berufsalltag in unserer Zeit ist oft schwer, und ist in der letzten Zeit wohl immer härter geworden. Der Konkurrenzdruck ist härter und die Hektik stärker geworden. Betriebsklima und Schulstress, Vorgesetzte und Lehrer, Klassenkameraden und Arbeitskollegen machen uns zu schaffen und wollen uns jede Freude an der Arbeit vermiesen.

Doch wir dürfen wissen, was Paulus einmal so ausgedrückt hat: Eure Arbeit ist nicht vergeblich - in dem Herrn! Jesus lässt uns nicht im Stich. Er, der alle Macht im Himmel und auf Erden und auch in unserem Leben hat, begleitet uns. Das will uns Mut machen. Seine Kraft lässt uns durchhalten, auch wo es schwer wird. Ich bin überzeugt: Auch die scheußlichste Arbeit, auch die schwierigste Arbeit, kann Gott segnen.

Wie gesagt: Wir leben nicht mehr im Garten Eden und noch nicht im Himmel. Gott hat auf die Arbeit nach dem Sündenfall auch einen Fluch gelegt, den wir immer wieder spüren. "Mit Mühsal sollst du dich ... nähren dein Leben lang..." sagt Gott zu Adam, als er ihn aus dem Paradies ausweist. Aber einer, der sein Leben mit Gott und mit Jesus führt, kann auch seine Arbeit anders tun. Entscheidend ist der Blickwinkel, unter dem ich meine Arbeit ansehe!

So kann ein Pförtner stupide seine Stunden absitzen, die Werksausweise kontrollieren, Tore öffnen und schließen, Unbekannten Wegbeschreibungen geben, um Büros zu finden, in denen etwas passiert, wozu er keinerlei Beziehung hat. Aber er kann seinen Dienst ja auch ganz anders sehen. Er kann ihn für Gott und für Jesus tun. Und dann kann er eine ganz neue Sichtweise gewinnen. Ihm kann aufgehen: Eigentlich bin ich die Visitenkarte des Unternehmens. Ich schütze es an der Pforte vor Schaden und sichere damit Arbeitsplätze. Durch eine freundliche Begrüßung trage ich zur Motivation der Mitarbeiter bei. Besuchern kann ich das Gefühl vermitteln, willkommen und wichtig zu sein.

Die christliche Einstellung zum Beruf, dazu zählen übrigens auch der des Schülers und der Hausfrau, lautet: "Mein Anliegen ist es, Gott zu ehren - mit dem ganzen Leben, also auch durch meine Arbeit." Wer sich an seine Stelle berufen weiß, kann auch mit Rückschlägen, Niederlagen und eigenem Versagen besser umgehen. Beruflicher Erfolg und Anerkennung sind sicherlich erwünscht, aber eben für einen Christen nicht mehr das Entscheidende. Ich bin Gott mehr wert als meine Leistung und mein Erfolg. Das Wichtigste ist, dass ich es weiß und glaube: An diesen Arbeitsplatz hat mich letztlich Gott hingestellt. Ich will das tun, was Gott von mir erwartet, auch wenn ich keine oder kaum Anerkennung für das finde, was ich tue. Gott will mich bei meiner Arbeit nicht allein lassen. Er will mich segnen und, wenn er will, auch menschliche Anerkennung zukommen lassen.

Diese christliche Arbeitshaltung drückt ein Liedvers von Georg Neumark wunderbar aus: "Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.

Und zum Schluss sei noch gesagt. Arbeit ist nicht alles. So zu denken, ist die Gefahr der Nachkriegsgeneration und von den „Babyboomern“, zu denen ich auch gehöre. Sicher, Arbeit muss mit dem nötigen Einsatz und manchmal auch Leidenschaft getan werden. Aber irgendwann einmal muss Schluss sein. Arbeit braucht zeitliche Grenzen. Es gibt die Gefahr: Meine Arbeit nimmt mich ganz und gar in Beschlag. Auch in den freien Stunden lässt sie mich nicht mehr los. Immer muss ich an sie denken und von ihr reden. Das kann nicht nur Mangertypen so gehen. Auch Hausfrauen können davon betroffen sein. Dann können Männer klagen: „Meine Frau putzt wie eine Verrückte.“ Oder die Gartenarbeit wird gerade in den warmen Monaten zum Ein und Alles, dem alles untergeordnet wird.

Man der Arbeit verfallen und sie zu einem Götzen erheben. Sie kann einen süchtig machen. Es gibt nicht nur Drogensucht, Alkoholsucht, Tabletten- oder Nikotinsucht. Es gibt auch Arbeitssucht. Ein Betroffener schilderte die Symptome seiner Sucht so: „Schreckliche Unruhe, Nervosität, Abgespanntheit. Ich fühlte mich wie eine Dampflokomotive kurz vor dem Platzen.“ Dann ist es oft nur ein kurzer Weg bis zum Burnout, bis zum körperlichen und seelischen Zusammenbruch.

Götzen, auch der Götze Arbeit, erfüllen nicht, machen nicht glücklich, sondern süchtig und kaputt. Der lebendige Gott geht mit uns anders um. Er beutet uns nicht aus. Sondern gönnt uns auch Ruhe. Bei ihm zählt letztlich nicht unsere Leistung. Wir sind ihm mehr wert als das, was wir tun und leisten. Was bei ihm zählt, ist was er selber für uns getan hat, weil er uns liebt, bedingungslos liebt. Er selber hat sich viel Mühe und Arbeit gemacht, um uns von unserer Sünde und Schuld zu befreien. Es hat ihm den Schweiß und das Blut seines Sohnes gekostet. Ein Christ ist der, der diese Tatsache für sich persönlich angenommen hat. Der dankbar das im Glauben nimmt, was Jesus für ihn getan hat. Und der dann auch weiß: Ich kann und muss auch nicht Gott durch meine Leistungen beeindrucken.

Gerade ein Christ weiß: Arbeit ist nicht alles. Es gibt auch Feierabend. Es gibt auch Urlaub. Es gibt auch den Liegestuhl am Strand, den coolen Drink in der Hand und den phantastischen Sonnenuntergang am Meer, um dieses Bild zu Beginn meiner Predigt noch einmal aufzugreifen.

Und es gibt auch ein Leben jenseits des Berufslebens. Rentner und Pensionäre dürfen, soweit möglich, ihren verdienten Ruhestand genießen. Auch im Ruhestand kann ich sinnvoll meine Zeit verbringen, wie für die Familie oder im Ehrenamt. Und es gibt auch Behinderte und Kranke. Diese können wenig oder gar nichts mehr leisten, was einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Aber sie sind und bleiben von Gott geliebte Kinder. Sie können beten, sie können an Jesus glauben, sie können lieben, vielleicht mehr wie viele Gesunde. Und sie können sich lieben lassen, von Menschen und von Gott und so auch lernen, und die, dies sich um sie kümmern. Mein Leben ist mehr wert als meine Leistung.

Amen