Bayreuth, den 07.02.2021 - Lukas 8,4-15

Liebe Gemeinde!

Für viele unter uns sicher eine vertraute Geschichte, die ich eben vorgelesen habe. Ein Sämann streut das Saatgut auf einen Acker. Das Ergebnis des Säens ist verschieden. Es hängt davon ab, wo der Same hinfällt.

Klingt irgendwie logisch aber beim näheren Hinschauen auch seltsam. Welcher Sämann macht denn so was? Wer geht denn so verschwenderisch mit seinem Saatgut um? Nur ein Teil fällt ja auf fruchtbares Land. Der Rest wird von den Vögeln aufgefressen, verdorrt unter der sengenden Hitze oder wird vom Unkraut überwuchert. Welcher Bauer handelt denn so? Wohl kaum einer. Aber Gott handelt so. Das Gleichnis beschreibt die Erfahrung, die er macht. Der Same ist das Wort Gottes. Menschen streuen es in seinem Auftrag aus: Eltern, wenn sie ihren Kindern aus der Kinderbibel vorlesen, Religionslehrer, wenn sie biblische Geschichten erzählen, Jungschar- und Jugendgruppenleiter, wenn sie in ihrer Gruppe eine Andacht halten, junge Leute aus unserer Gemeinde, wenn sie in Jugendgottesdiensten oder auf Konfirmandenfreizeiten etwas von ihren Erlebnissen mit Jesus erzählen, Pfarrer, wenn sie Predigten in den Sonntaggottesdiensten, bei Taufen, Konfirmationen, Trauungen oder Beerdigungen halten. Unzählige Male stand ich in den vergangenen 24 Jahren hier auf dieser Kanzel und habe Gottes Wort weitergesagt. Ich schätze mal, es dürften 1000 Predigten gewesen sein, die ich hier gehalten habe. Und tausende von verschiedenen Personen werden sie wohl gehört haben, manche einmal, manche mehrere hunderte Male.

Und was ist dabei herausgekommen? So kann man sich als Prediger schon fragen. Auch ich frage mich natürlich ab und zu: Was ist denn nun nach fast 40 Jahren Predigten halten herausgekommen? Was ist auch bei mir herausgekommen? Ich bin ja mein erster Predigthörer, der sich selber auch predigt, was er anderen weitersagt.

Mir stehen so manche Zuhörer vor Augen: Konfirmanden, die gelangweilt die Gottesdienste abgesessen haben, die sich haben konfirmieren lassen, und danach sah man sie nicht mehr in der Kirche. Oder ist vielleicht doch mehr hängengeblieben, als es den Anschein hat? Menschen, die von dem, was sie hier gehört haben, beeindruckt waren, aber es ging doch nicht in die Tiefe. Andere, die im Glauben einen guten Anfang gemacht haben, aber dann wurde doch etwas anderes wichtiger, ein anderer Mensch, der sie vom Glauben wieder wegzog, der stressige Alltag, der sie vom Wort wegzog, Leidenschaften, Süchte, die sie in Besitz genommen haben. Und schließlich Menschen, die das Wort Gottes gerne hören, immer wieder hören, oft sehr treu. Aber, und das muss ich mich selber auch immer wieder fragen: Hat das gehörte Wort Gottes mich wirklich verändert? Ist dabei, wie Jesus sich hier in dem Gleichnis ausdrückt, Frucht herausgekommen?

Ein Getreidekorn wird deshalb vom Bauern gesät, damit es Frucht bringt, damit ein Halm und Ähren mit möglichst vielen Körnern wachsen. Bei uns Menschen ist es genauso. Gott hat sein Wort der Liebe in unser Herz hineingelegt, damit auch von uns Liebe ausgeht, Liebe zu ihm und zu unseren Mitmenschen. Man kann auch an andere Früchte denken: Der Apostel Paulus spricht einmal im Galaterbrief neben der Liebe von Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und sexuelle Reinheit und bezeichnet sie als Früchte des Geistes. Das alles soll von uns ausgehen. Gott fordert diese Früchte von uns. Er fragt uns einmal nach unserem Tode danach. Er möchte sie uns schenken, in unserem Leben wachsen lassen. Wer sein Wort hört, es nicht gleich wieder vergisst, sondern darüber nachdenkt und dafür dankt, bei dem werden diese Früchte entstehen.

