9. So n Trin, Matth. 7, 24-29, Nikodemuskirche, 01.08.2021

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Wir wollen in der Stille ... Herr, wir bitten dich ...

Liebe Gemeinde, wer heute nicht zum ersten Mal in einem Gottesdienst ist, dem ist klar, jetzt kommt die Predigt. Nach unserem evangelischen Verständnis ist die Predigt der Kern eines Gottesdienstes und der Apostel Paulus behauptet sogar: Der Glaube kommt aus der Predigt. Ein hoher Anspruch! Was erwarten Sie von der Predigt? Wie soll oder muss eine Predigt sein?

„Nicht so lang!“ sagen die Konfirmanden und vielleicht nicht nur sie. Nach dem ungeschriebenen Gesetz: Ein Pfarrer darf über alles predigen, nur nicht über 20 Minuten. Umfragen zeigen: Predigthörer haben viele Wünsche. Predigt soll nicht langweilig sein, sondern spannend, originell, anschaulich und lebensnah. Die einen wünschen sich eine tröstliche Predigt, andere eine lehrreiche und informative Predigt. Die einen wollen eine politische Predigt, die anderen verwahren sich dagegen. Manche mögen’s gern humorvoll, andere wissen nicht so recht ob sie in der Kirche herzlich lachen dürfen. Strafpredigten, Moralpredigten und Gardinenpredigten sind nicht erwünscht.

Sie haben alle ihre Vorstellungen von einer Predigt und hoffentlich auch Erwartungen an eine Predigt. In meinem theologischen Bücherschrank steht eine ganze Reihe von Büchern mit Forderungen an und guten Ratschlägen für den Prediger.

Alle diese Vorgaben erfüllen und es jedem recht machen, das ist unmöglich. - Und das wäre auch völlig verkehrt. Wir Pfarrer in der Evang.-Luth. Kirche werden bei unserer Ordination nicht auf die Meinung der Leute, den Zeitgeist oder den theologischen Tagesgeschmack verpflichtet, sondern auf die Heilige Schrift und die Bekenntnisschriften unserer Kirche.

So hat Predigt vor allem Wort Gottes zu verkündigen und muss sich an der Heiligen Schrift messen lassen. Auch da wo sie kritische Anfragen an unsere Art zu leben hat.

Wer eine Auswahl nach dem persönlichen Geschmack trifft und nur die Aussagen aus der Bibel für sich gelten lässt, die ihm gefallen, der schwimmt in der eigenen frommen oder liberalen Soße und macht sich etwas vor. Gerade die sperrigen und schwierigen Aussagen der Bibel sollen uns zu denken geben. Sie sind das Salz, das in den Wunden der Zeit brennt. Und die Zumutungen und Provokationen, die in der Bibel zu finden sind, sollen uns helfen und zurechtbringen.

Unser heutiges Schriftwort für die Predigt gibt uns die Gelegenheit, mal eine Predigt des Herrn Jesus genauer zu betrachten. Die Verse aus dem 7. Kapitel des Matthäus Evangeliums sind der Schlussabschnitt der Bergpredigt Jesu. Der Herr sagt mit einem Beispiel aus dem Alltag wozu Predigt da ist und was der Umgang mit dem Inhalt einer Predigt für Folgen im Leben hat. Aber hören wir zunächst diesen Predigtschluss:

Wer meine Worte hört und danach handelt, der ist klug. Man kann ihn mit einem Menschen vergleichen, der sein Haus auf felsigen Grund baut.
Wenn ein Wolkenbruch niedergeht, das Hochwasser steigt und der Sturm am Haus rüttelt, wird es trotzdem nicht einstürzen, weil es auf Felsengrund gebaut ist.
Wer sich meine Worte nur anhört, aber nicht danach lebt, der ist so unvernünftig, wie einer, der sein Haus auf Sand baut.
Denn, wenn ein Wolkenbruch kommt, die Flut das Land überschwemmt und der Sturm um das Haus tobt, wird es mit großem Krachen einstürzen.
Als Jesus seine Rede beendet hatte, waren seine Zuhörer tief betroffen. Denn was er gesagt hatte, waren nicht leere Worte, wie bei ihren Schriftgelehrten. Sie merkten, dass Gott selbst durch Jesus zu ihnen gesprochen hatte.

Schon diese wenigen Schlusssätze der Predigt Jesu machen deutlich, Predigt muss mit dem Leben zu tun haben. Gottes Wort nur hören ist noch nicht genug. Wenn das Hören nicht zum Handeln führt, ist es nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich.

Der Vergleich, den Jesus verwendet war für jeden einleuchtend. Hausbau damals war noch etwas bescheidener als heute. Steine, Lehm, Holz und Arbeitskraft waren nötig. Gas, Wasser, Heizung mussten ja nicht installiert werden, es gab nicht einmal einen Kamin. In dem weit verbreiteten Einraumhaus zog der Rauch einfach unter dem Flachdach ab.

