Bayreuth, den 17.05.2020  1. Thessalonicher 5, 17

Liebe Gemeinde! 

Sicherlich wird jeder unter uns beten. Wahrscheinlich haben wir es von Kindesbeinen an gelernt. Ich kann mich noch gut erinnern: Meine Mutter hat mit mir beim Zubettbringen das Gebet: „Müde bin ich, geh zur Ruh“ gebetet. Wir haben in der Schule gebetet. Als „Frömmster“ der Klasse habe ich auch in der Oberstufe zumindest ab und zu Beginn des Schulunterrichtes gebetet. Wir beten im Gottesdienst. Viele unter uns werden früh am Morgen beten oder abends, bevor wir uns schlafen legen.

So oder ähnlich sind wir es gewohnt. Aber ganz und gar ungewöhnlich klingt das, was Paulus in dem Vers sagt, den ich eben vorgelesen habe: „Betet ohne Unterlass“ Er meint das nicht als Übertreibung. Paulus fordert uns tatsächlich auf, ohne Aufhören zu beten.

Das klingt übertrieben, ja fanatisch. Wie soll das gehen? Wir sind doch keine Mönche, die siebenmal am Tag zu festgelegten Gebetszeiten beten sollen. Und selbst die sind ja nicht die ganze Zeit zusammen, um zu beten.

Ja, gibt es denn in unserem Leben Dinge, die immerwährend geschehen? Klar! Es atmet ja zum Beispiel jeder unter uns.

Jemand sagte zu einem Pfarrer: "Ich bete nur noch, wenn ich Lust dazu habe." Seine Gegenfrage: "Hast du Lust zum Atmen?" Die erstaunte Antwort: "Das ist doch keine Frage der Lust, sondern des Überlebens." Daraufhin folgerte der Pfarrer: "Auch Beten ist nicht eine Frage, ob ich Lust habe, sondern ob ich leben will, geistlich leben will." Es hat einmal jemand gesagt: "Beten ist das Atemholen der Seele." Es ist also das Normalste von der Welt. Denn ohne Atemholen ersticke ich.

Ebenso ist es mit dem Herzschlag. Tagaus, tagein, Tag und Nacht, unser ganzes Leben lang, schlägt unser Herz. Wenn es nicht mehr schlägt, sind wir tot. So ist auch das Gebet der Herzschlag eines Christen. Es zeigt an, dass ein Christ lebt, geistlich lebendig ist.

Gebet ist also nicht etwas, wozu ich mich aufraffe, was ich irgendwann einmal, mehrmals die Woche oder gar mehrmals am Tag tue, sondern etwas, was ein Lebenszeichen eines Christen ist, was gewissermaßen automatisch geschieht, so wie das Atmen und der Herzschlag.

Der Mensch ist ja von Gott zum Ebenbild Gottes geschaffen. Man kann es auch so ausdrücken; Zum Gesprächspartner Gottes. Aber von Natur aus ist dieses Gespräch abgebrochen. Der Mensch verbringt sein Leben ohne Gott gewissermaßen im Selbstgespräch. Die Verbindung zu seinem Schöpfer ist zerstört. Doch Jesus hat diese Verbindung wiederhergestellt. Wer an ihn glaubt, darf die Vergebung seiner Sünden glauben und erfahren. Das Trennende zwischen Gott und Mensch ist wieder aufgehoben. Gott ist für ihn kein Fremder und Unbekannter mehr, sondern ganz nahe, wie ein liebender Vater für sein Kind.

Wer Gott wie ein Kind seinem Vater vertraut, der wird auch immer wieder mit ihm reden, zu ihm beten. Für ein Kind ist es ja selbstverständlich, dass es immer mit den Eltern redet, dass sie über alles Bescheid wissen müssen. Jeder, der Kinder hat, weiß dies. Wenn sie sich an etwas stoßen, kommen sie sofort zu der Mutter, um ihr von dem Kummer zu erzählen und sich von ihr trösten zu lassen. Wenn das Kind etwas sieht, was ihm auffällt, dann wird das den Eltern auch erzählt. Oder wenn ihm etwas gelungen ist, etwa ein schönes Bild zu malen, dann kommt es damit zu den Eltern, um sein Werk von ihnen bewundern zu lassen. An allem sollen Vater und Mutter Anteil haben. Das Kind lebt in vollkommener Abhängigkeit von den Eltern, es braucht sie. Es fühlt sich in ihrer Liebe und Zuneigung geborgen.

