Bayreuth, den 23.05.2021  1. Mose 11, 1-9

1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. 5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.

Liebe Gemeinde!

In der Pfingstgeschichte geht es darum, wozu der Geist Gottes fähig ist. Er schafft eine neue Gemeinschaft aus Menschen, die nicht einmal die gleiche Muttersprache hatten: die christliche Gemeinde. Und hier in unserem Predigttext geht es darum, wozu der menschliche Geist fähig ist. Er kann bis dahin ungeahnte technische Entwicklungen verwirklichen. Aber das Ergebnis ist: Die Gemeinschaft zerbricht. Die Menschen sprechen keine gemeinsame Sprache mehr. Das Großprojekt muss abgebrochen werden. Der Turm zu Babel bleibt unvollendet.

Der Mensch strebt gerne nach oben. Schon Kinder bauen aus Bauklötzen gerne ihre Türmchen. Ich selber habe als kleiner Junge ausprobiert, wie hoch ich meine Legobausteine übereinander stapeln konnte, bevor dieser Turm wieder zusammenkrachte. Mehr als einen Meter und 50 Zentimeter waren es, glaube ich, nicht. Das war nichts gegen den babylonischen Turm. Der war wohl so um die 90 Meter hoch, damals das höchste Gebäude der Welt, dank eines revolutionären Baumaterials, gebrannten Ziegeln. Was die Menschen damals fertigbrachten, war geradezu lächerlich gegenüber den architektonischen Höchstleistungen der Moderne. Das höchste Bauwerk der Welt ist der Burj Khalifa in Dubai und ist 828 Meter hoch. Der Jedda-Tower in Saudi Arabien soll 1007 Meter hoch werden, - wenn er denn jemals fertiggestellt werden sollte.

Das sind aus menschlicher Sicht schwindelerregend hohe Monsterbauten. Aus der Sicht Gottes sind sie lächerlich klein. Mit feiner Ironie erzählt die Bibel: Gott musste gewissermaßen erstmal aus dem Himmel herunterkommen, um vor Ort das kleine Türmchen in Babel zu begutachten. Auch wenn die heutigen Türme zehnmal so hoch sind: In den Augen Gottes sind auch sie winzig klein.

Hat Gott was gegen Türme? Ist er gegen technischen Fortschritt oder gar gegen Spitzenleistungen des menschlichen Geistes? Sicher nicht. Gott hat dem Menschen den Verstand gegeben. Dieser soll sich die Erde untertan machen, heißt es im Schöpfungsauftrag. Aber dies soll im Namen Gottes geschehen, nicht in seinem eigenen Namen. Genau das war beim Turmbau zu Babel der Fall.

Es ist nicht der große Plan der Menschen, der Gottes Gericht herausfordert. Es ist das verkehrte Herz der Menschen. Sie planen ihre Zukunft ohne Gott. Ihre hohen Ziele meinen sie auch ohne ihn zu erreichen. Hier wird wieder das Gift der Schlange wirksam, die im Paradies den ersten Menschen weismachen wollte: Ihr werdet sein wie Gott. Es ist kein Bau zur Ehre Gottes, den sie planen, sondern zu ihrer eigenen Ehre. Sie wollen sich selber einen Namen machen. Und das missfällt Gott. Es ist der menschliche Hochmut, den Gott zuschanden werden lässt. Das, was die Menschen vermeiden wollten, tritt nun erst recht ein. Ihre Sprache wird verwirrt. Sie werden in alle Winde zerstreut.

Gott hat nicht Angst vor der menschlichen Konkurrenz. Es geht ihm in seinem Gericht um Schadensbegrenzung. Zerstreut können die Menschen nicht so viel kaputt machen, wie wenn sie sich einig wären. Und es steckt auch eine heilsame Demütigung in seinem Gericht. Wenn Gott dem Menschen in seinem überheblichen Handeln nicht immer wieder Einhalt gebietet, dann kommt er ja nie auf den Gedanken, dass er allein von seinem Schöpfer abhängig ist. Es geht nicht immer alles so, wie wir es uns denken, damit wir uns auf Gott besinnen.

Alle, die die Geschichte vom Turmbau lesen und hören, sollen ernüchtert werden. Sie sollen lernen: Alle Pläne, das Leben selber in den Griff zu bekommen, das Bestreben, seines eigenen Glückes Schmied zu sein, selber seine Zukunft zu planen, sind zum Scheitern verurteilt. Gott wird es nicht gelingen lassen.

Der israelische Professor Yuval Noah Harari schrieb vor einigen Jahren den Bestseller „Homo Deus“, also Gott Mensch. Er sagt voraus, dass moderne Technologien dem Menschen gottgleiche Fähigkeiten verleihen werden. Aufgrund der Aussagen der Bibel sage ich nun voraus: Soweit wird es Gott nicht kommen lassen. Kein Baum wächst bis in den Himmel. Ehrgeizige Projekte, die Gott seine Ehre nehmen wollen, lässt er nicht gelingen.

