Bayreuth, den 12.09.2021 - 1. Petrus 5, 7

Liebe Gemeinde!

Vom Wegwerfen ist hier in unserem Bibelwort die Rede, vom Wegwerfen der Sorgen. Mit dem Wegwerfen ist das schon etwas Spezielles. Die einen trennen sich leicht von alten Sachen. Schuhe, die sie nicht mehr tragen, wandern ohne Mühe in den Kleidercontainer. Die anderen heben das alte Jackett auf, auch wenn es zugeknöpft etwas spannt. „Vielleicht nehme ich ja mal wieder ab und die Mode ändert sich“, denken sie. Die einen werfen ohne mit der Wimper zu zucken ausgelesene Bücher in den Papiermüll. Die anderen heben jahrzehntelang alte Zeitschriften auf. Die einen bestellen für nicht benötigte Kindermöbel den Sperrmüll. Die anderen stellen sie auf den Dachboden. „Könnten ja noch die Enkel brauchen.“

Wie ist es nun mit unseren Sorgen? Sollen wir sie wegwerfen oder behalten? Die Antwort dürfte für alle klar sein: Natürlich wegwerfen! Sorgen sind nun wahrhaftig keine Gedanken, die uns irgendwann einmal vielleicht nützlich sein könnten, die wir aufhaben können, weil wir sie irgendwann einmal brauchen können. Nein, sie sind Müll, Schrott. Je eher man sie wegwirft, umso besser. Wer seinen Abfall nicht entsorgt, der vermüllt seine Wohnung. Es gibt solche Menschen. Man nennt sie Messies. Nach Schätzungen von Selbsthilfegruppen leben rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland mit „Messie“-Syndrom. Das äußere Chaos ist meist Ausdruck einer psychischen Erkrankung. Sie sammeln Zeitungen, Elektroschrott und Joghurtbecher – ihr Alltag wird von Chaos und Desorganisation beherrscht.

Wie viele Millionen Menschen leiden in Deutschland unter dem „Sorgen-Messie-Syndrom“? Ihre Zahl wird um ein Vielfaches höher sein als die der eigentlichen Messies. Ich vermute, wenn es eine Partei der „Sorgen-Messies“ gäbe, hätte sie in Deutschland die absolute Mehrheit.

Auch ich kämpfe mit dem „Sorgen-Messie-Syndrom“, jeden Tag neu. Ich möchte sie liebend gerne los haben, die Sorgen sich zu blamieren, die Sorgen, seine Arbeit nicht zu schaffen, Sorgen um die Gesundheit, um die Gemeinde und bestimmte Projekte, Sorgen um liebe Menschen, und natürlich die Sorgen wegen Corona. Manchmal habe ich den Eindruck, sie wollen mich erdrücken. Manchmal gelingt es mir besser, mit ihnen umzugehen, ja eine Zeitlang loszuwerden, und ich denke: Warum machst du dir eigentlich Sorgen? Und am nächsten Tag wollen sie sich wieder in meine Gedanken schleichen. Es ist ein ständiger Kampf, so wie die Küstenbewohner an der Nordsee Dämme gegen Sturmfluten bauen und ständig kontrollieren müssen, ob diese Dämme nicht irgendwo Löcher haben.

Ich denke, wir alle wollen unsere Sorgen loswerden. Denn sie machen uns unglücklich, sie lähmen unsere Gedanken und machen uns handlungsunfähig, sie helfen uns nicht weiter. Sie können uns sogar krank machen. Wer sich Sorgen macht, hat mehr von dem Stresshormon Cortisol im Körper. Dazu muss man wissen: Ein erhöhter Cortisolspiegel schwächt den gesamten Organismus, zieht das Immunsystem in Mitleidenschaft und baut die Widerstandskraft gegen Infektion und andere Krankheiten ab.

Also weg mit den Sorgen. Wegwerfen! Nicht umsonst hat der Dauerbestseller von Dale Carnegie „Sorge dich nicht- lebe!“ unzählige Leser gefunden, ist 278mal aufgelegt und fünfzigMillionen mal verkauft worden. Und nicht umsonst sind wir Westeuropäer fast besessen davon, alles, was uns Sorgen bereiten könnte, zu vermeiden. Vermutlich sind wir Deutschen die haftpflicht-, brandschutz-, arbeitsschutzversichtertsten Menschen der Welt. Versicherungen und Vorsichtsmaßnahmen, schön und gut. Aber machen wir uns dadurch weniger Sorgen? Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall, weil wir uns andauernd mit dem beschäftigen, was alles passieren kann.

