Liebe Gemeinde!
2000 Jahre alt sind die Worte, die ich eben vorgelesen habe. Aber immer noch aktuell. An diesem Weihnachtsfest, wie ich meine, besonders aktuell und besonders hilfreich.
In den letzten Monaten hat sich in unserem öffentlichen Leben Manches geändert. So tragen wir in der Öffentlichkeit Masken, auch hier in diesem Gottesdienst. Es geht nicht anders. Diese Masken dienen zu unserem eigenen Schutz und zum Schutz anderer.
Wir haben uns daran gewöhnen müssen. Aber diese Masken bleiben lästig. Oftmals empfinde ich sie auch beklemmend. Wir sehen nur das halbe Gesicht. Nase, Mund und Kinnpartei sind bedeckt. Nur anhand der Augen können wir ahnen oder raten, was einer denkt und fühlt. Und vermutlich ist es Ihnen auch schon passiert: Auf der Straße oder in den Geschäften haben wir manche Personen nicht erkannt.
Dazu kommt, dass wir einander nicht zu nahe kommen dürfen. Händeschütteln, berühren oder gar umarmen geht gar nicht. Außer in der Familie. Wir sitzen hier auf Distanz. Und wenn Sie den Gottesdienst verlassen, dann muss ich Sie bitten, die Abstandsregeln einzuhalten.
Wie ist das nun mit Gott? Da ist es anders, genau umgedreht. Er verbirgt sich nicht hinter einer Maske. Sondern zeigt uns sein ganzes Gesicht. Er geht auch nicht auf vornehme Distanz zu uns Menschen. Sondern kommt uns ganz nahe. Darum geht es an Weihnachten.
Sicher, ich weiß: Viele Menschen fragen sich, vielleicht auch unter uns: Wo ist denn Gott? Es passiert so viel Schlimmes in dieser Welt. Die Nachrichten sind voll von Katastrophenmeldungen. Kriege toben. Menschen tun einander unsagbar Grausames an. Die Klimakatastrophe droht. Corona hält uns immer noch in Atem. Und auch in unserem persönlichen Leben spüren wir oft nichts von der Nähe Gottes. Wir leiden unter schweren Krankheiten, Einsamkeit, Enttäuschungen von anderen Menschen, unter finanziellen Nöten, unter Angst um unseren Arbeitsplatz. Und Gott scheint sich um all das nicht zu kümmern.
Viele Menschen beklagen die Abwesenheit Gottes. Sie können nichts, oder nicht viel über Gott sagen. Fest scheint nur zu stehen: Wenn es ihn überhaupt gibt, dann ist er weit weg, nicht erfahrbar – eben abwesend.
Manch einer sagt: „Gott kommt in meinem Leben nicht vor. Er bleibt stumm, greift in mein Leben nicht ein. Mag sein, dass er auf irgendeiner fernen Wolke thront. Aber ich lebe hier auf der Erde. Auf so einen Gott, der weit weg ist und sich womöglich selbst genügt, kann ich gut verzichten.“
Nun muss man sagen: Auch die Bibel kennt die Erfahrung eines abwesenden Gottes, der sein Gesicht verbirgt und anscheinend stumm bleibt. Doch die Menschen der Bibel wenden diesem abwesenden Gott nicht den Rücken zu – im Gegenteil. Sie bedrängen ihn mit Klagen und Bitten, weil sie ihn auch ganz anders erlebt haben. Denn die Bibel beschreibt immer wieder einen Gott, der sich leidenschaftlich für seine Geschöpfe interessiert. Der Sehnsucht nach seinen Menschen hat, mit den Lachenden sich freut und mit den Weinenden weint.
Diese Sehnsucht hat Gott auf diese Erde getrieben. Er handelte so, wie der australische Spitzensportler Reg Spiers. In London nahm er an Ausscheidungskämpfen für die Olympischen Spiele in Tokio teil. Aber er schied aus. Und fast sein ganzes Geld hatte man ihm auch gestohlen. Ausgerechnet jetzt, wo in wenigen Tagen seine Tochter Geburtstag hatte. Da wollte er unbedingt dabei sein! Was tun? Er ließ sich für ein wenig Geld eine Kiste anfertigen. Spiers schlüpfte hinein und ließ sich von einem Freund als Luftfracht verschicken. Und tatsächlich schaffte er es: Nach 63 Stunden und 21.000 Kilometern kam Reg Spiers erschöpft aber wohlbehalten ins australische Perth an. Pünktlich zum Geburtstag seiner Tochter. Was für eine berührende Geschichte. Und auch eine lebensgefährliche Aktion.
Zu Weihnachten wird uns eine ähnliche Geschichte erzählt. Jesus, der Sohn Gottes, verschickte sich selbst. Er tauschte sein vollkommenes Leben bei Gott gegen eine unbeschreibliche Enge.
Gott wurde Mensch. Es ist ein unbegreifliches Wunder, aber trotzdem wahr: Maria brachte den Sohn Gottes zur Welt. Es gab kein weiches Bettchen für ihn. So legte ihn seine Mutter in eine Futterkrippe. Hört sich vielleicht romantisch an. Aber die Wahrheit ist: Der Sohn Gottes ist unter den erbärmlichsten Umständen, die man sich nur vorstellen kann, geboren worden. Seine Geburt zeigt uns: Gott scheut nicht das Elend und die Not. Sondern er kommt mitten in es hinein.
