Bayreuth, den 13.06.2021 Matthäus 22,1-14

1 Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: 2 Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. 3 Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu rufen; doch sie wollten nicht kommen. 4 Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! 5 Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. 6 Die Übrigen aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. 7 Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. 8 Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. 9 Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. 10 Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, alle, die sie fanden, Böse und Gute; und der Hochzeitssaal war voll mit Gästen. 11 Da ging der König hinein zum Mahl, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, 12 und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte. 13 Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn in die äußerste Finsternis! Da wird sein Heulen und Zähneklappern. 14 Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.

 

Liebe Gemeinde!

Mal endlich seine Hochzeit feiern können! Das ist der sehnliche Wunsch von so manchem Paar, das ich kenne. Die beiden haben vielleicht schon standesamtlich geheiratet, aber das Fest ihrer Liebe, die kirchliche Trauung mit einer anschließenden großen Einladung konnte noch nicht stattfinden. Die Brautleute rechnen ja mit vielen Gästen, die dann kommen werden, mit vielleicht hundert Leuten oder noch mehr. Aber mit so vielen Menschen zu feiern ist zurzeit nicht so einfach.

In der Geschichte, die ich vorgelesen habe, geht es auch um eine Hochzeit, eine ganz besondere sogar. Ein Prinz heiratet. Sein Vater, der König, lädt dazu ein. Ist doch ganz klar, dass da jeder, der es irgendwie möglich machen kann, kommt. Müsste man meinen. So ein Ereignis lässt man sich doch nicht entgehen. Wann wird man schon zu einer Hochzeit des Hochadels eingeladen? Da geht man doch hin. Das lässt man sich nicht entgehen. Das edle Ambiente, die strahlende Braut, der stolze Bräutigam, das erlesene Festessen, das exquisite Programm, all das und noch viel mehr, würde man doch gerne genießen. Oder?

Aber in unserer Geschichte geht es ganz anders zu. Der Vater lädt ein. Aber die Gäste wollen nicht kommen. Kein Interesse. Der König lädt nochmals ein. Aber den Eingeladenen war etwas anderes wichtiger. Eine dritte Gruppe verhöhnte und schlug die Hochzeitslader des Königs sogar. Wo gibt es denn sowas? Unglaublich!

Was ist das nur für ein Hochzeitsfest, zu dem die Eingeladenen nicht kommen wollen? Die Bilder, die Jesus hier in dem Gleichnis verwendet, sind nicht schwer zu verstehen. Der einladende König ist Gott. Der Prinz ist sein Sohn, Jesus Christus. Die geladenen Gäste sind zunächst das Volk Israel, aber später alle Menschen. Gott lädt jeden zu einem wunderbaren Fest ein.

Wir dürfen unser Leben genießen, und zwar mit Gott. Er bietet uns etwas an, was uns niemand anders geben kann, Vergebung aller Schuld, Orientierung im Leben durch sein Wort, Hilfe durch sein Eingreifen, oft auf wunderbare Art und Weise, ein Leben, in dem mich Sorgen und Ängste nicht mehr quälen müssen, weil ich mich auf die Nähe Gottes verlassen kann, und vor allen Dingen eine wunderbare, ewige Zukunft. Das, was wir hier in diesem Leben mit Gott erfahren dürfen, ist nur ein kleiner Vorgeschmack, was wir bei ihm in seinem Reich bekommen können, ein vollkommenes Leben in seiner Nähe. Ein unbegreifliches Wunder, dass Gott uns zu so einem Fest einlädt!

Auf der anderen Seite ist es auch ein unbegreifliches Wunder, wie viele Menschen mit dieser Einladung umgehen. Gott hat etwas Wunderbares anzubieten: Das Fest der Gemeinschaft mit ihm. Doch viele Menschen lassen sich nicht einladen. Warum nur?

Es gibt die verschiedensten Gründe. In unserem Gleichnis tauchen drei Gruppen auf, die die Einladung Gottes ablehnen. Die ersten wollten ganz einfach nicht kommen. Den Boten Gottes schlägt pure Gleichgültigkeit entgegen. „Kein Interesse. Das ist nichts für mich. Das brauche ich nicht.“ So oder ähnlich können es die Boten Gottes heute noch hören, wenn sie zu einem Gottesdienst oder einer anderen christlichen Veranstaltung einladen.

Ohne viel darüber nachzudenken meinen viele Menschen: Ich brauche Gott nicht, Wer weiß, ob es ihn überhaupt gibt. Wir modernen Menschen sind Meister darin, in einem künstlichen Klima zu leben. Wir bewegen uns in klimatisierten Kaufhäusern. Doch draußen herrscht eine Bullenhitze. In Dubai kann man in einer Skihalle bei 1 Grad Celsius Ski fahren – bei Außentemperaturen von 40 Grad.

So kann man vielleicht auch ganz gut und angenehm ohne Gott leben. Aber man lebt in einer Scheinwelt. Gott existiert. Er ist erfahrbar. Seine Gaben sind real. Man kann seine Existenz leugnen oder ihr ausweichen. Aber irgendwann, nach unserem Tod, werden wir Gott begegnen.