Sorgen loszuwerden ist auch für die Bibel ein wichtiges Thema. Jesus redet in seiner berühmten Bergpredigt davon und widmet der Frage, wie man Sorgen loswerden kann, einen ganzen Abschnitt. Der Apostel Paulus fordert im Philipperbrief seine Leser dazu auf, ihre Sorgen abzulegen. Auch der Apostel Petrus gibt uns den guten Ratschlag: „Alle eure Sorgen werft auf ihn!“

Klingt gut. Die allermeisten unter uns kennen sicher diesen Satz aus dem 1. Petrusbrief. Vielleicht haben sie ihn schon einmal als Spruch bei einem Abendmahl gezogen. Der eine oder andere unter uns hat ihn klein als Karte oder groß als Poster zuhause. Wir nicken mit dem Kopf, wenn wir diesen Satz hören und denken: Ja, natürlich so ist es. Alle Sorgen auf Jesus werfen, das ist wichtig und richtig.

Aber dadurch, dass man diesen Satz kennt, hat man ihn noch lange nicht verstanden, geschweige denn tatsächlich seine Sorgen auf Jesus geworfen.

Seine Sorgen auf Jesus werfen – wie macht man das eigentlich? Sie scheinen wie ein Bumerang zu sein. Sie kommen immer wieder zurück.

Ein Pfarrer macht bei seinen Vorträgen zu diesem Thema in der Regel folgende Demonstration: Er bittet eine Person nach vorne zu ihm zu kommen und drückt ihr ein paar kleine Bälle in die Hand. Dann bittet er sie, sich vorzustellen, er sei in diesem Moment Jesus und die Bälle ihre Sorgen. Er forderte die Versuchsperson auf, die Bälle ihm zuzuwerfen. Das klappte ganz gut, solange die Versuchsperson den Pfarrer, der nun Jesus sein sollte, anblickte. Aber dann sollte die Person nicht den Pfarrer, sondern die Bälle anschauen und sie dann werfen. „Bitte wenden Sie den Blick kein einziges Mal von den Sorgen ab!“, sagte der Pfarrer. „Und nicht schummeln!“ Die Trefferquote sank gegen Null. Das funktioniert nicht: Jemandem einen Ball zuwerfen, ohne ihn anzusehen. Wenn er stattdessen die Bälle ansieht, dann wird er sein Ziel in der Regel deutlich verfehlen.

Der Pfarrer wollte durch diese Demonstration Folgendes klarmachen. Meine Sorgen wegwerfen schaffe ich nur, wenn ich aufhöre, mich auf sie zu konzentrieren, sondern mich stattdessen auf den konzentriere, der für mich sorgt.

Ich sage nicht, dass das leicht ist und automatisch funktioniert. Denn die Sorgen sind ein Magnet. Sie wollen unseren Blick auf sich ziehen und bei ihnen festhalten. Aber es geht. Denn Jesus ist ein viel stärkerer Magnet, der auch unsere Gedanken genauso wie die Sorgen, ja in viel größerem Maße, in den Bann ziehen kann.

Wir haben die Kraft, uns zu entscheiden, was wir mit unseren Sorgen machen wollen. Wir können, wenn die Sorgen auf uns zu und in uns hineinkommen wollen, uns diesen Gedanken hingeben. Je länger wir das tun, desto schwerer ist es, diese Sorgen wieder loszuwerden. Oder aber wir entscheiden uns, am besten so schnell wie möglich, nicht weiter über die Sorge nachzudenken, sondern über den, der für uns sorgt, Jesus. Das ist der, der unser guter Hirte ist, der seine Schafe nicht im Stich lässt. Es ist der, der alle Macht hat, im Himmel und auf der Erde und auch in unserem Leben. Es ist der, dem nichts unmöglich ist, für den es keine aussichtslosen Lagen gibt. Es ist der, der zu uns spricht: „Fürchte dich. Ich liebe dich. Du bist wertvoll. Ich lasse dich nie im Stich. Du bist mein Freund. Ich begleite dich, auch in den dunklen Tälern. Am Ende der Dunkelheit ist das Licht. Dein Leben ist nicht sinnlos, sondern hat ein Ziel.

