Bayreuth, den 17.01.2021 Johannes 2,1-11

Liebe Gemeinde! 

Diese Geschichte räumt gewaltig mit Vorurteilen über das Christentum auf. Zum Beispiel mit dem Vorurteil: Als Christ habe ich keinen Grund, mich zu freuen. Zeichen von Lebensfreude oder gar lautes Lachen seien überhaupt nicht erwünscht.

Ich vermute, der italienische Schriftsteller Umberto Eco hat dieses Vorurteil. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass in seinem Roman „Der Name der Rose“ ein alter Mönch zum Serienkiller wird. Er tötet, damit ein bestimmtes Buch des griechischen Philosophen Aristoteles nicht in fremde Hände gerät. Er hält dieses Buch für gefährlich, da es zum Lachen ermutigt. „Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben“, sagt der Mörder.

Jesus dagegen begibt sich an einen Ort, an dem Lachen und Lebensfreude dazugehören. Er lässt sich zu einer Bauernhochzeit in einem kleinen Ort namens Kana einladen. Als Gast freut er sich mit dem jungen Brautpaar, isst und trinkt, sicherlich auch Wein. Immer wieder, so berichtet die Bibel, ließ er sich zu Feiern einladen. Seine Feinde verunglimpften ihn deshalb auch als Freund der „Fresser und Weinsäufer“.

Er half auf dieser Hochzeit dem Brautpaar sogar aus einer großen Not. Der Wein ging zur Neige. Dazu muss man wissen, dass so eine orientalische Hochzeit tagelang gefeiert wurde. Deshalb war ein entsprechender Vorrat an Getränken notwendig. Der war sicher vorhanden. Aber der Bräutigam hatte sich verkalkuliert, warum auch immer. War er arm, dass er sich nicht mehr leisten konnte? Rechnete er mit weniger Gästen? Oder nicht mit so durstigen? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall verhinderte Jesus eine große Blamage für das Brautpaar. Er verwandelte Wasser in Wein, und zwar nicht in einen billigen Fusel, auch nicht in einen Sauerampfer zum Mundausspülen, sondern in einen Spitzenwein.

Eine wunderbare Geschichte, über die wir nur staunen können. Und natürlich kann Jesus, der Sohn Gottes, der Herr dieser Welt, über Menschen und auch über die Natur, so ein Wunder tun. Daran habe ich keine Zweifel. Aber auch eine anstößige Geschichte. Von einem Moment auf den anderen waren nun auf dieser Hochzeit mehrere hundert Liter Wein vorhanden. Will Jesus den Alkoholkonsum fördern und ankurbeln? Sicherlich nicht. Es geht um etwas Anderes.

Dieses Wunder ist ein Zeichen, das erste, das Jesus tat, heißt es hier in unserem Predigttext. Ein Zeichen steht für etwas Anderes, so wie zum Beispiel ein Verkehrszeichen. Ein Vorfahrtsschild im Straßenverkehr soll nun nicht als Kunstwerk oder als Turnstange angesehen werden. Sondern es bedeutet, dass man als Autofahrer auf dieser Straße, wo dieses Zeichen steht, freie Fahrt hat. Und die Verwandlung von Wasser in Wein bedeutet nun: Wo Jesus ist, da ist Freude. In seinem Herrschaftsgebiet geht es fröhlich zu. Dieses Herrschaftsgebiet, das die Bibel Reich Gottes nennt, gibt es schon auf dieser Erde. Es ist da, wo Menschen Jesus in ihr Leben hineinlassen. Und es setzt sich nach dem Tod fort, bei ihm im Himmel.

Das Leben kann schön sein. Es kann Spaß machen. Und darf auch Spaß machen. Was wäre das Leben ohne Spaß? Tottraurig, bierernst, freudlos. Gott sei Dank gibt es viele Dinge und Beschäftigungen, die dem Menschen Spaß machen, wie zum Beispiel Sport treiben, Eis essen, Shopping, Filmeschauen, Musikmachen oder Musikhören, sich mit Freunden treffen, einfach nur faulenzen und abhängen, Computer Spielen oder Lesen. Natürlich kann auch Arbeit Spaß machen!