Der Mensch darf selbstbewusst seine von Gott gegebenen Gaben entwickeln und gebrauchen. Ich denke an den genialen Komponisten Johann Sebastian Bach. Kaum einer hat großartigere Musikwerke geschaffen wie er. Aber er unterschrieb seine Kompositionen mit SDG, „Soli Deo Gloria“, also „allein zur Ehre Gottes.“

Aber es gibt eben auch ein überzogenes Selbstbewusstsein, einen Stolz, eine Arroganz, die sich nichts sagen lässt, weder von Menschen und auch nicht von Gott. Es ist eine Haltung derer, die meinen, sie haben alles, was sie im Leben erreicht haben, sich selbst zu verdanken. Es liegt kein Segen auf dem Leben derer, die sich ständig selber auf die Schulter klopfen, die sich vor keiner höheren Instanz verantwortlich fühlen, die letztlich nur das tun, was ihnen selber gefällt. Um das Volk steht es schlecht, dessen Elite in der Wirtschaft, Politik, Forschung und Wissenschaft sich nicht mehr vor Gott verantworten möchte.

Es waren einmal vier Brüder, so erzählt eine altindische Geschichte, die hatten sich ungewöhnliche Fertigkeiten erworben. Der erste konnte aus einem Knochensplitter eines Geschöpfes das dazugehörige Fleisch schaffen, der zweite konnte ihm Haut und Haare wachsen lassen, der dritte alle Glieder und der vierte konnte dieses Wesen zum Leben erwecken. Nun wollten sie ihr Können erproben und suchten ein Knochenstück. Wie das Schicksal so spielte, fanden sie einen Löwenknochen. Tatsächlich konnten sie daraus einen Löwen erschaffen. Aber sobald die Bestie lebendig wurde, stürzte sie sich auf ihre Schöpfer und tötete sie.

Eine alte Geschichte, aber ich finde sie fast beklemmend aktuell. Unsere Wissenschaft hat ja schon beinahe unheimliche Fortschritte gemacht. Denken wir nur an die moderne Gentechnologie. Aber eine Wissenschaft, die sich vom Schöpfer des Lebens löst, wird eines Tages ihre eigenen Schöpfer auffressen.

Ein Blick in die Geschichte, nehmen wir nur die letzten 75 Jahre seit 1945, bestätigt das. Wie viel Hochmut von einzelnen Menschen, von Völkern und Gruppen, ist während dieser Zeit zu Fall gekommen! Deshalb möchte man laut in die Labors der Forscher und die Hörsäle der Universitäten, aber auch in die Parlamente und Parteizentralen rufen: „Vergessen Sie nie Ihre Verantwortung vor der letzten Instanz, vor Gott! Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen, denen, die sich bewusst unter seine Hand stellen, gibt er Gnade.“

An den Folgen der Geschichte vom Turmbau zu Babel tragen wir heute noch. Gott verwirrte die Sprachen. Dies bedeutet nicht nur, dass es ein Gewirr von Sprachen gibt und wir sogar im deutschen Sprachraum uns harttun, einen Ostfriesen oder einen Schweizer zu verstehen. Und ein Nichtfranke, der unsere Gegend besucht, nimmt verwundert zur Kenntnis, dass bei uns die „Hasen ‚Hosen’ hasen und die Hosen ‚Husen’ hasen“. Die Sprachverwirrung reicht tiefer und ist mit Lexika nicht zu beheben. Den Männern unter uns wird es sicher schon so ergangen sein, dass sie manchmal nicht verstanden, was ihre Frauen ihnen sagen wollten. Und den Frauen unter uns ging es sicher umgekehrt mit ihren Männern nicht besser. Es gibt Verständigungsschwierigkeiten zwischen Jung und Alt und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.

Als Student saß ich bei manchen Professoren mit offenem Mund in den Vorlesungen. Ich staunte über die Fähigkeit, sich so kompliziert auszudrücken, dass man garantiert nichts mehr verstand.

Ähnlich kann es ja auch Pfarrern gehen, dass sie nicht mehr verstanden werden, worum es ihnen eigentlich geht. Es gibt Verständigungsschwierigkeiten zwischen Prediger und Predigthörer, die kann man beheben, wenn der Pfarrer ein bisschen verständlicher spricht und die Gemeinde ein bisschen besser aufpasst.

Aber es gibt Verständigungsschwierigkeiten, die liegen tiefer. Da kann einer eine noch so gute und interessante Predigt halten, aber dem Zuhörer erscheint sie langweilig, weil sie ihn nicht trifft und bewegt. Dieses Wunder, dass die Verkündigung lebendig wird, ja noch mehr, dass Gott durch sie zu mir spricht, kann ich nicht machen. Prediger und Gemeinde können nur um den Geist Gottes beten. Dann kann es geschehen, dass ich verstehe und auch glaube, was Gott durch die Verkündigung mir zu sagen hat.