In dieser Haltung dürfen wir auch beten, nicht angstzentriert, nicht problemorientiert, nicht sorgenzentriert, sondern jesusorientiert und jesuszentriert. Man kann beten und wird doch nur immer trauriger, weil man sich nur mit seinen Sorgen und Problemen beschäftigt, aber nicht mit dem, der mächtiger als sie ist.

Anders ist es, wenn wir beim Gebet unseren Blick auf Jesus richten. Dies geschieht am besten, wenn wir ihm danken, ihn loben und anbeten. Viele kennen sicher die Worte aus dem Psalm 103: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen.“ Diese Aussage sind ein prima Mittel gegen Sorgen. Wer das tut, Gott für seine Guttaten zu loben, der kann sich nicht gleichzeitig Sorgen machen.

Und wofür kann ich Gott danken? Denke mal ein bisschen nach! Ein bisschen Denken kann dem Danken auf die Sprünge helfen. Denken wir doch einmal, vielleicht heute Abend vor dem Schlafengehen darüber nach, was Gott uns alles schon Gutes getan hat. Da kommt bei jedem eine ganze Menge zusammen. Denken wir nur an die Tatsache, dass wir leben und noch leben, dass wir gesund sind, Eltern haben, Freunde, oder dass wir hier friedlich Gottesdienst feiern können. Das alles und noch viel, viel mehr, ist nicht selbstverständlich!

Denken verhilft also zum Danken. Und Danken schützt uns vor dem Wanken, vor dem Wanken im Glauben. Zweifel, Sorgen, Missmut, Sünden, in die wir fallen, könnten wir durch ein einfaches Mittel vermeiden: durchs Danken.

Wer viel dankt, dem geht es seelisch besser. Man kann es ausprobieren, indem man Glaubenslieder singt. Nachher geht es einem oft besser. Manche Sorgen und Ängste sind wie weggeflogen. Es stimmt, was der Liederdichter Hiller in einem seiner Lieder sagt: "Man kann den Kummer sich vom Herzen singen..."

Dann möchte ich Euch an mein persönliches Geheimnis erinnern und mich selber auch: Der Psalm 103 ist „mein“ Psalm. Ich habe ihn immer wieder als ein besonderes Wort von Gott bekommen. Das erste Mal als 15jähriger, als ich das erste Mal auf einer Freizeit war. Vor dem Abendmahl lag ich im Bett. Beim Blättern in der Bibel stieß ich auf diesen Psalm. Und - ich kann es nur so ausdrücken. Er fiel mir ins Herz. Ich wusste, diese Worte, die ich da las, waren für mich geschrieben: "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen." Ich wurde so froh, weil ich nun glauben konnte, dass Gott mir alle, alle meine Sünden vergeben hatte und ich nun ein Kind Gottes sein durfte. Seit diesem besonderen Erlebnis begleitet mich dieser Psalm. Sicher auch deshalb, weil Gott weiß, was für ein vergesslicher Mensch ich in punkto Danken sein kann.

Gott vergibt und macht unser Leben wieder heil. Ich habe es oft, immer wieder in meinem Leben erleben dürfen. Dafür möchte ich ihm auch mein Leben lang danken. Und Ihr dürft das Gleiche tun und dann auch erfahren: Man kann sich auf Gottes Wort felsenfest verlassen. Wenn ich Jesus vertraue, dann sorgt er tatsächlich für mich.

So habe ich es oft immer wieder in meinem Leben erfahren dürfen.

Ich denke da zum Beispiel an die Finanzierung von unserem Jugendzentrum „Flux“. Kosten? Über eine halbe Million. Konnten wir uns nicht leisten, nur mit sehr großzügigen Zuschüssen. Mir ist ein Wort aus den Psalmen wichtig geworden: "Der Herr wird meine Sache hinausführen." Das war für mich eine Zusage: Der Herr steht hinter meiner Sache. Es ist nicht nur meine, sondern auch seine Sache.

Tatsächlich: Von zwei Zuschussgebern bekamen wir die Zusage, dass sie das Projekt fördern wollten. Es wäre damit auch finanziert gewesen. Allerdings hatte die Geschichte einen Haken. Der Bayerische Jugendring sagte uns deutlich: Wir fördern nur eine Kirchengemeinde. Die Hilfsaktion "Sternstunden" machte uns klar: Wir fördern keine Kirchengemeinde nur ihren Förderverein. Das hieße also: entweder kriegen wir von den einen oder von anderen das Geld, nicht von beiden. Und damit wäre das Projekt gestorben.

