Bayreuth, den 27.09.2020 - 2. Timotheus 1, 7-10

Liebe Gemeinde!

Paulus redet hier von einem Geist der Furcht. Sein junger Freund Timotheus, an den er schrieb, kannte ihn. Angst vor dem Versagen. Angst davor, sich als Christ zu outen. Angst vor Nachteilen, wenn man sich als Christ bekennt. Davon redet hier Paulus.

Auch wir kennen diesen Geist der Furcht. Vielleicht in den letzten Monaten mehr denn je. Es ist in letzter Zeit so viel passiert, was Anlass zur Furcht gab. Bis vor kurzem dachten wir, wir leben in einigermaßen gesicherten Verhältnissen. Die Corona-Krise hat dieses Lebensgefühl in Frage gestellt. Millionen von Menschen sind weltweit an Covid-19 erkrankt, hunderttausende daran gestorben. Und es gibt noch kein wirksames Mittel gegen diese Krankheit. Die wirtschaftlichen Folgen sind unabsehbar. Momentan sind wir wohl in der größten wirtschaftlichen Krise seit der Weltwirtschaftskrise vor fast 100 Jahren. Viele Menschen, vielleicht auch unter uns, machen sich Sorgen wegen ihrer beruflichen Zukunft. Es ist Krisenzeit. Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wir wissen nicht, wie lange diese Coronakrise noch dauert.

Wir leben in unsicheren Zeiten. Wir wissen nicht, wie es in unserer Gesellschaft weitergeht, ob es auch mit unserer Kirche weiter bergab geht.

Auch Christen, auch Kindern Gottes, bleiben unsichere Lebenssituationen nicht erspart. Da macht man z.B. bestimmte Pläne für sein Leben - aber plötzlich tritt ein unvorhergesehenes Ereignis ein und macht alles zunichte. Und wenn es durch Corona bedingt „nur“ ein Urlaub ist, den ich nicht antreten kann, oder eine geplatzte Geburtstagsparty oder eine verschobene Hochzeit.

Oder man hat einen heißen Herzenswunsch und betet und fleht zu Gott, dass er ihn doch erfüllen möchte – aber Gott erhört das Gebet nicht! Und dann kommt die Krise, der Zweifel: Warum erhört er denn mein Gebet nicht? Hat er mich nicht so lieb wie die andern? Oder gibt es gar keinen Gott? Oder ähnliche Fragen!

Wir sind in unseren Reihen von unerwarteten Todesfällen erschüttert worden. Wir mussten lernen: Auch Christen haben keine Garantie für ein langes Leben. Auch sie können in jungen oder mittleren Jahren sterben. Auch sie können Schweres und Unerklärliches durchmachen. Und diese Erkenntnis kann Angst machen.

Wir können enttäuscht sein von den Umständen unseres Lebens, die ganz anders sind, als wir es uns gewünscht hätten. Oder wir sind enttäuscht von anderen Menschen, die uns nicht so achten und wertschätzen, wie wir es erwartet hatten. Und nicht zuletzt können wir auch enttäuscht sein von uns selber: Seit Jahren schon kämpfen wir gegen einen bestimmten Charakterfehler an, aber immer wieder passiert es uns. Oder wir haben uns vorgenommen, heute ruhig, ausgeglichen und freundlich zu sein – aber dann waren wir wieder zornig, beleidigt und wütend - und am Ende resignieren wir und denken, es bleibt doch immer alles beim Alten, es wird doch nie etwas anders! Und dann geben wir den Stimmen in uns Raum, die uns mutlos und verzagt machen wollen.

Es sind falsche Stimmen und ungute Geister, die uns in Angst und Schrecken versetzen wollen. Paulus rief seinem verzagten Mitarbeiter Timotheus zu: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Menschen, die an Jesus glauben, haben Zugang zu einer wunderbaren Kraft. Es ist die Kraft Gottes, die sogar stärker ist als der Tod. Jesus hat durch seine Auferstehung dem Tod die Macht genommen, schreibt hier Paulus.

Diese ungeheure Kraft ist stärker als alles, was Menschen bedrücken und quälen kann, stärker als Sünde und Tod, stärker als alle Atombomben dieser Welt.

In einer Kapelle steht als Wandspruch: „Seid ohne Furcht, wenn eines Tages die Kraft der Atome den kreisenden Erdball zersprengen sollte, dann wird sie doch nichts sein gegen jene Kraft, die den Stein vom Grabe wegwälzte.

Christus hat einmal den Tod besiegt, alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag, und jede Vernichtung ist eingeschlossen in Seine und unsere Auferstehung.“

Diese Kraft, die auch in der Auferstehung Jesu Christi wirksam wurde, bietet Gott jedem Menschen an. Es kann keiner so schwach sein, als dass sie ihn nicht aufrichten könnte.