Jeder einigermaßen geschickte Mensch konnte mit Hilfe der Familie und von Freunden sein Häuschen selbst bauen. Das hielt dann vielleicht sogar einige Generationen lang, wenn, ja wenn es an der richtigen Stelle und auf richtigem Grund stand. Sandige und felsige Böden waren in dem heißen Land oft nahe beieinander. So konnte es durchaus vorkommen, dass bei einem Unwetter ein solches Häuschen in sich zusammenfiel. Flutkatastrophen gab es auch damals schon.

Trotz Bauvorschriften und Beton kommt das ja auch bei uns vor, dass Gebäude einstürzen oder gefährdet sind, weil man sie auf den falschen Untergrund oder an die falsche Stelle gebaut hat. Der Vergleich den Jesus zieht ist hochaktuell und macht sehr gut deutlich, dass der Einsturz daher kommt, dass Warnungen und Regeln missachtet wurden. Die Katastrophe kommt auch nicht sofort, es kann lange Zeit gut gehen und so aussehen, als ob die Warnungen übertrieben gewesen wären. Kommt aber das Unwetter, dann ist nichts mehr zu machen. Wenn einem das Wasser erst einmal bis zum Hals steht, ist es zu spät, dann lassen sich Fundamente nicht mehr verstärken.

Wir alle haben die schrecklichen Bilder der vergangenen Wochen vor Augen, wie die Fluten von zu reißenden Flüssen angewachsenen Bächen alles mitreißen und wegspülen, was im Weg steht und nicht absolut fest gegründet ist. Wer die Warnungen ernst genommen hat und Haus und Hof fluchtartig verlassen hat um sein Leben zu retten, musste in vielen Fällen mit ansehen, wie sein Hab und Gut in den Fluten verschwand. Und die fast 200 Menschen, die nicht rechtzeitig reagieren konnten haben sogar ihr Leben verloren.

Ob da auch in den letzten Lebensminuten vor manchem ein Film abgelaufen ist, bevor sie im reißenden Wasser ertran-ken? War das jetzt alles? So kurz! So schnell zu Ende! Was kommt jetzt? Vielleicht ist es ja manchen im letzten Augenblick noch bewusst geworden: Ich hab auf Sand gebaut. Mein Leben auf falsche Fundamente gestellt.

Auf Sand gebaut! Nicht immer sind die Bilder so krass, die Ereignisse so nah. - Als im Ennstal vor Jahren eine Mure eine Alm und einige Hütten bedrohte, da liefen die Mitglieder einer Wandergruppe um ihr Leben und konnten es retten. Nur einer lief in die falsche Richtung, weil er sein Auto retten wollte und wurde von den Geröllmassen begraben. Vielleicht war es neu. Vielleicht hatte er seine ganzen Ersparnisse dafür hergegeben. Vielleicht war sein Auto sein Leben.

Irgendwann stürzen alle Lebenshäuser ein, die nicht auf Fels gegründet sind, sondern auf Sand. Sie stürzen nicht immer schlagzeilenträchtig ein wie in den erwähnten Ereignissen der vergangenen Tage. Manche falsch gegründete Lebenshäuser verfallen auch langsam. Mit dem Tod brechen sie vollends zusammen. Es bleibt nichts. Die Schätze die die Hausbewohner angesammelt hat sind von Motten und Rost zerfressen, von Dieben gestohlen, wie Jesus es in seiner Predigt ausdrückt oder sie werden unter zerstrittenen Erben aufgeteilt.

Auf ganz alten Kirchenmalereien ist manchmal ein Fels dargestellt zu dem ein Hase flüchtet. Der Fels ist Christus, der Hase der Christ, der alleine den Bedrohungen des Lebens wehrlos gegenübersteht. Der Hase flüchtet sich zum Felsen. Beim Felsen findet er Schutz und Sicherheit.

Mitten in seiner Bergpredigt sagt Jesus den Kernsatz seiner Verkündigung: Gebt Gott und seiner Sache den ersten Platz in euerem Leben, so wird er euch auch alles geben, was ihr nötig habt. Oder um es mit der Übersetzung Martin Luthers zu sagen: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

Wer mit ganzem Herzen am Reich Gottes interessiert ist, wird wahrscheinlich nicht durch Börsenspekulationen steinreich oder bettelarm. Wer Gott und seiner Sache den ersten Platz in seinem Leben einräumt, wird dadurch nicht unverletzbar. Er kann genauso in Lebensgefahr geraten oder von tödlicher Krankheit bedroht werden. Aber er ist in der Stunde des Todes nicht nur von eisigen Fluten umgeben oder vom Geröll eines rutschenden Berges, sondern von guten Mächten Gottes wunderbar geborgen.