Jesus nennt drei Gruppen von Menschen, bei denen das allerdings nicht geschieht. Eigentlich müsste man noch eine vierte Gruppe nennen. Das sind die, die überhaupt nicht in Berührung mit dem Wort Gottes kommen, weil sie von Geburt an keiner Kirche angehören. Sie hatten nie Religionsunterricht, sind natürlich auch nicht konfirmiert und wissen von Weihnachten nur, dass es da Geschenke gibt und der Weihnachtsmann kommt. Solche Menschen gibt es auch in Deutschland, vermutlich immer mehr. Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, aber auch hier geboren wurden. Deutschland wird mehr und mehr zum Heidenland und zum Missionsland. Vielleicht kann bei diesen Heiden das Evangelium ganz anders, tiefer wirken, weil sie es noch nie gehört haben.

Da stand einmal ein Junge vor der Darstellung des Gekreuzigten in einem deutschen Dom. Er fragte neugierig: „Warum hat der Mann dort so Löcher in den Händen?“ Was für eine Steilvorlage für den, der neben ihm stand, den christlichen Glauben zu erklären! Dieser Junge hatte noch nie etwas von Jesus gehört. Aber er hat nun auch die Chance bekommen zum Glauben.

Und dann gibt es Menschen, die interessiert das Wort Gottes nicht. Sie haben es gehört, aber es langweilt sie nur. Woran liegt das nur? Es kann an dem liegen, der das Wort Gottes weitersagen soll, aber es nicht tut, weil er nur Moral predigt und nicht von Sünde, Schuld und Vergebung spricht. Aber die gute Nachricht von Jesus ist immer lebendig und zieht Menschen an. Aber eben nicht jeden.

Ich habe es selber schon so erlebt: Da habe ich spannende Geschichten von Gott erzählt, Geschichten, die ich selber erlebt oder von anderen gehört habe. Viele Kinder und Jugendliche haben gerne bei solchen Geschichten zugehört. Aber manche, ich habe es oft ihren Gesichtern angemerkt, hat das gar nicht interessiert. Es ist ihnen nicht wichtig. Und was uns unwichtig erscheint, das interessiert uns nicht, das nehmen wir oft auch gar nicht wahr.

Sie haben etwas Anderes in ihr Leben hineingelassen, was sie hindert, von Gott fasziniert zu sein. Es können materielle Dinge sein, wie Geld, Handys, Autos, Computer, oder auch Hobbys, Sex, Vergnügen, Arbeit oder Menschen. Das alles, was ich aufgezählt habe, ist nichts Schlechtes. Aber es kann dich verderben, wenn es dich ganz gar in Besitz nimmt, und dadurch die Stelle in deinem Leben einnimmt, wo Gott hingehört. Für ihn ist dann kein Platz mehr. Das sind die Menschen, deren Herz so hart wie ein hartgetretener Weg ist, von dem Jesus hier in unserem Predigttext spricht.

Wir leben in einem Land, in dem wir noch nie so reich waren, noch nie so viel besaßen, noch nie so viel Möglichkeiten hatten uns zu vergnügen und uns zu unterhalten oder unterhalten zu lassen. Und leben auch in einem Land, in dem noch nie so viele Leuten lebten, die nicht an Gott glauben oder denen er gleichgültig ist. Ich meine, beides gehört zusammen. Das Geschaffene hat den Schöpfer ersetzt. Das Geschaffene kann ich anfassen, Gott nicht. Deshalb gibt es ihn nicht.

So dachte ein Kapitän. Er glaubte nicht an Gott. Für seinen Schiffsjungen, der regelmäßig betete, hatte er nur Spott übrig. "Gott gibt es nicht", sagte er einmal zu ihm in dessen Kajüte. "Alles Einbildung von Angsthasen. Zeige mir Gott! Ich habe ihn noch nie gesehen." Darauf sagte der Schiffsjunge ganz ruhig: "Herr Kapitän, Glücklich sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen." Ohne ein Wort zu sagen, verließ der Kapitän nachdenklich die Kajüte.