Allezeit beten heißt also nicht immerzu bewusste Worte des Gebetes an Gott zu richten. Das ist ja unmöglich. Allezeit beten heißt, das Leben nun immer im Bewusstsein zu verbringen, dass er nie allein ist, sondern dass es da einen liebenden Vater gibt, der immer für einen da ist, der nie weit weg ist, „nur ein Gebet weit“, wie es einmal jemand gesagt hat. So wie auch ein Kind, wenn es etwas braucht, wenn es sich zum Beispiel weh getan hat, doch sofort zu Mama oder Papa kommt, um sich trösten zu lassen. Es muss nicht erst lange überlegen: Da gibt es auch noch meine Eltern. An die könnte ich mich doch wenden. Nein, das geschieht automatisch.

Das Gebet ist geradezu das Zeichen dafür, ob wir eine lebendige Beziehung zu unserem himmlischen Vater haben oder nicht.

Deshalb konnte auch ein Luther schreiben: "Wo ein Christ ist, da ist eigentlich der heilige Geist, der nichts anderes tut als immer betet, denn ob er gleich nicht immerdar den Munde reget oder Worte macht, dennoch geht und schlägt das Herz gleichwie die Pulsadern und das Herz im Leibe ohne Unterlass mit solchen Seufzern: Ach, lieber Vater, dass doch dein Name geheiligt werde, dein Reich komme, dein Wille geschehe bei uns und jedermann usw. Und wenn danach Stöße oder Anfechtung und Not härter drücken und treiben, dann geht solch Seufzen und Bitten desto stärker, auch mündlich, so dass man keinen Christen finden kann ohne Beten, so wenig als einen lebendigen Menschen ohne den Puls, welcher nie still steht. Er reget und schlägt immerdar für sich, obgleich der Mensch schläft oder anderes tut, dass er sein nicht gewahr wird."

Gebet ist lebensnotwendig. Deswegen ruft der Apostel Paulus der Gemeinde in Thessalonich und auch uns heute früh zu: Betet ohne Unterlass! Mit dem Gebet steht und fällt unser Christsein. Denn am Gebet erkennen wir unser Verhältnis zu Gott. Es zeigt sich, ob wir Gott kindlich vertrauen, so wie ein Kind den Eltern, oder nicht.

Das Gebet ist der Atem und der Herzschlag eines Christen, habe ich vorhin gesagt. Dass ich ein- und ausatme, dass mein Herz schlägt, geschieht automatisch. Beim Beten ist das leider nicht so. Wir können es leider auch vergessen. Deshalb erinnert der Apostel die Gemeinde in Thessalonich und uns daran: „Betet ohne Unterlass!“ Oder anders formuliert: Vernachlässigt das Gebet nicht. Nutzt jede Gelegenheit zum Beten. Denn ihr habt einen wunderbaren Vater im Himmel, zu dem ihr mit allen Dingen eures Lebens kommen könnt.

„Betet ohne Unterlass!“ Das heißt nun: Vergesst als Kinder Gottes dieses besondere Vorrecht nicht, mit eurem Vater im Himmel zu reden.

Im 3. Buch Mose, Kapitel 6 Vers 6 steht ein aufschlussreicher Befehl Gottes. Die Israeliten bauten ja während der Zeit der Wüstenwanderung immer wieder ihr Heiligtum auf und ab. Man nannte es die „Stiftshütte“. Das war nichts anderes als ein Zelt. Diese Stiftshütte war ein zentraler Ort der Begegnung mit Gott. Dieser forderte nun in der genannten Bibelstelle die Israeliten auf, ein Feuer anzuzünden. Dieses Feuer sollte nie verlöschen.

Für mich ist diese Stelle ein Hinweis auf das Gebet. Es ist wie ein Feuer, das nie verlöschen soll. Feuer gibt Wärme. Wenn es ausgeht, wird es kalt in einem Zimmer oder in einer Wohnung. Das weiß jeder, der eine Ölheizung hat. Wenn der Brenner kaputt ist, funktioniert die Heizung nicht mehr. Dann gibt es auch kein warmes Wasser mehr und ich muss früh am Morgen kalt duschen.

