Bayreuth den 21.11.2021 2. Petrus 3,(3-7) 8-13

8 Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. 9 Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. 10 Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden nicht mehr zu finden sein. 11 Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, 12 die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ihm entgegeneilt, wenn die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen. 13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.

Liebe Gemeinde!

„Worauf warten Sie?“ Es wäre sicher aufschlussreich, wenn man einmal eine Umfrage dazu machen würde –vielleicht freitags nach Betriebsschluss in einer Großstadt wie Nürnberg. Wie würden die einzelnen Antworten lauten? „Ich warte darauf, dass der ‚Club’ am nächsten Samstag gewinnt.“ Oder: „Die ganze Woche habe ich aufs Wochenende gewartet. Jetzt rein ins Vergnügen!“ Oder: „Dass ich meine Frau und Kinder wieder sehen kann.“ In Krankenhäusern würde man sicher andere Antworten bekommen: „Dass ich bald wieder gesund werde.“ Manchmal würde wohl auch bei alten oder unheilbar kranken Menschen die Antwort kommen: „Ich warte auf den Tod.“

Sicher wird der Tod oft als Räuber gesehen, der einem einen lieben Angehörigen entreißt, vor allen Dingen, wenn jemand plötzlich und unerwartet stirbt. Aber ebenso wird der Tod als Erlösung verstanden, wenn ein langsames Siechtum oder ein qualvolles Sterben vorausgegangen ist. „Jetzt hat er ausgelitten. Jetzt ist er – oder sie – erlöst.“ So kann man es nach dem Tod von Schwerkranken oft hören.

Aber stimmt das wirklich? Die Erlösung bringt nicht der Tod. Der Tod erlöst keinen. Sondern Christus erlöst. Der Christus, der schon in diesem Leben mein Herr und Erlöser geworden ist, mein Heiland, der in meinem Leben Vieles heil gemacht hat. Wer in diesem Leben an Jesus Christus geglaubt hat, gewissermaßen seine Hand ergriffen hat, der wird dann auch von dieser Hand durch den Tod hindurchgezogen. Dem schenkt er das ewige Leben.

Christen warten nicht auf den Tod, sondern auf die Ewigkeit, die danach kommt und der ihnen dort entgegenkommt, Jesus Christus. Darüber hinaus haben sie auch für die ganze Welt eine wunderbare Hoffnung, von der Petrus hier schreibt: „Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde.“

Diese alte Erde wird einmal vergehen. Und das ist gut so. Denn dann hat auch alles Böse und Ungerechte ein Ende. Der Schrei nach Gerechtigkeit ist groß in unserer Welt der Ungerechtigkeit. Menschen werden unterdrückt, verfolgt, hintergangen, übergangen, verleumdet, die einen sind arm und die anderen, oft auf deren Kosten, reich. Ein Ende hat es mit dieser Ungerechtigkeit erst, wenn Jesus Christus wiederkommt und sein Reich aufrichtet, in dem Gerechtigkeit herrscht.

Wer für dieses großartige Ereignis der Wiederkunft Jesu Christi bereit ist, der ist auch fürs Sterben bereit. Denn, so hat es Luther einmal ausgedrückt: „Der Tod ist eines jeden Menschen Jüngster Tag.“

Unser Leben ist eine Reise mit dem Ziel „Ewigkeit“. Entscheidend ist nur, ob ich im Zug mit der richtigen Richtung sitze. Wer bei Jesus „einsteigt“, wird ans Ziel kommen. Wer an den Sohn Gottes glaubt als seinen persönlichen Retter von all seiner Schuld, der wird seine Zukunft mit ihm in der Ewigkeit verbringen. Wer als Glaubender stirbt, bevor Jesus Christus wiederkommt, der lebt sofort weiter. Es folgt dann keine Bewusstlosigkeit, kein „Todesschlaf“, der erst am Jüngsten Tag endet. Sondern ein Glaubender wird sofort mit Jesus Christus zusammensein. Dem Gangster am Kreuz sagt Jesus zu, als der sich im Glauben an ihn wendet: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“

