Bayreuth, den 14.04.2022 Lukas 22, 14-24

Liebe Gemeinde!

Enttäuschte Hoffnungen kennen wir sicher alle. Enttäuschte Hoffnungen, enttäuschte Liebe, enttäuschtes Vertrauen. Wir haben bestimmte Vorstellungen vom Leben, die sich als Illusion, als Täuschung erwiesen haben. 

Auch die Jünger Jesu haben sicher manche Enttäuschung durchmachen müssen. In ihrem Leben ging Vieles ganz anders, als sie es sich selbst vorgestellt haben. Sie haben sich Großes mit Jesus erwartet. Aber dann kam alles ganz anders. Sie haben mit Jesus am Gründonnerstag das Abendmahl gefeiert. Dabei geschah Folgendes. Ich lese Lukas 22 Vers 14 bis 24:

14 Und als die Stunde kam, setzte er sich nieder und die Apostel mit ihm. 15 Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide. 16 Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es erfüllt wird im Reich Gottes. 17 Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt ihn und teilt ihn unter euch; 18 denn ich sage euch: Ich werde von nun an nicht trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt. 19 Und er nahm das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. 20 Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird! 21 Doch siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir am Tisch. 22 Denn der Menschensohn geht zwar dahin, wie es beschlossen ist; doch weh dem Menschen, durch den er verraten wird! 23 Und sie fingen an, untereinander zu fragen, wer es wohl wäre unter ihnen, der das tun würde. 24 Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten sollte.

Wie menschlich, wie allzu menschlich haben sich die Jünger verhalten. Sie träumten von Erfolg und Ruhm mit ihm. Wie ein König mit seinem Gefolge zogen sie ja vor ein paar Tagen in Jerusalem ein. Und er sprach von seinem Leiden und Sterben. Sie verstanden Jesus nicht. Ob sie ihm wohl insgeheim Vorwürfe machten? Auch das Verhältnis untereinander war nicht das Beste. Petrus hielt sich immer eine Spur besser wie die anderen. Rangkämpfe spielten sich ab, Neid und Missgunst tauchten auf. Jesus ging den niedrigsten Weg bis hin zum Kreuz. Und die Jünger merkten es nicht. Sie hatten nichts Anderes zu tun, als sich darüber zu streiten, wer denn der Größte von ihnen sei. Man muss sich fragen: Was haben diese Anhänger Jesu von dem verstanden, worum es ihrem Herrn ging? Bis zu diesem Zeitpunkt herzlich wenig.

Vor einigen Jahren ist eine oberbayerische Frau vom Papst selig gesprochen worden. Im Sterbebuch dieser Frau vermerkte der katholische Pfarrer bei ihrem Namen mit Bleistift: "Heilig" Die Jünger beim Abendmahl waren keine Heiligen. Sie waren eher Feiglinge, Männer, die Jesus mehrmals wegen ihres Kleinglaubens tadelte und die trotzdem Gedanken von Ruhm und Ehre kitzelte. Sie waren Sünder - wie du und ich auch.

Jesus ist in dieser Gesellschaft der einzige Sündlose. Und trotzdem sitzt er mit seinen Jüngern an einem Tisch. Er hat keine Angst, sich mit ihnen zu beschmutzen. Auch heute schämt er sich nicht, in unsere Mitte zu kommen. Auch heute kommt er in seinem Abendmahl zu uns. Zu uns Sündern. Luther hat einmal gesagt: "Gott hat wenig Reine gen Himmel geführt; die meisten hat er aus dem Schlamm gezogen."

Er muss uns alle aus dem Schlamm ziehen. Wir alle stecken tief genug drin, im Dreck unserer eigenen Sünde: im Egoismus, in Lieblosigkeit, Zweifel und Bitterkeit, in Lüge und Halbwahrheit, in Überheblichkeit wie in falschen Minderwertigkeitsgefühlen, in Feigheit, die uns nicht zu unserem Glauben bekennen lässt und mangelhaftem Einsatz für Jesus und unsere Mitmenschen. Ein ganzer Sumpf von Sünde!

Aber Jesus lässt uns nicht drin. Er macht uns keine Vorwürfe. Er sagt nicht: "Hättest du halt besser aufgepasst. Dann wärest du nicht in den Dreck hereingefallen." Er gibt uns auch keine Ratschläge wie: "Du bist selber in den Sumpf gefallen. Jetzt schau auch, wie du allein wieder rauskommst!" Wenn Jesus so gedacht hätte, dann wäre er nicht gestorben, dann gäbe es auch kein Abendmahl.