Lass auch das Feuer des Gebetes nicht ausgehen! Hüte es! Werdet nicht nachlässig im Gebet. Solche Zeiten gibt es ja. Da geht es einem gut und nimmt das Gebet nicht mehr so wichtig. Man vernachlässigt es. Vergisst, wie wichtig doch die immerwährende Verbindung im Gebet mit Jesus ist.

Kennt ihr die Geschichte von Daniel? Das war ein alttestamentlicher Prophet. Als junger Mann wurde er von den Babyloniern, Feinden seines Volkes Israel, von seiner Heimat verschleppt. Er diente deren Königen und später denen der Perser als Berater.

Aber er hielt an seinem Glauben fest. Und er hielt am Gebet fest. Er ließ das Feuer des Gebetes nie ausgehen. Durch nichts und niemand ließ er sich vom Beten abhalten.

Auch als er wusste, sein Gebet könnte ihm gefährlich werden, hielt er an seiner Gewohnheit, sich mit Gott zu verbinden, fest. Daniel betete dreimal am Tag, nicht nur früh am Morgen hielt er seine Stille Zeit. Sondern immer wieder zog er sich zurück, um mit Gott in Verbindung zu treten. Es ist ja schon viel gewonnen, wenn wir früh am Morgen unsere Stille Zeit halten. Aber wir werden auch schon die Erfahrung gemacht haben: Damit allein ist es nicht getan. Wir brauchen die ständige Verbindung mit Gott, damit uns unser Glaube wirklich prägen und verändern kann. Manche unter uns kennen sicher den Satz des Gottesmannes Stanger: „Das beste Gebet ist, wenn du beständige Gemeinschaft mit Jesus hast.“

Wir können, wie gesagt, natürlich nicht immer beten, dass wir uns also hinsetzen und die Hände falten und mit Gott reden. Aber wir können doch immer wieder Gott in unser Leben einbeziehen, immer wieder einen kurzen Gebetsschrei tun, wie: „Herr, hilf mir da jetzt.“ Oder: „Erbarm dich doch.“ Oder ein kurzes Dankeschön sprechen: „Danke, dass du da warst, dass du geholfen hast, dass ich jetzt keinen Unfall gebaut habe.“ Sag Jesus doch immer wieder, was dir auf dem Herzen liegt.

Vergesst das Gebet nicht, wenn es euch gut geht. Lasst das Feuer des Gebetes dann nicht ausgehen. Und vergesst es auch dann nicht, wenn ihr meint, es hat keinen Sinn. Jeder, der betet, kennt ja diese Erfahrung: Man ruft, aber bekommt doch keine Antwort. Es kommt keine Hilfe, kein Trost. Alles bleibt beim Alten, nichts ändert sich. Die Gebete scheinen an der Zimmerdecke hängen zu bleiben. Man ruft anscheinend ins Leere. Dann kann sich leicht der Gedanke einschleichen: Beten hilft ja doch nicht. Und man hört mit dem Gebet auf.

Gerade für solche Situationen gilt das Wort des Apostels: „Betet ohne Unterlass!“ Gebt nicht zu früh auf! Gott hat versprochen: Wer bittet, der empfängt. Gott gibt keine leeren Versprechungen. Sondern wir dürfen ihn immer wieder daran erinnern, sollen ihm gewissermaßen in den Ohren liegen. Es kann oft dauern, bis Gott Gebete erhört, aus welchen Gründen auch immer. Zur rechten Zeit wird die Hilfe kommen.

Und wenn Gott trotz anhaltenden Gebets unsere Bitten nicht erfüllt? Dann dürfen wir getrost darauf vertrauen, dass Gott besser weiß als wir, was für uns gut oder schlecht ist.