Das Ziel unseres Lebens ist also die Ewigkeit Gottes. Nur, wer ist schon bereit dafür? Bei Trauerfeiern bete ich in der Regel auch für den Nächsten, den Gott aus unserer Mitte abruft und zwar mit den Worten: „Mache uns im Glauben bereit für unsere letzte Stunde.“ Ich habe schon einmal mitbekommen, dass die mit dieser Bitte verbundene Erinnerung an den eigenen Tod bei dem einen oder anderen unangenehme Gefühle wach gerufen hatte. Sie wollten nichts davon hören, dass sie sich für das Sterben vorbereiten sollten.

Das ist typisch menschlich. Wir verdrängen den Gedanken an den Tod. Denn eigentlich rechnen wir nicht damit. So wie jene Frau. Sie unterhält sich scheinbar ganz nüchtern mit ihrem Mann übers Sterben. Während dieses Gesprächs sagt sie zu ihrem Ehemann: „Wenn einer von uns stirbt, ziehe ich zurück in meine alte Heimat.“ Dass sie selbst diejenige sein könnte, die zuerst sterben könnte, damit rechnete sie offensichtlich nicht.

So widersprüchlich können wir Menschen denken und handeln. Heute am Ewigkeitssonntag denken wir an die Gemeindeglieder, die im letzten Kirchenjahr verstorben sind. Ihre Namen werden bei den Abkündigungen verlesen. Nach unseren Beobachtungen an anderen Menschen erkennen wir, dass wir vermutlich mit 70 oder 80 Jahren sterben werden. Wir wissen, dass jeder Tag, jeder Augenblick uns dem Tod näher bringt. Und wir sehen auch ein, dass jeder Tag der letzte sein kann. Nicht jeder wird 80 Jahre oder noch älter. Man kann auch in jungen Jahren durch einen Unfall, oder in der Mitte des Lebens von einem Tag auf den anderen sterben. Aber wir glauben es einfach nicht. Wir können und wollen es einfach nicht glauben, dass wir sterben können.

Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde.“ schreibt hier Petrus.

Nun wartet die Christenheit schon seit fast 2000 Jahren auf die Wiederkunft Jesu Christi. Sonntag für Sonntag wird im Glaubensbekenntnis gesprochen: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Aber er ist bis jetzt noch nicht gekommen. In der Kirchengeschichte hat man schon oft mit der Ankunft Jesu Christi gerechnet, aber jedes Mal vergeblich.

Und heute? Wer rechnet damit, dass Jesus wiederkommt? Heute rechnen die allermeisten Menschen nicht mehr damit, dass Jesus wiederkommt. Wir beten zwar im Vaterunser: „Dein Reich komme!“ Aber wer rechnet schon damit, dass wirklich einmal das Reich Jesu Christi hereinbricht? Auch in der so genannten Christenheit wartet man weithin nicht mehr auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Seit 2000 Jahren sprechen die Christen „ ...von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten...“ Für Menschen ist das eine lange Zeit. Aber Gott hat eine andere Zeitrechnung. Tausend Jahre sind vor dem Herrn der Zeit wie ein Tag, schreibt hier Petrus. Gott rechnet in anderen Zeiträumen. Und umgekehrt sind für ihn auch ein Tag wie tausend Jahre. Das heißt, Gott kann auch in wenigen Stunden die Entwicklung von tausend Jahren umwerfen. Das Ende dieser Welt kann auch einmal sehr schnell gehen. In kurzer Zeit können sich die Ereignisse überstürzen.

In frommen Kreisen redet man schon seit langem, dass wir in der so genannten „Endzeit“ leben, der Zeit, die dem Kommen Jesu vorausgeht. Dabei wurde sicher der Fehler gemacht, dass man zu schnell meinte: „Jetzt ist die Zeit da!“ Die Uhren der Gläubigen gehen oft vor. Aber das ist besser, als wenn sie nachgehen. Denn wenn eine Uhr vorgeht, kann ich nicht zu spät kommen. Wer damit rechnet, dass jederzeit Jesus wiederkommen kann, der wird einmal nicht eine böse Überraschung erleben.

