Bayreuth, den 01.04.2021 Philipper 2,5-11

Liebe Gemeinde! 

Wichtige, wie ich meine! Wer ist mein Vorbild? Da gibt es viele Antworten darauf: Bekannte Personen, ob es Fußballer, Sängerinnen, Filmstars, Youtuber, Politiker sind. Diese Vorbilder ändern sich im Laufe der Jahre meist sehr schnell. Viele nennen ihre Eltern oder auch Freunde. Und Manche haben gar keine Vorbilder.

Persönlicher ist die Frage: Wem will ich gefallen? Das können ja nur Menschen im persönlichen Umfeld sein: Jemand, in den ich verliebt bin, der mein Freund ist oder dessen Freund ich sein möchte oder jemand, von dem mir etwas erwarte, wie gute Noten von meinem Lehrer oder eine gute Meinung meines Chefs. Manche Menschen wollen allen gefallen. Das ist natürlich sehr anstrengend oder gar ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Chamäleon soll ja die Farbe seiner Umgebung annehmen können. Der Schriftsteller Mark Twain soll einmal so ein Chamäleon auf einen bunten Teppich gesetzt haben. Es versuchte alle Farben des Teppichs anzunehmen. Doch vergeblich! Das arme Tier starb an Überanstrengung.

Damit wären wir schon bei der Frage: Bin ich echt oder Fake? Wer allen gefallen will, der kann nicht echt sein. Der hat keinen festen Standpunkt. Der lässt sich verbiegen und sich für andere Zwecke einspannen, nur nicht für seine eigenen. Überhaupt: Anderen gefallen wollen ist oft Fake. Da schleimt man sich bei anderen ein, weil man sich einen Vorteil davon erwartet.

Oftmals verbergen wir unsere echten Gefühle, um in der Meinung der anderen nicht abzusacken. Da machen wir einen auf witzig und fröhlich. Aber eigentlich sind wir tottraurig. Da spielen wir den Coolen und Überlegenen – und sind doch sehr unsicher. Wer so cool tut, ist in der Regel sehr verletzlich. Und wer angibt, fühlt sich als im Leben zu kurz gekommen. Sonst hätte er seine lautstarken Sprüche gar nicht nötig. Da spielen wir die Fromme, weil wir in unserem frommen Kreis nicht anecken wollen. Aber eigentlich sind wir voller Zweifel und Kritik.

Warum tun wir das eigentlich? Das hängt mit unserer Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe zusammen. Wir brauchen Menschen, die uns lieben. Aber, so lautet ja die vorletzte Frage: „Habe ich jemanden, der mich wirklich mag?“

Wer liebt dich? Wer bewundert dich nicht nur, weil du so toll aussiehst, weil du so coole Sprüche drauf hast, weil du so sportlich bist oder in der Schule oder im Beruf erfolgreich bist?

Wer liebt dich, wie es in einem Lied von Manfred Siebald heißt ..nach Abzug deiner Stärken? Wer liebt dich, auch wenn du nicht mehr funktionierst? Wer jubelt einfach, weil du da bist, sei‘s auch nur als stummer Gast? Wer fragt nicht erst, was du weißt und was du kannst und was du hast? Wer liebt dich?

Die Zahl derer, die dich lieben, so akzeptieren, wie du bist, dürfte klein sein. Vielleicht es nur einer, deine Mutter vielleicht oder ein sehr vertrauter Mensch. Oder solltest du wirklich niemanden haben, der dich liebt, so wie jener 16jährige Junge? Der erklärte seinem Pfarrer: „Ich habe keinen Menschen.“ Der Pfarrer: “Rede keinen Unsinn! Du hast doch deinen Vater!“ „Ach, der Alte!“ antwortet er, „der kommt nachmittags um fünf Uhr nach Hause, schimpft ein bisschen, isst und geht wieder weg.“ „Und deine Mutter?“ „Ach, die hat so viel um die Ohren. Die kann sich um mich nicht kümmern!“ „Und deine Arbeitskameraden?“ „Das sind Kollegen, sonst nichts! Ich habe keinen Menschen, dem ich mein Herz ausschütten könnte.“

Und selbst, wenn das so wäre, wenn du wirklich keinen haben solltest, der dich liebhat oder nur Mitleid mit dir hat, gibt es doch einen, der dich liebt und dessen Liebe du erfahren und dich erfüllen kann. Das ist Jesus. Von dessen Liebe wollen wir heute etwas mehr hören.

In den Worten, die der Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde in Philippi schreibt, wird sie so beschrieben. Wir finden diese Worte im 2. Kapitel, Vers 5 bis 11:

"Orientiert euch an Jesus Christus: Obwohl er Gott in allem gleich war und Anteil an Gottes Herrschaft hatte, bestand er nicht auf seinen Vorrechten. Nein, er verzichtete darauf und wurde rechtlos wie ein Sklave. Er wurde wie jeder andere Mensch geboren und lebte als Mensch unter uns Menschen. Er erniedrigte sich selbst und war Gott gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott auch herrlich zu sich erhoben und ihm den Namen gegeben, der über allen Namen steht. Vor Jesus werden sich einmal alle beugen: alle Mächte im Himmel, alle Menschen auf der Erde und alle im Totenreich. Und jeder ohne Ausnahme soll zur Ehre Gottes, des Vaters, bekennen: Jesus Christus ist der Herr!"