Gott weiß, was gut für mich ist. Wer das weiß und glaubt, der kann Gott dankbar sein, und zwar nicht nur in guten, sondern auch in schlechten Zeiten. Klar, wir müssen Gott im Gebet nichts vormachen. Wir dürfen auch klagen. Wir dürfen trauern, dürfen weinen, wenn es uns nicht gut geht. Wir müssen keine frommen Schauspieler werden. Aber wir wollen nie vergessen, - nie! - dass wir einen gütigen Vater haben, der weiß, was er tut und warum er es tut, auch wenn wir es nicht verstehen. Sogar Unannehmlichkeiten können zu Werkzeugen in seiner Hand werden. Wer das bejahen kann, wird frei zum Danken.

Danken verhindert, dass sich unser Leben und auch unsere Frömmigkeit nur um uns selbst dreht, um meine Wünsche und um meine Interessen. Danken bewahrt uns davor, dass wir das, was wir haben, für selbstverständlich nehmen, sondern immer wieder bewusst annehmen von Gott aber auch von Menschen. Danken kann uns also zufriedener machen.

Und wenn ich nun wirklich für bestimmte Dinge, Situationen, Menschen in meinem Leben nicht danken kann? Dann, gerade dann, erinnere dich daran, wofür du dankbar sein kannst. Lenke deinen Blick vom Negativen aufs Positive. Vergiss nicht, was er dir schon Gutes getan hat, wie es im Psalm 103 heißt. Das ist viel mehr, als wir denken, angefangen mit der Tatsache, dass wir leben und noch am Leben sind. Wer unter uns ist über 50 Jahre? Er hat damit schon ein höheres Alter erreicht als ein Durchschnittsmensch, der zum Beispiel in Tansania lebt. Wir können dankbar sein, dass wir zu essen und zu trinken haben. Damit sind wir reicher als die Tausenden, die Tag für Tag verhungern. Seien wir dankbar dafür, dass wir ein Dach über den Kopf haben, ein Zimmer, eine Wohnung oder ein Haus, selbstverständlich mit Elektrizität und Wasserspülung. Für eine Milliarde Menschen auf dieser Welt, die in den Slums einer Großstadt leben müssen, ist so ein Luxus von immer verfügbarem sauberen Wasser nicht selbstverständlich.

Wir können auch dankbar sein, dass wir in Zeiten von Corona in einem reichen Land mit einem gut ausgebauten Gesundheitssystem leben, wo es genug Intensivbetten für Erkrankte gibt, dass wir in einem Sozialstaat leben, wo es Kurzarbeitergeld und Arbeitslosenunterstützung gibt, dass wir vernünftige Politiker haben, bei denen das Leben von Menschen an erster Stelle steht. Vergessen wir das nicht!

Und seien wir vor allen Dingen dankbar, dass wir immer wieder von dem hören dürfen, der liebt wie kein anderer, Jesus Christus. Er kann dich immer wieder trösten - durch sein Wort. Er vergibt dir täglich und reichlich alle Schuld, wie sich Luther ausdrückt, wenn du ihn nur darum bittest. Er kann dir Kraft geben, das zu tun, was er von dir verlangt. Du brauchst nie zu denken: „Ich schaff das nicht, was Gott von mir will. Vor allen Dingen bleibe ich immer wieder meinen Mitmenschen gegenüber Liebe schuldig.“ Denke daran, was Jesus für dich am Kreuz getan hat, danke für seine Liebe, die auch für dich gilt. Danke, und bitte nicht. Denn diese Liebe ist für dich da, zum Nehmen. Wenn jemand in seiner Küche einen vollen Kühlschrank hat, dann braucht er auch Gott nicht zu bitten, dass er ihm zu essen gibt. Dann braucht er nur zu danken, dass er zu essen hat.

Wenn wir so unaufhörlich immer wieder danken, dann erscheint mir mein Leben in einem anderen Licht. Auf einmal erkenne ich die Führungen und Bewahrungen Gottes in meinem Leben. Auf einmal sehe ich, wie gut er es mit mir bisher gemeint hat und auch weiterhin das Beste für mich tun will. Wer dankt, kann dann auch Schweres in seinem Leben leichter aus Gottes Hand nehmen.

Wer dankt, der wird ein Mensch, so wie Gott ihn haben möchte, eben ganz menschlich, entsprechend seiner Bestimmung und somit auch ganz glücklich. Mit weniger gibt sich Gott nicht zufrieden. Er will unser vollkommenes Glück. Wollen wir etwa weniger?

Amen