Ich muss gestehen. Ich war recht verzagt. Ging rüber ins kids-Treff-Büro und erzählte Heike Meyer meine Not. Sie strahlte mich nur an und sagte. Sie hätte gerade eine alte Predigt von einem gewissen Pfarrer Dieter Opitz gelesen. Die sollte ich auch mal lesen - und selber glauben. Zum Schluss dieser Predigt standen die Worte:

"Denn es gefällt Jesus, wenn man ihn beim Wort nimmt. Auch wir gefallen Gott, wenn wir ihm seine Verheißungen vorhalten und sprechen: „Herr, du hast gesagt: ‘Wer da bittet, nimmt’ , oder ‘Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten’, jetzt erfülle doch bitte auch an mir deine Versprechungen.“

Diese meine eigenen Worte, die ich fünf Jahre vorher gesagt hatte, machten mir wieder Mut.

Ich rief sofort bei "Sternstunden" an und sprach das Problem ganz offen an. Und ich sagte auch: "Ich will ehrlich sein. Ich will mir keine Zuschüsse von Ihnen erschleichen." Ich hätte ja auch verschweigen können, dass das Projekt die Kirchengemeinde machen soll und nicht der Förderverein und drauf hoffen, dass "Sternstunden" vielleicht nichts merkt. Aber das wollte ich nicht. Und ich sagte auch: "Ich bin immer damit auch gut gefahren, wenn ich, gerade was finanzielle Dinge angelangt, ehrlich und korrekt bin."

Was würde der Mann am Telefon sagen? Er antwortete: "Das ist ja auch der biblische Weg!" Mit so einer Antwort hatte ich natürlich nicht gerechnet! Und er versprach, dass wir schon eine Lösung finden werden. Und so geschah es auch. So hat sich dieses Wort "Der Herr führt deine Sache" doch bewahrheitet.

Er sorgt für uns. Unser Herz, auch meines, ist dazu geneigt, diese Tatsache zu vergessen. Es kommen neue Nöte, und wieder will die Sorge hochkommen. Sorgt er tatsächlich für mich? Deshalb ist für mich diese Aufforderung wichtig geworden: Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Denke immer wieder daran. Das gibt dir neuen Mut, zum erneuten Vertrauen. Das lässt die Sorgen schmelzen wie Eis in der Sonne. Dann kannst du wieder aufatmen und die Welt so sehen, wie sie wirklich ist: Ein Platz, den Gott für dich wunderbar bereitet hat, wo du genug zu essen und zu trinken hast, wo du Luft zum Atmen hast, auf deiner Haut die warme Sonne und den kühlen Wind spüren kannst, wo du immer wieder Hilfen Gottes erfahren hast.

Denke immer wieder drüber nach, wie er schon in deinem Leben eingegriffen hat, wo er dir schon geholfen hat. Und wie er dann auch in Zukunft, in deiner gegenwärtigen Not eingreifen und helfen kann. In einem Lied heißt es:

Herz, lass dein Sorgen sein, vertrau dem Herrn! Leg's ihm zu Füßen hin, er hilft so gern.
Im dunklen Tale, Herz, zage nicht! Es leuchtet dennoch der Gnade Licht.
Ob Stürme brausen, was ficht's dich an, die Gnade niemand dir nehmen kann.

Er weiß um deine Last, die dir so schwer. Auch über deiner Not ist er der Herr.
Wenn du ihn ehren willst, stell in sein Licht alles, was dich beschwert, und sorge nicht.

Er hilft zur rechten Zeit ganz sicherlich. Sein Arm reicht weltenweit, er hält auch dich.
Und währt es lange, das bittre Leid, es währt die Gnade in Ewigkeit.
Still wird das Fragen. O selger Rat: "Lass dir genügen an meiner Gnad!"

Auch wenn deine Not lange dauert, so kann es doch einmal ganz schnell gehen, dass die Hilfe eintritt. Es kostet Jesus nur wenig, gewissermaßen eine kleine Handbewegung, um dich von allen widrigen Umständen zu befreien, die dir Sorgen machen wollen. Denn er ist stärker als sie. Nur ein Wort von ihm, und deine Lage hat sich geändert, oder du bist auf einmal geborgen, auch wenn sonst nichts anders geworden ist. In diesem Vertrauen wollen wir in den Tag und in die neue Woche gehen.

Amen