Zugegeben: Das Wort „Liebe“ kommt in dem Text nicht vor. Aber unausgesprochen fast in jedem Satz. Jesus lebte genau das Gegenteil von dem, wie wir Menschen es gerne haben möchten. Wir wollen ja hoch hinaus, etwas werden. Das Großwerden - Wollen steckt in uns allen tief drin. Wenn man kleine Kinder fragt: "Wie groß bist du?" reißen sie ihre Arme weit nach oben, auch wenn sie noch gar nicht recht reden können. Jeder will vorwärtskommen, befördert werden, gelobt, anerkannt, erfolgreich sein. Es gibt doch keinen, der gerne verachtet werden möchte.

Möglichst weit vorne mitmischen wollen. Ja nicht "unter ferner liefen" rangieren. Denn die ganz hinten dran beachtet ja keiner. Darum lässt Bert Brecht den Leierkastenmann in seiner "Dreigroschenoper" singen: "Und die einen sind im Dunkel, und die andern sind im Licht, doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkel sieht man nicht." - Das ist unsere Welt. Wir wünschen uns Beachtung und Applaus. Wir stecken Menschen in Schubladen. Wir beurteilen sie nach ihrem Aussehen, lassen uns blenden und blenden andere.

Aber Jesus war nicht so. Er sieht das Herz an. Er durchschaut uns. Aber er liebt uns trotzdem.

Wir hören das Lied: Gott sieht das Herz an

Jesus ging freiwillig ins Dunkel. Er war bereit, verachtet, übersehen, in die Ecke gedrängt, verspottet und angespuckt zu werden. Ein unvergleichlicher Abstieg! Freiwillig! Wie wäre das, wenn ein Chef freiwillig den Platz eines Hilfsarbeiters einnimmt, wenn ein Millionär seine Millionen verschenken und als Bettler leben würde, wenn einer auf all seine Titel verzichten und als einfacher Mensch leben würde? Das wäre doch ganz und gar ungewöhnlich und sensationell.

Und nun wird Gott ein Mensch und steigt so tief herab, dass es tiefer nicht mehr geht. Unfassbar und unbegreiflich! Aber nun ist ihm nichts Menschliches mehr fremd. Nun gibt es keinen Hunger, den er nicht kennt, keinen Durst, den er nicht erlitten hätte, keinen Schmerz, der ihm nicht wehgetan hätte, keine Einsamkeit, die ihm fremd wäre, keine Versuchung, die er nicht gekannt hätte, - allerdings ohne selbst zu sündigen.

Er hat das Dunkel kennengelernt. Er weiß auch, wie dir und mir zumute ist, wenn wir im Dunkeln stehen. Und er übersieht uns nicht, keinen einzigen, auch wenn er noch so unscheinbar ist oder noch so schuldig und verkehrt. Vielmehr nimmt er uns ganz genau in unserer Not wahr und will uns helfen.

Das nenne ich Liebe, wenn einer so handelt, und zwar grenzenlose Liebe. Unsere Liebe hat ihre Grenzen. Wir lieben die Liebenswerten, die Freundlichen, die Netten. Von den anderen, den Unsympathischen, den Unfreundlichen, den Ekeltypen, wollen wir nichts wissen. Unsere Liebe kann auch große Opfer bringen. Aber wenn wir enttäuscht werden, dann schlägt Liebe in Ablehnung, manchmal sogar in Hass um.

Die Prinzen haben vor ein paar Jahren gesungen “Du musst ein Schwein sein in dieser Welt, du musst gemein sein in dieser Welt”. Das ist das Geheimnis des Erfolges. Und viele praktizieren das ganz cool. Kann man Menschen auch noch lieben, wenn sie wie Schweine sind?

Wir Menschen in der Regel nicht. Aber Jesus schon. Das Größte an seiner Liebe ist, dass er sich überhaupt keine Illusionen über uns macht. Er kennt die dunkelsten und miesesten Gedanken, Worte und Taten in unserem Leben. Und er wendet sich nicht angeekelt ab. Er weiß, wie ernst die Lage ist. Um uns aus der Hölle unserer Lieblosigkeit herauszuholen, reichen nicht ein paar nette Worte. Er übernimmt unser Lebensschicksal. Gott wird Mensch in Jesus Christus, aus Liebe zu uns. Er stirbt den Tod, den wir im Gericht des heiligen Gottes eigentlich verdient haben. Er liebt uns grenzenlos.

Der erste Empfänger seiner rettenden Liebe ist der Terrorist, der mit ihm hingerichtet wird: “Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.” So sagt er es ihm zu. Die nächsten Adressaten sind nach seiner Auferstehung seine Anhänger. Obwohl sie ihn vor seiner Kreuzigung im Stich gelassen haben und feige geflohen waren, liebt er sie trotzdem, vergibt ihnen und macht sie zu seinen Mitarbeitern.