Die zweite Gruppe verachtete die Einladung des Königs. Anderes war ihnen wichtiger. Der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Betrieb. Auch diese Haltung findet sich bis auf den heutigen Tag wieder. Anderes ist einem wichtiger als der Glaube an Jesus, als Kirche und Gottesdienst. In dem Gleichnis waren es der Acker und der Betrieb. Heute sind es materieller Besitz und Karriere. Übertriebener beruflicher Ehrgeiz sind oft ein Hinderungsgrund für den Glauben. Man hat ganz einfach keine Zeit für ihn. Unter der Woche ist man damit beschäftigt, an seiner Karriere zu basteln. Und den Sonntag braucht man zum Ausschlafen. Jüngere Menschen sind meist noch nicht so vom Ehrgeiz zerfressen. Da sind es die privaten Interessen, die sie in Beschlag nehmen: Hobbys und Sport, Filme schauen, Zocken am Computer bis in den Sonntagmorgen, „Saturday Night Fever“ in der Disko, so dass man am Sonntag nicht aus den Federn kommt. Und als älterer Mensch ist man meist zu unflexibel oder zu bequem, um alte Gewohnheiten zu ändern. Auch wenn man für den Glauben und die Kirche Zeit hätte, nimmt man sie sich nicht. Die körperlichen Wehwehchen sind oft ein willkommener Vorwand, eine Einladung zum Gottesdienst auszuschlagen. Und irgendwann einmal kann man natürlich wirklich nicht mehr.

Die dritte Gruppe der Eingeladenen greift die Knechte des Königs und tötet sie. Hier hat die Ablehnung ihre stärkste und brutalste Form erreicht. Wir wollen Gott dafür danken, dass in unserem Land keine Christen verfolgt werden. Keiner muss um sein Leben fürchten, wenn er sich zu seinem Glauben bekennt. Aber es gibt Spott und manchmal auch Verleumdung. Entschiedene Christen werden als „Fundamentalisten“ abgestempelt und damit in die gleiche Ecke wie islamische Terroristen gestellt. Aber in anderen Staaten ist die Situation für Christen viel schlimmer. Vor allen Dingen in islamischen Ländern wie Pakistan, Saudi-Arabien oder Bangla Desh werden Christen verfolgt, gefoltert, ins Gefängnis gesteckt oder umgebracht. Besonders schwer haben es die Leute, die vom Islam zum Christentum übertreten.

Gleichgültigkeit, Verachtung, Verfolgung, das sind häufige Antworten auf Gottes Einladung. Doch Gott resigniert nicht, sondern er reagiert. Einmal durch Gericht. Da ließ der König die Mörder seiner Knechte umbringen und zündete ihre Stadt an, heißt es in unserem Gleichnis. So geschah es ja tatsächlich. Jerusalem, die Stadt, in der Jesus gekreuzigt wurde, ist wirklich 40 Jahre später von den Truppen der Römer angezündet worden. Aber wir dürfen nicht nur an die Juden denken, die Jesus vor 2000 Jahren abgelehnt haben. Auch Deutschland machte es 1900 Jahre später nicht besser. Vor gut 80 Jahren herrschte in unserem Land ein antichristliches Regime. Dann ließ Gott auch zu, dass feindliche Heere unsere Städte anzündeten. Das furchtbare Leid, das über unser Volk kam, war sicher auch ein Gericht Gottes.

Das Gericht Gottes muss nicht unbedingt so aussehen, wie es unser Gleichnis schildert. Es muss keine Katastrophe sein, es kann sich auch ohne besondere Ereignisse vollziehen. Gott kann sich aus einem Leben zurückziehen und einen Menschen machen lassen, was ihm gefällt. Gott kümmert sich nicht mehr darum. So kann auch das Gericht Gottes aussehen.

Auf jeden Fall akzeptiert Gott die Entscheidung eines Menschen. Wenn jemand ohne ihn leben will, dann kann er das auch. Im Himmel sind einmal nur Freiwillige. Gott stößt keinen in die Hölle. Die wählt man sich schon selber, auch wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Und auch wenn man es sicher einmal bitter bereuen wird, was man da gewählt hat.

Zum anderen reagiert Gott durch eine Neueinladung. Der König bläst in unserem Gleichnis das Fest nicht ab, sondern lädt noch einmal zur Hochzeit seines Sohnes ein. Und wer kommt jetzt und füllt die Festsäle? Keine sehr erlesene Schar offensichtlich. Der König scheint nicht sehr wählerisch gewesen zu sein. Von der Straße zusammengelesen, alle möglichen Leute, Böse und Gute. Aber eines dürfte dieser bunt gemischten Schar gemeinsam gewesen sein. Sie hatten Hunger und Durst und folgten deshalb gerne der Einladung.

Ist Gott nun nur für Leute etwas, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, die seelische Probleme haben, krank oder arbeitslos sind oder ein kaputtes Familienleben haben? Sicher, viele Menschen finden Gott in den Krisen ihres Lebens. Aber auch die Lebenstüchtigen, die Starken, die Erfolgreichen können merken: Eigentlich fehlt mir das Entscheidende im Leben. Eigentlich fehlt mir Gott.