Stattdessen sagt er: "Das ist mein Lieb, der für euch gegeben ist...dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird." "Für euch", diese beiden Worte sind der Schlüssel zum Verständnis des Abendmahls. Für euch - das bedeutet in diesem Zusammenhang einmal "anstelle" und zum anderen "zugute". Hier ist also zunächst einmal von einer Stellvertretung die Rede. Eigentlich hätten wir dort am Kreuz hängen müssen. Aber an unserer Stelle tritt nun ein anderer, ein Unschuldiger, ein, um für mich diese Todesstrafe abzubüßen.

Das alles kommt uns zugute. Wir machen einen Gewinn, ein Geschäft. Wir dürfen Vergebung erfahren, ein neues Leben mit Gott anfangen. Das ist Evangelium, frohe Botschaft.

Dieses Geschenk, dieses Angebot Gottes, gilt "für euch", sagt Jesus in den Einsetzungsworten des Abendmahls. Das bezog sich damals auf die Jünger, alles Leute, die viel falsch gemacht, häufig versagt, Jesus manches Mal enttäuscht und ihm eigentlich nicht viel zu bieten hatten. Und heute beziehen sich die Zusagen Jesu auf uns.

Sie gelten uneingeschränkt auch für dich. Denn "für euch" ist die Mehrzahl von "für dich". Es geht Jesus um dich, um dein Leben. Er will sich dir mitteilen und dich mit seiner Gegenwart beschenken. Jesus ist nicht für eine anonyme Masse gestorben, sondern für dich. Wenn nur ein einziger Mensch auf der ganzen Welt einen Erlöser gebraucht hätte, Jesus wäre für ihn ans Kreuz gegangen. Und wenn du dieser Mensch gewesen wärest, er hätte es auch für dich getan. So überwältigend groß ist Jesu Liebe.

Wenn du zum Abendmahl kommst und Vergebung willst, dann nimmt er dich an, ja noch viel mehr: Er nimmt dich in sich auf. Du bist wirklich in ihm, in ihm geschützt und geborgen. Du bist in einem Raum der Liebe und Vergebung und hast Anteil an dem neuen Leben, das von Jesus ausgeht. "Wer in Christus ist, der ist eine neue Schöpfung", sagt Paulus.

Auch wenn du nach dem Abendmahl wieder schuldig wirst, - das Neue, das durch die Vergebung geschaffen wird, wird nicht wieder einfach weggewischt. Es bleibt wirksam.

Im Zimmer Nummer 15 eines Freizeitheimes saß ein 16jähriges Mädchen auf einem Stuhl und weinte leise. Ihre Zimmerkollegin wachte auf und ging zu ihr hinüber. "Komm, sag mir deinen Kummer", flüsterte sie. Sie kuschelten sich aneinander, und das Mädchen erzählte.

Nach der Abendmahlsfeier im Gemeinschaftsraum hatten einige aus der Gruppe noch diskutiert. Einer wusste es genau: Wem einmal die Sünde vergeben ist, der darf nie mehr sündigen, sonst hat er auf ewig die Gnade verscherzt. "Dann bin ich verloren", sagte das Mädchen, "ich schaffe es nie, immer nur gut zu sein!"

Ihre Freundin nahm ihre Bibel und eine Taschenlampe vom Nachttisch. Sie sucht den Vers, den der Junge zitiert hat. Sie findet ihn, findet aber im gleichen Kapitel den richtigen Trost, in Römer 8: "Wer will uns verdammen? Christus ist hier. Nun kann uns nichts mehr scheiden von der Liebe Gottes." Auch nicht unser Versagen. Wenn Jesus nur den Gerechten helfen könnte, dann wäre der Himmel leer. Wir werden ja immer wieder schuldig an Gott und unseren Mitmenschen, auch wenn uns schon einmal vergeben worden ist.

Denken wir an die Jünger: Beim Abendmahl bekamen sie Vergebung. Und wenige Stunden später versagten sie. Und wie! Im Garten Gethsemane beteten sie nicht mit Jesus, sondern schliefen ein. Danach kam das Verhaftungskommando - und die Jünger ließen sie ihn im Stich! Petrus erwies sich als Großmaul. Vorher tönte er noch: Nie werde ich dich im Stich lassen! Kurze Zeit später wagte er es nicht, sich vor einem Mädchen zu Jesus zu bekennen.