Im Dritten Reich rechnete man in Widerstandskreisen schon 1942 damit, dass das Hitlerregime in kurzer Zeit zusammenbrechen würde. Aber es dauerte trotzdem noch drei Jahre. Man hatte sich verrechnet, aber man hatte trotzdem recht behalten. Denn man hatte erkannt, dass nach der Niederlage vor Stalingrad der Krieg verloren war. Die entscheidende Schlacht war geschlagen. Was danach noch kam, konnten nur Rückzugsgefechte sein, die allerdings länger dauerten, als erwartet.

Ähnliches haben auch die Christen aller Zeiten erkannt. Seit der Auferstehung Jesu Christi haben der Teufel, die Sünde und der Tod ausgespielt. Das Böse ist entscheidend geschlagen. Eine neue Zeit ist angebrochen, die Zeit des Reiches Gottes. Es wird unwiderstehlich kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es soweit ist.

Dass es bis jetzt so lange gedauert hat, liegt an der Geduld Gottes. Er will nicht, dass jemand verloren geht, sondern dass noch möglichst viele zu ihm umkehren. Wie es Gott hier macht, hat ein Prediger des 19. Jahrhunderts in einem Bild seiner Zeit klargemacht: Auf dem Marktplatz steht die Postkutsche. Die Uhr hat schon geschlagen. Die Leute sitzen drin. Es ist Zeit zur Abfahrt. Aber der Kutscher geht noch um die Pferde, schaut die Geschirre nach und blickt immer wieder die Straße hinunter. Warum fährt er denn noch nicht ab? Plötzlich kommt noch einer mit eiligen Schritten um die Ecke gebogen und läuft auf die Kutsche zu: Auf diesen Mann hat er gewartet. Als dieser Platz genommen hat, setzt sich der Kutsche auf den Bock, löste die Bremsen und nimmt die Zügel und die Peitsche zur Hand. Die Fahrt beginnt.

Die Zeit des Kommens Jesu ist längst überfällig. Aber er wartet noch. Worauf? Dass doch der eine oder andere bei ihm „einsteigt“, an ihn glaubt. Aber wer weiß, wie lange er wartet. Es kommt einmal die Zeit, wo man nicht mehr „einsteigen“ kann.

Jesus kommt wieder. Vielleicht erleben wir es alle noch zu unseren Lebzeiten. Wenn nicht, dann geschieht es für uns beim Zeitpunkt unseres Todes. Wir alle müssen bereit dafür sein. Petrus nennt in unserem Predigtabschnitt zwei Punkte, die für das Bereitsein eine wichtige Rolle spielen: Warten und Eilen.

Warten und Eilen sind eigentlich zwei völlig gegensätzliche Verhaltensweisen. Und doch: So gegensätzlich die Worte „warten“ und „eilen“ sind - so gehören sie doch beide zum Christsein.

Rechte Christen warten auf die Erlösung, auf die Wiederkunft Jesu Christi. Sie erleben Gefangenschaft in Leid und Schuld. Sie erleben Katastrophen globalen Ausmaßes. Es begegnet ihnen Hass und Feindschaft. Es trifft sie Ungerechtigkeit. Doch sie warten nun nicht auf die große Endkatastrophe. Nein, sie warten darauf, dass Jesus wiederkommt. Sie wissen ja, die sich häufenden Katastrophen, das sich steigernde Leid sind die Geburtswehen einer neuen Welt. Wenn bei einer schwangeren Frau die Wehen einsetzen, dann wartet sie ja trotz aller Ängste und Schmerzen nicht auf das Ende ihres Lebens, sondern auf den Beginn eines neuen Lebens. So können sich auch Christen freuen, auch wenn diese Welt immer finsterer und gottloser wird. Sie freuen sich darauf, dass die neue Welt Gottes kommt.