An Pfingsten ist dieses Wunder ja eingetreten. Da hält der Apostel Petrus auf dem Marktplatz von Jerusalem eine Predigt. Und alle können sie verstehen, was er sagt, und zwar in ihrer Muttersprache, nicht nur die Juden, sondern auch die Parther und Meder, die Ägypter und Araber und wie sie alle hießen. Und noch viel mehr geschieht als dieses Sprachenwunder. Das eigentliche Wunder ist, dass sie alle die Botschaft von dem Namen, der über alle Namen ist, verstehen. Es ist der Name von einem, der sich keinen Namen machen wollte, so wie die Menschen, die den Turm von Babel bauen wollten. Er war bereit, sich total zu erniedrigen, bis zum Tod am Kreuz. Doch gerade deshalb hat ihn Gott erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. So steht es im Philipperbrief. Es ist ein Name, von dem eine Macht ausgeht, wenn er angerufen wird. So haben es viele Menschen auch erlebt, die ihn Not nur diesen einen Namen „Jesus!“ gerufen haben.

Auch als Petrus in seiner Pfingstpredigt diesen Namen nennt, passierte etwas. Es kommt zu einer Bewegung unter seinen Zuhörern. Es trifft sie ins Herz, als der Apostel von dem gekreuzigten Jesus spricht. Und sie ziehen Konsequenzen aus dem gehörten Wort. Etwa 3000 Menschen wollen Vergebung ihrer Sünden, ein neues Leben anfangen und lassen sich deshalb taufen.

Überall dort, wo Menschen unter der Verkündigung des Wortes Gottes ihre Sünden erkennen, bereuen und bekennen und die Vergebung glauben, wiederholt sich das Geschehen von Pfingsten. Auch da, wo Menschen etwas von der Macht des Namens Jesu spüren, ist der Geist Gottes wirksam geworden.

Nur wenn ich mit diesem Geist Gottes rechne und um sein Eingreifen bitte, kann auch etwas von einer Predigt ausgehen, kann auch erst etwas in einer Gemeinde geschehen und aufbrechen.

Auch eine Gemeinde kann ich nicht bauen: durch ein paar gute Predigten, ein paar gute Ideen und tüchtige Mitarbeiter. Sicher segnet Gott nicht die Faulheit. Aber das Entscheidende muss Gott tun. Ich kann nur Gott vertrauen und um seinen Geist bitten, dass er Menschen anrührt, sie zur Umkehr und zum Glauben an Jesus Christus bewegt. Ich kann das alles nicht planen. Es ist ein Geschenk, wenn in einer Gemeinde dies geschieht. Wenn dem nicht so wäre, dann könnten wir ja auch den Bau einer Gemeinde unserer eigenen Tüchtigkeit zuschreiben. Dann würden wir auch einen neuen Turm von Babel bauen, in dem es nur um unsere eigene Ehre geht.

In einer Gemeinde Jesu geht es ganz und gar um Gottes Ehre. Das verbindet die Glaubenden auch untereinander. Wenn es jedem nur um sich selbst geht, dann ist keine Gemeinschaft möglich. Auch wenn es Christen um sich selbst geht, zerbricht die Gemeinschaft. Da treten auch unter Christen, bitter genug, Trennungen und Abspaltungen auf.

Gott will nicht trennen, sondern verbinden und versöhnen. Was uns verbindet, so merkwürdig es klingt, ist die Tatsache, dass wir alle miteinander Sünder sind, - Ist doch keiner besser wie der andere! - und dass wir Vergebung erfahren haben. Die gemeinsam erfahrene Vergebung schließt uns zu einer tiefen Gemeinschaft zusammen, die sonst nicht möglich wäre. Uns trennt ja nicht nur die Schuld voneinander, sondern auch unsere unterschiedlichen Interessen, Bildung, das Alter oder der soziale Stand. Die gemeinsam erfahrene Liebe Jesu macht diese Unterschiede zur Nebensache. Da kann es wirklich geschehen, dass ganz verschiedene Menschen sich doch verstehen, weil sie eben Christen sind.

Die Gemeinde Jesu Christi, das heißt, die Menschen, die wirklich glauben, dass ihre Schuld um Jesu willen vergeben ist, ist das Modell für eine neue Gemeinschaft. Nicht, dass diese Christen fehlerlos und vollkommen wären. Sie erkennen täglich neu ihre übergroße Schuld, die oft wie ein Berg vor ihnen liegt. Aber sie wissen um den, der diesen Berg abträgt, der Schuld vergibt, und sie trauen ihm zu, dass er ihr Leben noch ganz und gar in seine Hände nimmt und es erneuert. Die Zukunft gehört nicht den Menschen, die ihr Leben in ihre Hände genommen haben. Sie gehört Christus und allen, die ihm ihr Leben anvertrauen. Deshalb können wir gar nicht froh genug sein, wenn wir solche Christen sind und zu einer Gemeinschaft von solchen Christen gehören.

Amen