Wie groß ist der Radius unserer Liebe? Wir lieben die, die zu uns gehören, weil uns das auch wieder Vorteile bringt. Gott hat die Welt geliebt, jeden einzelnen Menschen. Und wir belauern uns misstrauisch. Jeder ist sich selbst der Nächste. Doch Gott ist anders. Seine Liebe ist grenzenlos.

Und sie ist auch grenzenlos mächtig. So mächtig, dass sie alles besiegen kann, sogar den Tod. Jesus kam aus der Ewigkeit und kannte kein Leid, keine Schmerzen und musste so einen furchtbaren, dreckigen Tod am Kreuz sterben. Tiefer geht es nicht mehr! Doch dann kam der Ostermorgen. Als der strahlende Sieger über den Tod erhebt er sich aus dem Grab. Unglaublich, aber wahr! Seine Jünger sahen ihn, betasteten ihn und begriffen: Er ist wirklich auferstanden! Wo sie nur konnten, verbreiteten sie diese Nachricht: Jesus ist der Herr auch über den Tod! Mächtiger geht es nicht mehr!

Für dieses Geschehen der Auferstehung hinkt jeder Vergleich. Denn das gab es vorher und nachher nie, dass einer wie Jesus von den Toten auferstand. Jesus hat zwar selber Tote auferweckt. Aber diese Personen mussten ja trotzdem noch einmal sterben. Der Tod war nur aufgeschoben. Aber über Jesus hatte der Tod gar keine Macht mehr.

Seitdem Jesus von den Toten auferstanden ist, dürfen wir eines wissen: Es gibt keine hoffnungslosen und aussichtslosen Lagen mehr. Denn Jesus ist immer stärker. Er ist stärker als alles Leid, alle Krankheit, alle Schuld, jede Sucht und auch stärker als der Tod. Wenn er sogar den Tod besiegt hat, gibt es keine Macht der Welt, mit er nicht fertig werden könnte.

Ein atemberaubender Lebensweg, den Paulus hier schildert, der Weg von Jesus. Dieser Weg fing in der Ewigkeit an, ging herab in diese Welt, als Jesus Mensch wurde. Noch tiefer hinab führte ihn sein Tod am Kreuz. Tiefer ging es nicht mehr. Doch dieser Tiefpunkt war der Wendepunkt. Gott erhöhte seinen Sohn, als er ihn von den Toten auferweckte. Schließlich endet Jesu Weg dort, wo er anfing. Bei der Himmelfahrt ging er wieder zurück zu seinem Vater in die Ewigkeit.

Das ist aber noch lange nicht alles. Paulus fordert seine Leser auf, diesen Weg von Jesus mitzugehen. Das klingt zunächst einmal heftig. Denn dieser Weg heißt ja Verzicht, die Bereitschaft, auch einmal auf sein Recht zu verzichten, es heißt Menschen nicht zu verachten, auch wenn man ihr falsches Spiel durchschaut.

Es ist sicher kein einfacher Weg. Das muss ganz ehrlich gesagt werden. Denn es ist ein Weg, auf dem nur eines zählt: Der Gehorsam Gott gegenüber. Aber das ist ein Weg, den Gott segnet.

Es ist ein Weg der Liebe, der selbstlosen Liebe zu Gott und seinen Mitmenschen, dass ich bereit bin, wie Jesus Christus auf manche Annehmlichkeit zu verzichten, so wie er es ja auch tat. Er machte es gern, nicht mit zusammengebissenen Zähnen. Warum? Er lebte immer in dem Bewusstsein, von Gott geliebt, von ihm angenommen zu sein.

Genauso können wir auch leben. Überleg dir einmal: Da gibt es einen, der weiß zwar, wie du bist: Ganz und gar nicht so lieb, wie du sein solltest, ganz und gar nicht ihm gehorsam, sondern oft höchst eigensinnig. Aber der liebt dich trotzdem. Der vergibt dir, wenn du seine Vergebung haben willst. Der liebt dich trotzdem, auch wenn du noch so lieblos bist. So eine Liebe muss einen doch bewegen und umhauen. Und einen dazu bewegen, dass man selber auch so lieb sein will wie dieser Jesus Christus.

Christsein heißt nicht, sich zu bemühen, dass man so wird wie Jesus Christus. Sondern es heißt erst einmal zu erkennen, dass ich eben nicht diese Einstellung wie er habe. Ich bin kein wunderbares, herrliches Gefäß für die Liebe Gottes. Ich bin eher ein Scherbenhaufen, der am Boden liegt. Aber dieser Scherbenhaufen fängt an zu funkeln, wenn die Sonne auf ihn fällt. So werde ich auch verändert, lieber, freundlicher, wenn die Liebe Jesu in mein Leben fällt.

Bitte ihn doch um die Erfahrung seiner Vergebung und Liebe, nicht nur einmal, immer wieder, und du wirst dich wundern, was er aus deinem Leben macht!

Amen