So wie jener 17jährige Junge. Dieser stürzte als 1jähriges Kind die Treppe hinunter und zertrümmerte dabei seinen Rücken. Es folgten unzählige Krankenhausaufenthalte. Trotzdem sagte er zu seinem Pfarrer: „Gott ist fair.“ Dieser stutzte und fragte: „Wie alt bist du?“ „17 Jahre.“ „Wie viele Jahre hast du im Krankenhaus verbracht?“ „13“ „Findest du das fair?“ Der Junge antwortete: „Gott hat eine ganze Ewigkeit, um es bei mir wiedergutzumachen.“

Gott wird alles wieder gut machen. In Gottes neuer Welt wird es kein Weinen, keine Trauer und keinen Schmerz mehr geben. Wir werden auch einen neuen Leib von Gott erhalten, der nicht mehr krank werden und altern kann. Wir werden die wiedersehen, die vor uns gestorben sind und wie wir Jesus liebhatten. Wir werden die Ewigkeit in Gottes Gegenwart verbringen. Sind das Luftschlösser? Nein, so hat es uns Jesus in der Bibel versprochen. Wir können uns auf seine Worte verlassen.

Auf diese wunderbare Zukunft dürfen wir also warten. Und doch - ein rechter Christ wartet nicht nur auf die Wiederkunft Jesu Christi. Er „eilt“ auch diesem Ereignis entgegen. Er weiß, dass man auch Gnade verpassen kann.

Darum spannt er alle seine Kräfte an. Er hat ein Ziel vor Augen, das er auf jeden Fall erreichen will, um jeden Preis. Deshalb eilt er der Zukunft entgegen. Er weiß ja nicht, wann er Jesus begegnen wird, sei es im Zeitpunkt seines Todes oder bei der Wiederkunft Jesu Christi. Wer weiß schon, ob es für ihn nicht schon morgen der Fall ist. Deshalb sagt Jesus auch in seinen Reden, in denen er auf seine Wiederkunft hinweist: „Seid bereit!“ Denn keiner, außer seinem Vater im Himmel, weiß Zeit und Stunde, in der er kommen wird. Und nichts Schlimmeres, als wenn er uns unvorbereitet vorfinden würde!



Eilen heißt nicht, sich zu bemühen, das zu tun, was Gott will. Das wird nicht funktionieren. Wir dürfen Fehler machen, auch als Christen. Wir werden auch immer wieder Fehler machen und Schuld auf uns laden. Aber wir können uns immer wieder schuldig geben, wenn wir gemerkt haben, dass wir gesündigt haben. Wir können Gott für seine Vergebung danken. Wir können Jesus auch für seine Erlösung danken und damit rechnen, dass er uns zu anderen Menschen umgestaltet. Gott will nicht, dass wir so oberflächlich und gedankenlos dahinleben, ohne dass wir uns irgendwelche Gedanken darüber machen, ob das richtig ist, was wir tun. Ohne Nachdenken über unser Verhalten. Er will aber auch nicht, dass wir nur über unsere Fehler und Schwächen nachdenken. Das ist auch vertane Zeit. Gut genutzte Zeit ist die, die ich in Gemeinschaft mit Jesus verbringe. Wenn ich ihn ins Spiel, mitten in mein Leben hineinbringe. Wenn ich mein Leben nicht ohne, sondern mit ihm lebe. Das heißt, dass ich ihn in jeder Not anrufe und ihm vertraue, dass ich alle meine Sorgen auf ihn werfe und glaube, dass er für mich sorgt. Dass ich meine Schuld unter sein Kreuz bringe und neu die Vergebung glaube. Dass ich alle Ängste vor der Zukunft oder vor sonst was aushalten kann im Vertrauen: was auch passiert, Jesus ist da und hat alle Macht und kann alles ändern. Und dass ich anfange, zu loben und zu danken, egal, ob ich mich gerade gut oder schlecht fühle. Wer das tut, der eilt der Zukunft entgegen, die Gott für ihn bereit hat. Der nutzt seine Zeit recht.

Amen