Bayreuth, den 04.04.2021 - Matthäus 28, 1-10

Liebe Gemeinde!

Das berühmteste Grab der Weltgeschichte ist zweifellos das Grab Jesu. Es befindet sich aller Wahrscheinlichkeit nach in einer Kapelle in der Grabeskirche in Jerusalem. Zumindest spricht sehr viel dafür. Ich konnte es einmal vor Jahren besichtigen. Der Andrang der Touristen war groß. Es dauerte, bis ich in die Kapelle hineindurfte. Ich sah eine Marmorplatte auf dem Grab. Darüber jede Menge Lampen und Verzierungen. Nichts, aber auch gar nicht erinnerte an das Grab, so wie es die Bibel schilderte. Ein paar Sekunden konnte ich mich umschauen. Dann ertönte schon das „Come on, come on“ des Aufpassers in der Kapelle. Schließlich wollten noch andere das Grab Jesu sehen. Kein heiliger Schauer lief mir über den Rücken. Keine besonderen Gefühle – außer Enttäuschung.

Hier soll also das Zentrum der Weltgeschichte gewesen sein, der Ort der Auferstehung Jesu, der Platz, an dem der Sohn Gottes sich als Sieger über den Tod erwiesen hat? Das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.

Ich denke an die Frauen am Grab Jesu. Wir haben von ihnen eben im Predigttext gehört. Diese haben sich beim Grab Jesu auch etwas Anderes erwartet. Es zog sie hin zu diesem Grab, allerdings nicht aus Neugierde wie die vielen Touristen, die die berühmte Sehenswürdigkeit in der Grabeskirche in den letzten Jahrhunderten besichtigten. Nein, sie wollten dem Leichnam ihres geliebten Herrn die letzte Ehre erweisen. Sie wollten ihn mit kostbaren Salben einbalsamieren, noch einmal Abschied nehmen, ihrer Trauer Ausdruck verleihen. Aber zum Trauern kamen sie gar nicht. Was sie erlebten, war ein Schock. Der Stein vor der Grabeshöhle war weggewälzt. Nicht von Menschen, sondern von einem Engel. Dieser saß auf dem Stein. Die römischen Soldaten, die das Grab bewachen sollten, rührten sich nicht. Sie waren in einer Art Schockstarre. Was war nur los? Was war denn passiert? Die Frauen waren vollkommen verwirrt. Der Engel klärte sie auf: Jesus ist nicht mehr hier. Er ist auferstanden. So hat er es euch doch vorhergesagt. Schaut euch den Platz an, wo er gelegen hat. Dann geht zu seinen Jüngern, und erzählt, was ihr gesehen und gehört habt.

Das Grab war also leer. Es war nicht voll, wie manche moderne Theologen behaupten. Jesus ist nicht im Grab verwest. Unmöglich. Die Jünger erzählten ja: Jesus ist auferstanden. Wir haben ihn gesehen. Wir haben ihn berührt. Er hat mit uns geredet. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Behauptung zu widerlegen. Man hätte ja nur zum Grab gehen müssen, um nachzuschauen, ob die Leiche von Jesus noch drinnen lag. Das war aber nicht der Fall. Das Grab war leer. Natürlich war die Leiche auch nicht von den Jüngern gestohlen. Sie waren keine abgebrühten Lügner, die behaupteten, Jesus sei auferstanden, obwohl dies gar nicht der Fall war. Nein, Jesus war auferstanden. Das ist die plausibelste Erklärung für das leere Grab.

Die Frauen in unserem Predigttext zogen nun die logische Konsequenz: Wir haben hier nichts mehr zu suchen! So sehr es sie vorher zu dem Grab hingezogen hat, zog es sie nun wieder weg. Weg, nur weg von diesem Ort, so schnell sie konnten! Es war keine Flucht aus Panik. Sie empfanden kein Grauen, wohl Furcht, aber gepaart mit Freude. Jesus war nicht mehr in diesem Grab. Sie glaubten den Worten des Engels. Jesus lebt. Er war auferstanden. Ihre geplanten Trauerrituale hatten keinen Sinn mehr. Deshalb fort von dem Grab. Jesus lag ja nicht mehr drin.

Weg vom Grab, so handeln viele Menschen heute auch, allerdings aus anderen Gründen wie die Frauen. Sie meiden Friedhöfe. Denn sie sind für sie unheimliche Orte, besonders an dunklen und nebligen Tagen. Gräber erinnern an die Vergänglichkeit des Daseins. Und daran wollen viele Menschen nicht erinnert werden.

Weg vom Grab heißt dann: Weg von den Gedanken an Sterben und Tod. Wir moderne Menschen sind Meister in der Verdrängung des Todes geworden. Früher war es peinlich über Sex zu reden. Heute ist es ein Tabuthema geworden, über den Tod zu reden. Warum nur? Weil wir unser Leben genießen wollen. Der Tod ist ein peinliches, fast unanständiges Ereignis, von dem wir nichts wissen wollen, über das wir nicht reden wollen. Natürlich wird gestorben, massenweise sogar. Aber der Tod ist doch weit weg. Irgendwie betrifft er nur die anderen oder passiert in den Krimis. Aber dass wir selber einmal sterben werden? Das ist doch undenkbar und unfassbar. Aber es ist die Wahrheit.