Gott verlangt nur eines von uns: Wir müssen mit dieser Kraft auch rechnen. Sonst liegt diese Kraft brach und bleibt ungenutzt unser Leben lang.

Auch in den aussichtslosesten Lagen kann diese Kraft erfahren werden. Ich denke an den Flugzeugkapitän James Whittaker. Mit seiner Mannschaft muss er auf dem Pazifischen Ozean notwassern. Sie verbringen drei qualvolle Wochen in engen Schlauchbooten und erleben Wunder über Wunder, weil einer anfing zu glauben und zu beten. Schließlich kommen sie in die Nähe einer Insel. Whittaker rudert ihr entgegen. Doch seine Kräfte erlahmen rasch. Eine Strömung treibt sie wieder hinaus ins Meer. Er ruft zu Gott, der ihn einzig und allein retten kann. Und in seine Schultern und Arme kehrt die Kraft zurück. Es ist ihm, als ob die Riemen sich automatisch bewegen und seine Hände nur diesen Bewegungen folgen. Sie nähern sich immer mehr dem Ufer. Die wunderbare Kraft hält vor, bis der Kiel des Bootes geräuschlos auf Grund lief. Sie sind gerettet. So wunderbar kann Gott eingreifen und einem körperliche Kraft schenken.

Solche Beispiele wie die von James Whittaker sollen uns Mut machen, dass wir nicht ablassen, Gott um neue Kraft und um neuen Schwung zu bitten. Auch wenn wir uns völlig ausgebrannt fühlen wie eine leere Batterie und wenn wir auch müde und kraftlos im Glauben sind, dann dürfen wir erst recht mit göttlicher Kraft rechnen.

Ähnliches kann auch im seelischen Bereich geschehen. Der Weltreisende Klaus Mehnert besuchte einmal vor Jahren deutschstämmige Siedler, die im hohen Norden Russlands wohnten. Meist sehr ärmlich und völlig abgeschnitten von der großen Welt fristeten sie ihr Leben.

Mehnert traf unter anderem mit einer kleinen Baptistengemeinde zusammen, und er hat ihre Kraft sofort verspürt. Von einem der Männer hörte er ein kurzes, vielsagendes Wort: „Wir werden uns nicht unterkriegen lassen!“ An der Wand einer ganz einfachen Stube hing als einziges Bild ein Christusbild, ein Bekenntnis zu ihrem Glauben.

Mehnert hat es in seinem Bericht offen ausgesprochen: „Ich habe mir später überlegt, woher wohl der auffallende Unterschied stammt zwischen der kraftvollen und lebensbejahenden Gruppe, mit der ich jenen Nachmittag und Abend zusammensaß, und der stumpfen Müdigkeit und Lethargie, die ich unter so vielen anderen Landsleuten antraf. Sie alle waren Russlanddeutsche, ihrer aller Vorfahren waren etwa um die gleiche Zeit aus Deutschland nach Russland ausgewandert, sie alle hatten in den letzten Jahrzehnten Schweres, ja Entsetzliches durchgemacht. Der Unterschied war: die einen lebten ohne lebendige Glaubensverbindung mit der Bibel und wussten nichts von Christus; die anderen dagegen pflegten Gemeinschaft untereinander und ließen sich auch dort oben in Sibirien durch das lebendige Wort strafen, mahnen, trösten und führen. Das Christusbild an der Wand war dafür nur ein beredtes Zeugnis.“

Solche Beispiele wie die von James Whittaker oder den Russlanddeutschen in Sibirien sollen uns Mut machen, dass wir nicht ablassen, Gott um neue Kraft und um neuen Schwung zu bitten. Auch wenn wir uns völlig ausgebrannt fühlen wie eine leere Batterie und wenn wir auch müde und kraftlos im Glauben sind, dann dürfen wir erst recht mit göttlicher Kraft rechnen.