Wer ein reines Herz hat, der wird Gott sehen. Das hat Jesus einmal gesagt. Man könnte auch übersetzen: Wer ein durchsichtiges Herz hat, so klar wie sauberes, reines Wasser, der wird Gott sehen, der wird Gott erkennen, wird ihn erfahren.

Das passiert allerdings nur dann, wenn einer nicht gelangweilt auf seinem Stuhl sitzt, sondern wenn er zuhört. Und wenn jemand hier in diesem Gottesdienst nicht zuhören kann, dann bitte er halt: "Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann lass mich doch jetzt zuhören. Gib mir ein offenes Herz."

Dann redet Jesus von einer zweiten Möglichkeit, mit dem Wort Gottes umzugehen. Menschen glauben dem Evangelium, mit Freuden, mit Begeisterung. Aber sie glauben nur eine Zeitlang, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab (Lukas 8,13).

Natürlich ist es schön, wenn Menschen vom Wort Gottes begeistert sind. Es sagt uns ja etwas Besonderes, was wir anderswo nicht hören wie: Es gibt einen lebendigen Gott, der mit uns wirklich redet, der in unser Leben eingreift, mit dem ich Wunder erleben kann, der mir hilft und beisteht und eine wunderbare Zukunft bei ihm in der Ewigkeit verspricht. Solche Aussagen sind ja wirklich atemberaubend. Wir, die wir diese Wahrheiten oft genug gehört haben, haben uns nur daran gewöhnt. Aber eigentlich müssten wir jedes Mal ganz große Augen kriegen, wenn wir von diesem wunderbaren Evangelium hören.

Aber Begeisterung ist nicht alles. Unser Christsein braucht auch Tiefgang. Sonst geht es irgendwann einmal kaputt. Das Wort Gottes sagt uns nicht nur Liebliches, Schönes, Wohltuendes, sondern auch Hartes und Wehtuendes. Es sagt uns nicht nur: Jesus hat dich lieb, so wie du bist. Sondern es sagt uns auch: Du kannst aber nicht so bleiben, wie du bist. Es legt auch die Finger auf die offenen Wunden unseres Lebens. Es zeigt uns auf: Da und da und da stimmt es nicht. Das muss anders werden! Das Wort Gottes hat auch etwas Hartes und Unangenehmes an sich.

Ein junger Afrikaner aus dem Kongo nahm einmal an einer Bibellesung in seiner Muttersprache teil. Danach bat er den Missionar, ihm das Buch zu leihen, er wolle es mit in sein Dschungeldorf nehmen und seinen Angehörigen daraus vorlesen. Als der Missionar ihn fragte, was ihm denn an dem Buch so gefallen habe, antwortete er: „Es macht Löcher in mein Herz.“

Er sagte also nicht: Es verschafft mir feierliche und erhebende Gefühle. Sondern es macht Löcher in mein Herz. Es dringt in mich ein, tut mir weh, aber es tut mir gut. Deshalb möchte ich mehr davon hören. Das Wort Gottes hat zwar etwas Beunruhigendes an sich. Aber es will nicht vernichten, sondern aufrichten und helfen. Es ist mit dem Skalpell eines Chirurgen vergleichbar. Es verletzt, aber nur deshalb, um einen Patienten gesund zu machen.

Und Gott selber kann uns auch wehtun, Dinge in unserem Leben geschehen lassen, die nicht einfach zu verstehen und zu verkraften sind. Dann ist das Leben als Christ auf einmal nicht leicht, sondern schwer, mühsam. Gott will letztlich durch diese Geschehnisse unseren Glauben vertiefen und uns umso näher zu ihm hinziehen. Aber wer meint, dass es einen als Christ immer gut gehen muss, der wendet sich dann enttäuscht vom Glauben ab.