Maria und Joseph gaben dem Neugeborenen den Namen „Jesus“. Das heißt „Der Herr, also Gott, rettet.“ Dieser Name ist Programm. Jesus ist der, der uns in unserem Elend, in unseren Ängsten, Sorgen und vor allen Dingen in unserer Schuld nicht allein lässt, sondern zu uns kommt und herausholt. Damit zeigt uns Gott sein wahres Gesicht: das Gesicht eines liebenden und zur Hilfe bereiten Gottes.
Nach der Geburt Jesu kamen die Hirten und beteten das Neugeborene an. Sie spürten in dem Kind die Nähe Gottes. Auch sie, diese damals so verachteten Hirten, waren von Gott nicht abgeschrieben und vergessen. Gerade sie nicht. Bei Gott ist keiner abgehängt. Er ist jedem mit seiner Liebe gleich nah.
Ich habe einmal ein bewegendes Buch gelesen. Es heißt „Deutschlands vergessene Kinder“. Geschrieben hat es der berliner Pfarrer Bernd Siggelkow. Gerade in Berlin leben viele Kinder unterhalb der Armutsgrenze. In Deutschland sind übrigens über zweieinhalb Millionen von Armut bedroht. Bernd Siggelkow hat es sich zur Aufgabe gemacht, dagegen anzugehen. Er gründete ein christliches Kinder- und Jugendwerk, die „Arche“. Für viele Kinder ist die Einrichtung inzwischen ein wahrer Rettungsanker – der Ort, an dem sie wirklich Kinder sein können und sich geborgen fühlen. Es waren „vergessene Kinder“. Viele dachten von sich: „Ich bin nichts! Ich kann nichts!“ Doch durch die Zuneigung der Mitarbeiter der „Arche“ fassten viele von ihnen Mut für eine bessere Zukunft.
Jede Gesellschaft hat ihre Leute, die irgendwie am Rande sind. Doch kein Mensch verdient es, und gerade Kinder, dass man sie abschreibt, sie vergisst und ihnen keine Zukunft zutraut.
Und bei Jesus soll auch keiner am Rand stehen. Er will sie alle zu sich holen, mitten in das Reich Gottes, das Reich der Liebe und der Vergebung, der Hilfe bei Not und des Schutzes vor bösen Dingen und Mächten.
Seit Weihnachten gilt: Gott ist mir nahe, er ist erfahrbar, ja spürbar. Aber das geschieht nicht automatisch. Sondern ich muss schon etwas tun. Die Hirten auf dem Feld hörten die wunderbare Botschaft: Der Retter ist geboren. Er ist nicht weit weg. Aber ihr müsst euch schon auf den Weg machen, um ihn zu sehen.
Heute ist das genauso. Der Gott der Bibel ist zwar nicht weit weg – aber er ist verborgen. Wenn wir als Kinder „Verstecken" spielten und ich mit dem Suchen dran war, wusste ich natürlich, dass die anderen sich nicht in Luft aufgelöst hatten. Sie waren ganz in meiner Nähe. Ich musste ihr Versteck nur finden. Gott ist nicht abwesend - aber verborgen. Er ist da, aber er will entdeckt werden.
Wie geschieht das, dass wir Gottes Nähe entdecken, dass der verborgene Gott mitten in unserem Leben erfahrbar wird?
Sie können Gott finden, wenn Sie auf seine Stimme hören. Denn er redet mit Ihnen. Gott redet nicht per Lautsprecher vom Himmel. So darf man sich das Reden Gottes nicht vorstellen. Er redet mit einem, wenn er in der Bibel liest oder wenn Menschen in seinem Auftrag sprechen, so wie heute in diesem Gottesdienst. Allerdings hören Sie das Reden Gottes nicht automatisch, wenn Sie in der Bibel lesen oder eine Predigt hören. Es hängt von Ihrer Einstellung ab, ob Sie nur irgendwelche Worte lesen oder hören, die Menschen verfasst oder gesagt haben, oder Ihnen da Gott selber begegnet. Gott kann nicht mit jedem reden. Er redet nicht mit dem, der von ihm nichts wissen will. Er redet nicht mit dem, der ihn nur verspottet. Er redet nicht mit dem, der denkt, er ist doch ein guter Mensch. Mit mir ist doch alles in Ordnung.
Er redet nur mit denen, die vor ihm ihre Masken ablegen. Ich weiß: Das ist nicht einfach. Wir wollen nicht, dass jemand unsere eigentlichen Motive, unsere tiefsten Wünsche, Sehnsüchte, Träume und Begierden kennt. Es wäre ja wirklich zu peinlich, wenn unsere innersten Gedanken jeder sehen könnte! Das Schlimmste für uns ist ja, vor anderen bloßgestellt zu werden.