Spaß muss sein. Aber es gibt auch eine Sucht nach Spaß. Und hinter dieser Sucht steckt die Angst, die Angst, etwas vom Leben zu verpassen. „Das Leben ist doch so kurz! Da muss man doch so viel Spaß haben, wie es nur geht!“ Stimmt das wirklich? Ich meine nein. Die permanente Suche nach Spaß, man auch sagen die Sucht nach Spaß kann dich abhängig machen, abhängig vom Alkohol zum Beispiel, oder von Fernsehschauen oder Computerspielen. Es kann dich hart und egozentrisch machen, weil sich dein Leben nur um dich kreist.

Ich möchte jetzt mal zwei Begriffe unterscheiden, den Begriff „Spaß“ und den Begriff „Freude“. Das klingt vielleicht haarspalterisch. Aber diese Unterscheidung ist wichtig. Spaß ist, wenn ich in einen Autotank einen Fingerhut Benzin reinschütte, den Zündschlüssel umdrehe und der Motor macht dann vielleicht einen Ruck und geht wieder aus. Freude ist, wenn ich den ganzen Tank volltanke und dann mehrere hundert Kilometer fahren kann. Spaß ist eher etwas Kurzfristiges, Freude ist mehr auf Dauer angelegt und auch tiefer gehend.

Bei Jesus gibt es nicht nur Spaß, sondern auch Freude, tiefe Freude, die einen ein Leben lang tragen kann, auch wenn ein Christ tieftraurig sein kann, und die auch einmal ein Kennzeichen der Ewigkeit sein wird. Es hat eine besondere Bedeutung, wenn Jesus nicht nur Wasser in irgendeinen Wein verwandelt, sondern in einen Spitzenwein. Das heißt: Bei Jesus gibt es etwas Besonderes. Ohne ihn verpasst ein Mensch das Beste. Jesus gibt das Beste. Und das Allerbeste kommt noch, im Himmel bei ihm.

Und was ist das Beste? Seine Nähe, die Erfahrung seiner Liebe, vor allen Dingen seiner vergebenden Liebe. Im Grunde genommen wissen oder ahnen zumindest alle, die ein Leben nach dem Lustprinzip führen: Wir beschäftigen uns mit Nichtigkeiten. Es ist doch kümmerlich, wenn sich unser Leben darauf beschränkt! So ein Leben will uns Jesus nicht zumuten. Sondern er will uns ein erfülltes Leben geben, eben erfüllt mit seiner Liebe. Wer seine Liebe kennengelernt hat, der weiß: Das ist es, wonach ich mich eigentlich mein ganzes Leben lang gesehnt aber doch nie gefunden habe. Jetzt ist mein Durst nach Leben gestillt.

Jesus möchte dir eine tiefe Freude schenken, die du noch gar nicht kennst. Diese Freude kommt in dein Leben durch die Vergebung. Ich kenne Menschen, die gesagt haben, sie haben erst dann befreit lachen können, als sie der vergebenden Liebe Jesu begegnet sind. Ich bin sogar davon überzeugt, dass niemand sein Leben besser genießen kann als ein Christ. Denn er muss nicht diesen Freuden hinterherhetzen, weil er ja schon eine ganz andere Freude kennengelernt hat. Er muss nicht alles mitnehmen, solange die Zähne, die Leber und die Galle mitmachen. Ihm sitzt ja nicht die Angst vor dem Tod im Nacken, die einen dazu treibt, das Leben auf Teufel komm raus zu genießen. Ihn treibt vielmehr die Freude aufs ewige Leben. Deshalb hat er keine Angst, in diesem Leben zu kurz zu kommen. Und er will sich nur an dem erfreuen, was seinem Körper, seiner Seele und seinem Geist wirklich guttut.