Und trotzdem galt diesen Versagern die Liebe Jesu weiter. Er ließ sie nicht los. Die Jünger Jesu, dieser Haufe von Versagern - wie sehr veränderte er sich noch! Aus dem etwas großmäuligen Petrus wurde nun tatsächlich ein Wortführer der Apostel, der es in sich hatte. Die Jünger Jesu wurden eine wunderbare Gemeinschaft, von der etwas ausging. Sie strahlten die Liebe Jesu aus. Um sie sammelte sich die erste Gemeinde. Ihre Träume von Größe wurden doch noch erfüllt. Allerdings anders und vor allen Dingen auf einem anderen Weg, wie sie es sich vorgestellt hatten.

Das Gleiche gilt auch für uns, für dich. Jesus verändert dich schon noch, auch wenn du noch so oft versagt hast und noch versagen wirst. Bei diesem Abendmahl fängt er wieder neu mit dir an. Selbst wenn wir denken: Jetzt habe ich schon so oft immer wieder den gleichen Fehler gemacht. Mit mir wird das nie anders. Jesus denkt nicht so. Denn mit wem er einmal das gute Werk des Glaubens angefangen hat, bei dem wird er es auch einmal vollenden, schreibt einmal der Apostel Paulus. Gott gebraucht für dieses Werk auch unser Versagen. Gerade unser Versagen.

Gott nimmt erst einmal, bevor er gibt. Er zerbricht erst einmal, bevor er ganz macht. Er nimmt und zerbricht unseren Stolz, unseren Dickkopf, unsere selbstgewählten Wege und Pläne, alles Eingebildetsein auf unsere Stärke und unseren Glauben und unsere Tüchtigkeit. Und dann gibt er erst wunderbare Führungen, tiefe Erfahrungen mit ihm, Veränderungen unseres Wesens. Er erfüllt unsere Sehnsucht nach einem schönen, heilen Leben - viel besser, als wir sie uns ausgedacht haben.

Ich habe einmal die Geschichte von drei Bäumen gelesen. Sie standen auf einem Hügel und hatten wie wir Menschen ihre besonderen Träume.

Der erste Baum träumte davon, einmal eine Schatztruhe zu werden. Der Baum malte sich aus, eine wunderbar geschnitzte Truhe zu sein, die einen kostbaren Schatz in sich bewahrt. - Der zweite Baum träumte davon, ein Schiff zu werden. Er sehnte sich danach, Könige über die Meere zu bringen. - Der dritte Baum gar wollte der wichtigste Baum auf Erden werden. Und er wollte auf dem Hügel bleiben.

Eines Tages kamen Holzfäller und hieben die drei Bäume um. Der erste Baum wurde zu einer Futterkrippe verarbeitet und kam in einen armseligen Stall nach Bethlehem. Ochse und Esel fraßen aus der Futterkrippe und rieben sich am Holz ihr Fell. Dann wurde in einer wundersamen Nacht in diesem Stall das Jesuskind geboren und in die Futterkrippe gelegt. So wurde der Traum von der Schatztruhe doch noch erfüllt. Aber so ganz anders und noch viel tiefer, als es der Baum geträumt hatte.

Aus dem zweiten Baum wurde ein Fischerboot gemacht. Am See Genezareth fuhren die Fischer mit dem Boot hinaus. Da kam eines Tages Jesus an den See und stieg in das Boot, um von dort aus vielen Menschen zu predigen. So wurde das Boot zu einem Gefährt, das den König aller Könige mit seinem wunderbaren Evangelium zu den Menschen brachte.

Der dritte Baum wurde zum Fluchholz und Todesbaum und dachte wehmütig an seinen Lebenstraum. Da wurde Jesus an ihm festgenagelt und erlöste durch seinen Tod am Kreuz alle Menschen. So wurde der Baum auf dem Hügel Golgatha der wichtigste Baum auf Erden, ein Baum des Lebens und Zeichen des Sieges.

Wenn Gott unsere Träume zerstört, dann kann das der erste Schritt dafür sein, dass er unsere Träume erfüllt, oft anders aber viel tiefer und besser, wie wir sie uns ausgemalt haben.

Vielleicht haben wir das auch schon erlebt. Zumindest ich schon. Da habe ich mich um Stellen beworben. Aber es hat nicht geklappt. Dafür konnte ich später eine viel schönere Stelle antreten. Oder ein zweites Beispiel: Wie schlimm war es für mich als Kind, als meine Eltern beschlossen, in die Innenstadt Bayreuths umzuziehen. Aber dadurch kam ich später in den Konfirmandenunterricht eines Pfarrers, durch dessen Verkündigung ich später zum Glauben kam.

Gott weiß, was er tut, wenn er unsere persönlichen Wünsche und Träume zerstört, um uns letztlich viel Besseres und Schöneres zu schenken, als was wir uns gewünscht haben.

Amen