Aber vor Gott dürfen wir uns so geben, wie wir sind. Wir brauchen ihm nichts vorzumachen. Wir dürfen vor ihm, bildlich gesprochen, unsere Masken ablegen, vor allen Dinge die brave Maske, die fromme Maske. Gott gegenüber brauchen wir nicht vorsichtig sein. Er nutzt sein Wissen über uns nicht aus, um irgendwie Druck auszuüben. Er will uns vielmehr freimachen. Vor ihm können wir unsere Masken ablegen. Vor ihm können wir ganz ehrlich werden. Menschen, die gemerkt haben: Ich brauche die Liebe Gottes. Ich brauche seine Vergebung.
Gott redet nur mit dem, der Vergebung haben will. So haben es unzählige Christen erlebt. Auch ich. Das erste Mal in meinem Leben erfuhr ich, dass Gott ganz persönlich mit mir redete, als ich Vergebung suchte. Da sprach ein Wort aus den Psalmen ganz unmittelbar zu mir: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Der dir alle deine Sünden vergibt.“ Von diesem Zeitpunkt an gab dieser Jesus immer wieder mir Lebenszeichen, besonders dann, wenn ich unten am Boden lag. Gerade dann redete er zu mir.
An der Tür zum Heizungskeller unseres ehemaligen Pfarrhauses hatte irgendjemand ein Poster hingehängt. Darauf stand: „Gott ist da, wo man ihn einlässt.“ Immer wieder musste ich schmunzeln, wenn ich diesen Satz dort las. Wohnt Gott auch in einem Heizungskeller?
Doch, gerade da! Gerade in den Kellern Ihres Lebens will Gott Ihnen durch seinen Sohn Jesus Christus nahe sein. Wenn es Ihnen gar nicht gut geht. Wenn es dunkel in Ihnen ist und kalt. Wenn Sie einsam und krank sind. Und vor allen Dingen, wenn Sie schuldig geworden sind. Gerade dann zieht er sich nicht von Ihnen zurück. Gerade dann, wenn Sie beten: „Hilf mir doch! Vergib mir!“ In den Psalmen steht: „Gott ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind.“ Also den kaputten Typen ist er nahe. Von denen lässt er sich finden und die findet er. Auch hier in diesem Raum.
Gott ist Ihnen jetzt nahe, jetzt in diesem Augenblick, durch seinen Sohn Jesus Christus. Er redet jetzt mit Ihnen, jetzt in diesem Augenblick spricht er mit Ihnen und sagt: „Ich will dein Freund sein. Ich will dir deine Schuld vergeben. Ich will dir helfen, dich trösten, dir Kraft geben, Hoffnung für die Zukunft – auch über den Tod hinaus. Nimm doch meine Liebe an. Jesus sagte einmal: Ihr dürft sicher sein: Ich bin immer und überall bei euch, bis an das Ende dieser Welt.“
Gott ist nicht weit weg. Sondern er kam auf diese Erde in Gestalt eines kleinen Kindes. Gott ist uns auf diese Weise ganz nahegekommen. Darum geht es an Weihnachten.
Aber dadurch, dass wir davon hören, ist noch lange nicht richtig Weihnachten. So richtig Weihnachten ist es, wenn wir diesem Jesus auch ganz nahekommen. Er wartet darauf, dass wir es tun. Warum nicht heute? Warum nicht heute Abend in einer stillen Minute? Warum nicht hier in diesem Gottesdienst?
Sie können mit Jesus reden, zu ihm beten. Er hört Ihr Gebet, sicher und ganz gewiss, wenn Sie ihn bitten, in Ihr Leben zu kommen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, wie Sie beten können:
„Herr Jesus Christus, ich brauche dich und will mit dir leben. Danke, dass du am Kreuz für meine Sünden gestorben bist. Ich übergebe dir mein Leben und nehme dich als meinen Herrn und Erlöser an. Übernimm die Herrschaft in meinem Leben. Gestalte mich so, wie du mich haben willst. Amen“
Genau diese Worte hatte die junge Ärztin Yvonne Hasche mit dem todkranken jungen Patienten Paul Bessler im Krankenhaus in Halle an der Saale gesprochen. Paul ist nach diesem Gebet spürbar erleichtert. Ivonne sagt zu ihm: „Jetzt ist im Himmel ein richtig großes Fest. Jetzt freuen die sich alle und tanzen oben und feiern, und du bist jetzt ein Kind Gottes.“ Da lachte Paul und sagte: „Wow, die feiern jetzt da oben. Da müssen wir eigentlich hier unten auch feiern.“
Jesus sprach einmal davon, wie das ist, wenn ein Mensch zu Gott umkehrt. Dann freut sich der ganze Himmel, wie bei einem wunderbaren Fest, sagte er.
Den Himmel setzt nicht so schnell etwas in Bewegung. Bei der Menschwerdung Jesu zu Weihnachten, da freute sich der Himmel. Da hörten die Hirten auf dem Feld einen himmlischen Freudengesang. Und wenn ein Mensch zu Gott umkehrt, freut sich auch der Himmel.
Es ist etwas Großes, wenn so eine Umkehr geschieht. Freuen Sie sich mit ihm, dass Sie es tun dürfen. Und Gott freut sich mit!
Amen