Das auf den Felsen Christus gegründete Glaubenshaus stürzt nicht ein. Es wird mit dem Tod zur Wohnung im Haus des Vaters. Mitten in den dunklen Tälern des Lebens darf ich darauf vertrauen, dass ich im Haus des Herrn bleiben werde für alle Zeit. So verspricht Jesus es denen, die seine Predigt hören und lesen, immer wieder, und sie auch tun.

Vielleicht denkst Du jetzt, ich will das schon, aber ich schaff’ es nicht, all die hohen Ansprüche und Forderungen, die der Herr Jesus in der Bergpredigt aufstellt in meinem Leben umzusetzen. So wie er die Gebote versteht und auslegt, werde ich jeden Tag schuldig. Ich bin auch nicht Salz und Licht für die Welt. Mit dem Verzicht auf Rache habe ich so meine Probleme, ganz zu schweigen von der Liebe zu den Feinden, die Jesus fordert. Wie oft richte ich in meinen Gedanken und Worten über andere. Mein Herz hängt an so vielen Dingen. Das lenkt mich ab, wenn ich beten will. Vor anderen möchte ich groß dastehen und vergesse dabei, dass ich zuerst vor Gott stehe und vor ihm nicht bestehen kann.

Ja, es ist wahr, der Herr hat die Ziele hoch gesteckt in der Bergpredigt. Wer sich an ihnen versucht, wird immer wieder seine Grenzen erfahren. Aber vielleicht soll das ja so sein, damit wir barmherzig werden mit anderen, damit wir uns nicht für besser halten. Und damit wir uns immer mehr und immer öfter an Jesus wenden und ihn bitten, - um Vergebung für alles Versagen und Scheitern an seinen guten Zielen und um seine Kraft bei der Umsetzung in unserem Leben.

Außerdem enthält ja diese Predigt Jesu nicht nur Forderungen und Ansprüche. Sie enthält auch wunderbare Zusagen. In den Seligpreisungen am Anfang heißt es nicht:

Selig sind die Heiligen, die keine Fehler haben. Oder
Selig sind die Starken, die mit allem fertig werden. Oder
Selig sind die Erfolgreichen, denen alles gelingt...

Nein, Jesus nennt geistlich Arme selig. Er nennt die selig, die spüren, dass ihnen noch so viel fehlt an Glauben und Liebe, die wissen, ich habe Gott nichts zu bieten. Stell Dir vor, denen verspricht der Herr das Himmelreich.

Trost hat er für alle, die Leid tragen, die etwas durchmachen müssen, die Verluste erlitten haben, die schwer enttäuscht worden sind, die mitleiden, wenn es einem anderen schlecht geht. Die teilen können, wenn ihnen Not begegnet. Oder die noch traurig sein können, wenn sie gesündigt haben, denen es leidtut, wenn sie gegen Gottes Willen gehandelt haben.

Der Herr Jesus möchte uns mit seiner Predigt nicht zu frommen Eiferern machen und unter einen frommen Leistungsdruck setzen. Er möchte – im Gegenteil - den Druck von uns wegnehmen, wenn er sagt: Sorgt euch nicht! Gott sorgt für euch, so wie er für die Blumen auf dem Feld und die Vögel unter dem Himmel da ist, so ist er auch für dich da und sorgt für deine Zukunft. Er schenkt dir alles, was du brauchst.

Nur das eine soll dir wichtig sein: Gottes Reich. Verbindung mit ihm. Vertrauen zu ihm. Er tut alles für dich.

Lasst den Worten Taten folgen, fordert Jesus in seiner Predigt. Er tut es. Um zu zeigen, dass Gott alles für uns tut, geht er ans Kreuz. Er setzt sein Leben für uns ein dort und nimmt allen denen die Schuld ab, die sie zu seinem Kreuz bringen. Die Gerechtigkeit Gottes, die uns das Wichtigste im Leben werden soll, ist ein Geschenk.

Der Evangelist Matthäus lässt uns hier am Ende dieser Bergpredigt noch etwas von der Wirkung auf die Hörer erfahren. Als Jesus seine Rede beendet hatte waren die Zuhörer tief betroffen. Denn was er gesagt hatte waren nicht leere Worte. Sie merkten, dass Gott selber durch Jesus zu ihnen gesprochen hatte.

Das soll, will und kann auf Christus gegründete Predigt bis heute: Betroffen machen. Sie kann mich und Sie spüren lassen: Das gilt jetzt mir! Das trifft genau für mein Leben zu! Gottes Wort gilt für mich und mein Leben.

Wenn wir das spüren, dann ist es wichtig umzusetzen, was Jesus über das Beten sagt: Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Wir dürfen betend abgeben, was uns belastet. Von Gott erbitten, was uns fehlt. Und in kindlichem Vertrauen die Zukunft in seine Hände legen. Amen.

 

Verfasser: Martin Schöppel, Pfr. i. R., 95488 Eckersdorf, Tel. 0921/53048417, martin.schoeppel@elkb.de