Ewiges Leben? Gibt es nicht! Meinen viele Menschen. Und wenn ja, dann nur als unendliche Verlängerung des irdischen Lebens. Unsterblichkeit, das ist der Traum so mancher Wissenschaftler. Vielleicht, so hoffen sie, kann man ja Tote irgendwann wieder zum Leben erwecken. Deshalb frieren sie andere Menschen auf ihren Wunsch hin nach ihrem Tod sofort ein, in der Hoffnung, dass neue Technologien sie irgendwann wieder zum Leben erwecken können.

Da glaube ich doch lieber den Aussagen der Bibel. Jesus ist auferstanden. Wie die Auferstehung sich vollzog, bleibt ein Geheimnis. Aber was geschehen ist, darüber lassen uns die biblischen Zeugen nicht im Unklaren. Gott hat Jesus einen neuen, ewigen Leib geschaffen. Dieser ist nicht vollkommen anders wie der alte Leib. Sondern er ist wiedererkennbar bis in seine Wundmale hinein. Aber er ist nicht mehr gebunden an Raum und Zeit. Auch unser alter, sterblicher Leib wird bei unserer Auferstehung in einen neuen, ewigen Leib verwandelt, schreibt einmal Paulus.

Wie man das verstehen kann, kann uns eine Geschichte von Manfred Kyber verdeutlichen:

Die Regenwürmer hielten einen Kongress ab, auf dem Fragen der Bodenkultur erörtert wurden. Als dann der Kongress zu Ende war und der gemütliche Teil begann, stieß ein Regenwurm an eine Raupe. „Wer sind Sie denn?“ fragte der Regenwurm. „Ich bin Raupe von Beruf... ich bin müde, sterbensmüde.“ Die Regenwürmer gaben ihr Wissen aus ihrem reichen Erfahrungsschatz weiter und meinten, so sei das Leben, am Ende stünde der Tod. Die Raupe aber antwortete: „Ich glaube, dass man nicht stirbt. Wenn man zu müde ist und nicht mehr auf der Erde kriechen kann, verpuppt man sich, und nachher wird man ein bunter Falter. Man fliegt im Sonnenlicht und hört die Glockenblumen läuten.“

Die Regenwürmer konnten nicht glauben, was die Raupe sagte. Sie hielten sie einfach für krank. Aber auf ihre Fragen konnte die Raupe nicht mehr antworten. Aus ihr heraus spannen sich feine Fäden und spannen den verstaubten, sterbensmüden Körper ein. „Das ist ja eine schreckliche Krankheit“, sagten die Regenwürmer. Es vergingen einige Wochen. Endlich, in der Frühe eines Morgens regte sich das versponnene Ding. Ein kleiner bunter Falter kam heraus und sah mit erstaunten Augen um sich. Er hob sich in die Lüfte und tanzte im Sonnenlicht. Die Regenwürmer fanden die leere Hülle und diskutierten weiter, was das für eine sonderbare Krankheit sei. Hoch über ihnen aber sangen tausend Stimmen im Licht: „Resurrexit!“ Das heißt: Er ist auferstanden!

Ja, Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Er ist uns vorausgegangen, damit wir ihm folgen. Unser irdischer Leib vergeht. Aber Gott schenkt uns einen neuen Leib und ein unvergängliches Leben.

Vielleicht fällt es uns schwer, das zu glauben. Vielleicht haben wir Zweifel daran, dass auch wir einmal wie Jesus auferstehen werden. Das ist nur zu verständlich. Auch die Jünger hatten Zweifel an der Auferstehung Jesu. Beseitigt wurden sie durch die Begegnung mit ihrem Herrn. Endgültige Gewissheit, dass Jesus auferstanden ist, bekamen auch die Frauen am Grab erst dann, als ihnen Jesus begegnete. Gerade noch hatten sie das leere Grab gesehen. Aber nun standen sie vor dem Auferstandenen. Sie treten auf ihn zu, fallen vor ihm nieder und umfassen seine Füße. Sie konnten ihn berühren. Unfassbar! Aber doch wahr.