Die Dritten, so sagt Jesus, hören das Wort, sie glauben es. Alles scheint in Ordnung zu sein. Aber noch eine andere Saat geht in ihrem Herzen auf. Sorgen, Reichtum und Freuden des Lebens ersticken den guten Samen des Wortes Gottes.

Was Jesus da nennt, Sorgen, Reichtum und Freuden des Lebens sind Killer des Glaubens. Das sind drei Supermächte, die einen Menschen ganz und gar beherrschen wollen und so den Glauben verdrängen und ersticken wie Unkraut den guten Getreidesamen. Wer sich andauernd Sorgen macht, der vertraut nicht Jesus. Sondern er glaubt seinen düsteren Gedanken, die ihn nur unglücklich machen und von Gott wegbringen. Wer sich Sorgen macht, für den ist Gott weit weg, klein und ohnmächtig.

Materieller Reichtum hat auch eine Sogwirkung, die einen von Gott wegzieht. Wer reich ist, steht in Gefahr, dass sein Besitz sein Herz gefangen nimmt. Je mehr einer hat, desto größer wird die Gefahr, dass er hartherzig und geizig wird, dass seine Gedanken immer mehr darum kreisen, wie er zu noch mehr Reichtum kommt. Das Geld ist zu seinem Abgott geworden.

Dann gibt es noch die Jagd nach Vergnügen, zweifelhafter Art wie den Konsum von Sexfilmen um Mitternacht oder das Anklicken von Pornoseiten im Internet. Oder scheinbar harmloser Art: Harmlose Hobbys, Sport, Treffen in Vereinen. Gott gönnt uns solche harmlosen Vergnügungen. Aber es besteht eine Gefahr: Wenn sie uns wichtiger werden als Gottes Wort. Wenn alle privaten Interessen Vorrang haben, etwa vor dem Besuch eines Gottesdienstes oder vor dem Lesen der Bibel. Wenn wir diese Gefahr bei uns erkennen, kann uns ein Wort von Jesus mahnen und Mut machen: "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit. So wird euch solches alles zufallen."

Vielleicht ist der eine oder die andere unter uns nun etwas verzagt und denkt: Ich kenne diese Mächte ja auch im Leben, Sorgen, Reichtum und Freuden des Lebens. Ich kenne auch das Oberflächliche und Gleichgültige in meinem Leben. Wie soll das je anders werden?

So verständlich diese Gedanken auch sind: Niemand braucht an die nicht zu bezwingende Macht der Sünde und Schuld glauben. Glaube vielmehr daran, dass das Wort Gottes sich letzten Endes in deinem Leben durchsetzen wird. Wir brauchen nur Geduld, dass Gott den guten Samen des Wortes Gottes, den er in unser Leben hineingesät hat, auch aufgehen lässt.

Ein junger Bauer darf zum ersten Mal in seinem Leben Weizen säen. In den nächsten Tagen beschäftigen sich seine Gedanken nur mit diesem Weizen. Wie würde das Saatgut wohl stehen? Mit jedem Morgen wird er unruhiger. Weil ihm die Saat zu lange im Boden war, ging er eines Morgens zu seinem Feld und fing an zu graben. Was sah er nun? Der ganze Weizen war scheinbar im Boden zu Matsch geworden. War das nun das Ende des Samens?

Aber nein! Eines Morgens sah er den grünen Schimmer einer erwachenden Frühlingswiese. Der Same war nicht tot, sondern lebendig und brachte zur gegebenen Zeit Frucht.

Das, was Gott in dich durch sein gutes Wort hineingelegt hat, ist auch nicht tot. Es ist lebendig. Es wird Frucht bringen. Es wird sich durchsetzen gegen alle Widerstände in uns und um uns. Hab nur ein wenig Geduld, so wirst du es erfahren.

Das Wort Gottes hat in sich eine erstaunliche Kraft. Es enthält das ganze volle Leben und Wachsen. Es braucht nur in ein Herz und Leben gelegt werden, um seine Kraft auch zu entfalten. Wo dies der Fall ist, wo sich ein Herz für das Wort öffnet, da wird es auch seine Früchte hervorbringen. Ganz gewiss. Amen