Alle, die man im Reich Gottes finden wird, sind solche, die unter ihrer Sünde und Schuld leiden. Es sind solche, die mit sich und mit ihrer Frömmigkeit und Anständigkeit nicht zufrieden sind. Es solche, die an sich selber nichts Gutes finden, das Gott anerkennen könnte. Gerade sie lassen sich auch gerne beschenken. Sie folgen gerne der Einladung Gottes. Und gerade sie nimmt Gott auch am liebsten auf. Denn, wie es der Dichter Novalis ausdrückte: „Die Liebe ist frei. – Sie wählt das Ärmste und Hilfsbedürftigste am liebsten.“

Gott ist gnädig und barmherzig. Er schaut nicht unsere Schuld an, sondern nur, ob wir zu ihm kommen, ob wir seiner Liebe vertrauen. Doch nun kann man diese übergroße Liebe Gottes total missverstehen. Davon redet auch unser Gleichnis.

Zum Schluss taucht noch eine merkwürdige Gestalt auf. Es hat sich jemand einladen lassen, der trotzdem wieder die Hochzeit verlassen muss. Warum? Er war nicht festlich angezogen. Er denkt offensichtlich: Warum soll ich ein Festgewand anziehen? So wie ich bin, passe ich schon in die Hochzeitsgesellschaft. Ich bin ja da, im Gegensatz zu denen, die sich gar nicht haben einladen lassen. Der König wird es mit der Kleiderordnung schon nicht so genau nehmen. Er irrte sich, wie wir unserer Geschichte entnehmen.

So eine verkehrte und gefährliche Haltung gibt es heute sicher unter den Christen auch noch. Man hört gerne von der Liebe Gottes und lässt sich auch gerne die Vergebung zusprechen. Aber all dies geschieht ohne Buße. Es ist eine Haltung, die sich gerne sagen lässt: Jesus nimmt die Sünder an, aber die Sünde nicht lassen will. So wird Gnade, wie Bonhoeffer sich ausdrückte, zur billigen Gnade, zur Schleuderware, zur verschleuderten Vergebung, zum verschleuderten Trost. So wird Gnade zum Prinzip, zu einer allgemeinen Wahrheit.

Aber das Evangelium ist teure Gnade, die immer wieder gesucht, die Gabe, um die gebeten, die Tür, an die angeklopft werden muss, so Bonhoeffer. Gnade ohne Nachfolge, ohne die Bereitschaft, sich ändern zu lassen, gibt es nicht.

Aber wenn auch Gnade teure Gnade ist und keine billige, so bleibt sie dennoch Gnade. Das heißt wir müssen uns nicht selber ändern. Wir müssen das Hochzeitskleid nicht selber anfertigen, sondern es wird uns geschenkt. Bei Jesaja heißt es: „Der Herr hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet.“ Und dem verlorenen Sohn werden auch die zerlumpten Kleider ausgezogen und der Vater gibt ihm ein neues Festkleid. Bei beiden Stellen, bei Jesaja und im Gleichnis vom verlorenen Sohn ist bezeichnenderweise von Freude die Rede. Es geht also nicht um finstere Bußübungen, um Askese. Es ist ja ein Hochzeitskleid, ein Festkleid, das Gott uns schenken will.

Buße und Umkehr hat etwas mit Freude zu tun. Es bedeutet, sich immer wieder neu beschenken zu lassen von der Liebe Gottes. Mangelnde Buße ist nichts anderes als das freudlose Beharren in den alten Fehlern und Sünden. Es geht wohl im Christentum immer wieder um ein Anderswerden, um ein Sich ändern lassen, aber wir verlieren dabei ja nur das, was uns nicht guttut, unsere Abhängigkeiten von der Sünde und unsere unguten Charaktereigenschaften. Stattdessen bekommen wir etwas geschenkt: Das Wesen Gottes, seine Liebe, seine Geduld, seine Freude, seinen Frieden.

Passend zum heutigen Predigttext werden wir auch zu einem Fest eingeladen. Ich spreche vom Abendmahl. Wir dürfen so kommen, wie wir sind. Wir brauchen nur bildlich gesprochen mit einem rechten Appetit kommen, dem Appetit auf die Vergebung und die Liebe Gottes. Wir dürfen wissen und es auch erfahren, wenn wir zum Abendmahl nach vorne gehen: Der Tisch Gottes ist reich gedeckt. Wer Vergebung braucht, Trost, Kraft, neuen Mut für den Alltag, Freude, Freundlichkeit, Freiheit von Süchten, von Abhängigkeiten, von bösen Gewohnheiten, neue Gewissheit, ein Kind Gottes zu sein, was es auch sein mag: All das steht für dich bereit. Du brauchst es nur zu nehmen. Vor der Abendmahlsfeier hören wir es, und ich sage es jetzt schon: „Kommt herzu, denn es ist alles bereit!“

Amen