Die Jünger taten sich noch schwerer als die Frauen, an die Auferstehung zu glauben. Es waren halt Männer … Für manche war es ein langer Weg bis hin zum Glauben wie bei dem Jünger Thomas. Seine Freunde hatten ihm zwar erzählt: Jesus ist auferstanden. Wir haben ihn gesehen. Aber Thomas blieb skeptisch. Er konnte es nicht glauben. Erst als er dem Auferstandenen selber begegnete, fiel er vor ihm nieder und bekannte: „Mein Herr und mein Gott!“

Und heute? Wir können Jesus nicht sehen. Wir können ihn nicht anfassen. Aber trotzdem können wir ihn erfahren. Für manche ist es ein mühevoller Weg. Sie finden Jesus erst nach langen Zeiten der Skepsis und des Zweifelns, der Krankheit, Lebenskrisen oder persönlicher Schuld. Manche suchen nach Hilfe und Trost in ihrem Leben und finden sie bei Jesus, in den Worten der Bibel, in einer Predigt, durch Gespräche mit Christen oder in einem christlichen Lied, das sie anspricht. Andere suchen gar nicht, sondern werden irgendwie aufmerksam oder darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Jesus mehr ist als eine Person aus der Vergangenheit, sondern der lebendige und auferstandene Sohn, der heute noch in ein Leben eintreten kann. Menschen, die ihn brauchen, die Trost brauchen, Vergebung, Halt, Neuorientierung in einem verkorksten Leben, denen zeigt er sich, wenn sie nur offen sind für sein Angebot der Liebe. Bist du es auch? Dann wende dich im Gebet an ihn und sprich zu ihm: „Ich brauche dich! Schenke mir die Erfahrung deiner Gegenwart.“

Dann wird er sich dir zeigen. Und dann wird auch Ostern in deinem Leben, und du kannst dich so recht über die Tatsache freuen: Jesus ist da, und mit seiner Gegenwart wird alles in meinem Leben gut!

Der Journalist Markus Spieker meint: Jede Nachrichtensendung müsste mit den Worten beginnen: „Jesus ist auferstanden. Alles wird gut. Und jetzt zu dem, was sonst noch passierte…“

Heute bin ich so Art Nachrichtensprecher mit dieser immer aktuellen Nachricht: Jesus ist auferstanden. Alle anderen Nachrichten sind zweitrangig. Auch und gerade die über Corona, die seit über einem Jahr die Schlagzeilen aller Zeitungen beherrschen. Es ist so, wie mein Freund und Pfarrer Thomas Hofmann in seinem Lied dichtete: „Nein, nicht Corona gehört die Welt. ER trägt die Krone, mein Freund und Held, der zweifelsohne sich zu mir stellt: Jesus.“

„Das Leben geht dank Jesus weiter. In Ewigkeit weiter. Der Tod ist nicht der endgültige Lockdown. Die Tür zum Himmel ist weit offen. Das ist die Nachricht aller Nachrichten, alles andere verglichen damit nur unbedeutetnde Randnotizen", so Markus Spieker.

Jesus ist auferstanden. Wenn das nicht so wäre, dann müssten wir alle Gottesdienste einstellen. Dann wären sie bestenfalls Erinnerungsfeiern an einen besonderen Menschen, der aber letztlich als Versager an einem Kreuz gestorben ist. Auf solche Veranstaltungen können wir verzichten. Sie wären ohne Kraft, ohne die Gewissheit, dass er auch mit dabei ist, als der Lebendige und Auferstandene.

Eine christliche Gemeinde in Westafrika, in Ghana, macht dies durch ihre Feier von Karfreitag und Ostern sehr drastisch deutlich. Der Entwicklungshelfer Fritz Pawelzik erzählt davon in einem seiner Bücher. Diese Gemeinde hat keine große Kirche, sondern eine Wellblechhütte, die „Blechkirche“.

Sie trifft sich am Karfreitag. Alle tragen Trauerkleidung. Man erkennt sich kaum, so anders sehen alle aus. Traurige Gesänge werden angestimmt. Der Pastor sagt: „Jesus ist tot. Schluss mit der Kirche.“ Dann räumen sie ihre Kirche aus: Bänke, Bilder, Girlanden, Sprüche, Altar. Einige spucken auf den Boden. Hühner, Ziegen und die Sau des Pastors werden in die Blechkirche getrieben. Jesus ist ja tot. Kein Glaube, keine Hoffnung, keine Liebe, keine Kirche mehr – Schluss, aus, vorbei! Nur Jammer und Tränen rund um die Blechkirche.

Dann kommt die Osternacht. Die Tiere werden aus der Kirche getrieben. Sie stinkt noch nach Sau, während einige den Fußboden herrichten. Alle versammeln sich. Sie tragen ihre besten Gewänder. Ein Kirchenältester ruft: „Der Herr ist auferstanden.“ Die Gemeinde antwortet: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Jeder hat eine Kerze dabei. Sie werden an der Osterkerze entzündet. Dann schleppen die das ganze Zeug wieder rein. Die Kirche wird wieder eingerichtet, auch Instrumente werden mitgebracht und sie feiern mit Gesang und Tanz bis in den Morgen: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!

Deftig und anschaulich macht die Geschichte deutlich: Ostern kann man ohne Jesus nicht feiern. Und man kann auch keinen Gottesdienst ohne ihn feiern. Jesus tritt in unsere Mitte. Er ist auch heute da, in seinem Wort und auch im Abendmahl. Auch heute dürfen wir neu erfahren: In Brot und Wein kommt er uns besonders nahe. Als der Auferstandene kommt er in unser Leben hinein und schenkt uns das, was wir für dieses und das ewige Leben brauchen. Darauf dürfen wir uns freuen!

Amen