So ein Leben ist übrigens nicht langweilig. Das ist ja auch so ein typisches Vorurteil über das Christentum: Es ist langweilig. Auch im Gottesdienst geht es nur langweilig zu, meinen manche.Ja, ich weiß, es gibt langweilige Gottesdienste. Es gibt langweilige Christen. Aber Jesus ist kein Langweiler. Mit ihm kann ich wirkliche Abenteuer erleben. Ich habe genügend davon in meinem Leben erfahren dürfen und habe des Öfteren auch in meinen Predigten davon erzählt. Auch unser Predigttext erzählt von einem unglaublichen aber wahren Abenteuer. Jesus verwandelt Wasser in Wein. So etwas hat vorher und nachher keiner fertiggebracht. Ob die Hochzeitsgesellschaft, der Küchenchef und auch der Bräutigam dieses Wunder überhaupt mitbekommen haben, steht nicht da. Vermutlich eher nicht. So ist das manchmal im Leben: Wir erleben Wunder der Hilfen und Bewahrungen, und sind uns dessen oftmals gar nicht bewusst. Die Jünger haben es mitbekommen: Was da passierte, war ein riesengroßes Wunder. Dieses Erlebnis weckte und stärkte ihren Glauben an Jesus.

Es geht im Christentum letzten Endes um Wunder und Geschenke und nicht um Verbote. Letzteres meinen zwar viele Menschen. Aber diese Ansicht stimmt nicht.

Im Konfirmandenunterricht nehme ich ja immer auch die 10 Gebote durch. Als ich einmal mit den Jugendlichen eines, ich weiß nicht mehr welches, besprochen hatte, sagte ein Konfirmand empört: „Da wird einem ja alles verboten!“ Das heißt ja: Das Leben würde mehr Spaß machen, wenn wir uns nicht nach seinen Geboten richten würden.

Klar, die 10 Gebote gelten heute noch. Aber sie sind nicht das Wichtigste im Christentum. Es geht nicht in erster Linie darum, dass ich als Christ bestimmte Vorschriften einhalte. Und Jesus hat nicht eine neue Moral gebracht. Es ging ihm um etwas Anderes. Das wird auch in der Geschichte von der Hochzeit zu Kana deutlich. Jesus verwandelte Wasser in Wein. Das Wasser war in sechs steinernen Krügen. Diese dienten dem vom alttestamentlichen Gesetz vorgeschriebenen Reinigungsvorschriften. Dieses Wasser des Gesetzes muss weichen. Es macht dem Wein des Heils Platz.

Um als Christ recht leben zu können, muss ich mich jetzt nicht bemühen, die Gebote Gottes zu halten. Das ist mit dem Wasser in den sechs Krügen gemeint. Sondern ich darf von dem Wein des Heils kosten. Mit dem Kommen Jesu ist eine neue Zeit angebrochen. Die Zeit der Freude über Gott, weil er mich liebhat, auch wenn ich seine Gebote überhaupt nicht gehalten habe. Es ist die Freude darüber, dass mir meine Sünde vergeben werden kann, immer wieder, wenn ich nur darauf vertraue, dass mir um Jesu willen meine Schuld vergeben wird.

Heißt das nun, es kommt überhaupt nicht darauf an, ob ich die Gebote Gottes einhalte? Sicher nicht. Wer weiß, dass Jesus ihn liebt, auch dann, ja gerade dann, wenn er Schuld auf sich geladen hat, der will nun auch seinen Willen tun. Nicht widerwillig, nicht, um sich den Himmel zu verdienen, sondern weil er weiß: Was Gott will, das tut mir gut. Und anderen Menschen auch.

Eigentlich ist das doch klar: Alles hat seine Grenzen. Maßlos leben tut nicht gut. Auch jeder Spaß hat seine Grenzen. Alkohol, schön und gut. Die Bibel hat nichts gegen Alkoholkonsum. Aber sie spricht sich deutlich gegen das Saufen aus, also gegen zu viel Alkohol. Da schädigt man sich nur selber. Das ist sicher auch dem Evangelisten Johannes klar, der diese Geschichte uns erzählt. Außerdem: Man kann auch andere verletzen, wenn man nur seinen Spaß auf Kosten anderer haben will.