Das Reich Gottes lebt von lauter Schwachen, die laufen und laufen, von einer geheimen und verborgenen Kraft Gottes erfüllt und getrieben. Wie schwach, müde und elend muss sich oft der Apostel Paulus gefühlt haben. Im 2. Korintherbrief erzählt er davon. Ein Leiden, eine Krankheit oder irgendeine innere Not drückt ihn nieder. Er betet mehrmals zu Gott, doch es wird nicht besser. Da erhält er schließlich zur Antwort: „Lass dir an meiner Gnade genügen. Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Paulus bleibt der schwache, angefochtene Apostel. Aber es lebt nun eine göttliche Kraft in ihm, die ihm weiterhilft

Jeder Tag bedeutet neue Gnade, neue Kraft, neue Hoffnung, neue Aufträge Gottes. Unser alter Planet Erde wird nicht nur immer kaputter, die Menschheit wird nicht nur verdorbener, die Kirche nicht nur immer kleiner und vollmachtsloser, wir werden nicht nur schwächer und älter sondern diese Welt geht ihrer Vollendung entgegen, jeden Tag werden Menschen Gott und seinen Sohn Jesus kennenlernen, und wir selber werden nicht nur alt sondern auch neu. Das gilt es sich immer wieder bewusst zu machen und zu glauben, daran festzuhalten, auch wenn der Augenschein dagegenspricht.

Halte mit dieser Erkenntnis nicht über den Berg. Wir brauchen uns nicht nur mit unseren eigenen kleinen und großen Problemen und Sorgen beschäftigen, sondern mit der Kraft rechnen, die uns und auch andere Menschen verändern kann. Wir brauchen keine Angst davor zu haben, uns zu unserem Herrn zu bekennen. Auch wenn wir dann vielleicht als die Ewiggestrigen belächelt, verspottet oder gar verleumdet werden. Wir dürfen uns auf die Seite dessen stellen, der alle Macht hat im Himmel und auf der Erde. Und wir dürfen auch hoffen und damit rechnen, dass auch in diesen Zeiten, gerade in diesen Zeiten, vermehrt sich Menschen Christus zuwenden. Wir kennen doch das Fundament, das nicht zerbrechen wird. Das ist Christus, der Auferstandene.

Dieser Glaube an den Auferstandenen und die eigene Auferstehung hat auch Auswirkungen auf unsere Einstellung zum Leben und unseren Lebensstil. Dieser Glaube ist nicht nur auf ein Jenseits gerichtet, sondern er verwandelt das Leben diesseits der Gräber. Einer, der an den auferstandenen Christus glaubt, der weiß sich ja nie allein. Der, der alle Macht im Himmel und auf Erden hat, der ist ja immer bei ihm. Und mit diesem Jesus Christus darf er dazu beitragen, dass diese Welt etwas menschlicher wird, etwas mehr Liebe in sie hineinkommt. Wenn einer anfängt, an den Auferstandenen zu glauben, dann kommt ja in sein Leben die Liebe Jesu hinein, die er nun an andere weitergeben darf.

Ihr seid das Licht der Welt“ hat Jesus von denen gesagt, die ihm nachfolgen. Sie geben das Licht weiter, das er ihnen gegeben hat. Dort, wo sie sind, sind Christen Leuchtpunkte für ihre Umgebung. Da merken ihre Mitmenschen, - hoffentlich! -: Die denken nicht bloß an sich, sondern haben auch ein Herz für andere.

Es gibt viele Segensspuren des auferstandenen Christus in dieser Welt, auch in unserer Gemeinde. Ich denke da an unseren kids-Treff. Wir haben hauptamtliche Mitarbeiter, unsere jungen Mitarbeiter, die hier bei uns ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren und dann noch viele Ehrenamtliche, die aus Liebe zu den Kindern und zu Jesus Hausaufgabenbetreuung übernehmen, oder sonst auf unserem Abenteuerspielplatz oder im „Flux“ sich engagieren. ganz gewöhnliche Menschen. Vieles von diesem christlichen Liebesdienst geschieht, ohne dass die Öffentlichkeit groß danach fragt. Es sind oft unspektakuläre, kleine Dinge, von denen eine Zeitung nicht berichtet: wenn ein Kind vor einer Schulaufgabe betet, weil es Beten von seinen Eltern gelernt hat, wenn ein Mann oder eine Frau im Beruf ehrlich ist und nicht betrügt, die im Namen der Liebe Jesu viel Gutes tun, wenn Christen im Beruf ihren Mann oder ihre Frau stehen oder ihre Kinder recht erziehen. oder wenn jemand treu ältere Menschen in Seniorenheimen besucht hat, was hoffentlich bald wieder möglich ist.

Alles Leuchtpunkte, unzählige Leuchtpunkte, die alle darauf hinweisen: da gibt es eine wunderbare Lichtquelle, den auferstandenen Jesus Christus.

Und diese Lichtquelle wird immer stärker scheinen, bis einmal die Zukunft im vollen Licht des Auferstandenen liegt. Dies wird dann der Fall sein, wenn er einmal wiederkommt: Dann wird es kein Leid, keine Tränen, keine Krankheit und keine Schuld mehr geben. Dann wird auch der Tod endgültig ausgespielt haben und das Leben, Jesus Christus, wird endgültig gesiegt haben.



Amen