Da kann ein junger Mann zu einem Mädchen große Worte von Liebe sprechen. Dabei geht es ihm nur darum, sie ins Bett zu kriegen und dabei seinen Spaß zu haben. Natürlich macht Sex Spaß. Aber wenn es einem dabei nur um Spaß geht, dann benutze ich den anderen nur zum Mittel zum Zweck. Dann ist das Sex ohne Liebe und ohne Verantwortung und somit eine Grenzüberschreitung.

Sicher: Spaß muss sein. Jesus selbst hat auf der Hochzeit zu Kana mitgefeiert, hat sich das gute Essen und Trinken auch schmecken lassen. Auch wir dürfen ohne schlechtes Gewissen unser Leben genießen, Essen und Trinken, was uns schmeckt. Wer will, mag asketisch leben. Aber er muss es nicht. Wir dürfen unseren Spaß bei Sport und Spiel haben. Aber nichts im Übermaß! Das Leben ist nicht nur Party. Gegen Spaß und Freude ist ja nichts einzuwenden. Aber wenn das alles im Leben gewesen ist, dann war es hohl und leer gewesen.

Es ist schon wichtig, das zu tun, was Jesus will. Das hat auch die Mutter Jesu kapiert. Sie sagt zu den Bediensteten: „Was er euch sagt, das tut.“ Denn sie weiß: Was Jesus anordnet, das ist gut. Das tut auch gut. Und so war es ja auch. Über alles Erwarten hinaus schenkte Jesus eine Überfülle an Wein.

Viele denken: Gehorsam Gott gegenüber kostet viel Kraft. Mag sein. Aber Ungehorsam kostet noch viel mehr Kraft, an Nerven, an Geld, an Gesundheit, an Glück und Freude. Sünde mag am Anfang süß schmecken, mag mit Aufregung, Prickeln und Abenteuer verbunden sein, aber danach kommen die Gewissensbisse, kommt Unglück und Leid.

Ich denke an einen Mann. Er betrog seine Frau. Begründet hat er es unter anderem mit dem Satz: „Es war so schön, mal wieder Schmetterlinge im Bauch zu spüren.“ Aber der anfängliche Reiz des Neuen verschwand schnell. Die Affäre war schnell vorbei. Doch die Ehe und Familie war ruiniert.

Wie sagte der Küchenchef? „Jeder gibt doch zuerst den besseren Wein – und dann den minderwertigen. So ist es ja oft auch im Leben: Zuerst kommt das „süße Leben“ - und dann das bittere. Bei Jesus ist es anders: Das Beste kommt noch. In seinem Reich dürfen wir genießen ohne Ende, ohne bitteren Nachgeschmack, ohne Reue. Ich bin mir sicher: Dort wird es nicht langweilig. Sondern dort, in einem Reich, warten ungeahnte Abenteuer, Aufgaben und Freuden auf uns. Wir dürfen gespannt darauf sein. Und uns jetzt schon darauf freuen.

Diese Vorfreude dürfen wir heute noch in diesem Gottesdienst erfahren. Wir feiern noch das Abendmahl. Da dürfen wir sehen und schmecken, wie freundlich der Herr ist. Wir dürfen seine Nähe erfahren. Auch unter diesen merkwürdigen Umständen, wie sie halt noch sind. Wir dürfen glauben: Jesus ist uns in diesem Abendmahl nahe. Er schenkt uns Vergebung und auch Freude. Dies dürfen wir erwarten.

Jedes Abendmahl ist wie ein Fest. Ein Fest wie eine Hochzeit. Viele von unseren Gottesdienstbesuchern freuen sich auf eine Abendmahlsfeier wie heute. Unsere Abendmahlsgottesdienste sind oft besonders gut besucht. Warum? Ich denke, das hängt eben mit dem Festcharakter eines Abendmahls zusammen. Jesus ist da, oftmals fast körperlich spürbar da. Er ist der Gastgeber. Er beschenkt uns. Und das nicht zu knapp, sondern überreich.

Amen