Bayreuth, den 01.05.2022 - Johannes 21, 15-19

Liebe Gemeinde! 

Eine christliche Wochenzeitschrift kürt jährlich einen „Christen des Jahres“. Damit soll auf Menschen aufmerksam gemacht werden, deren Verhalten in den vergangenen 12 Monaten für andere Christen als Vorbild dienen kann.

Wäre der Apostel Petrus ein guter Kandidat für einen „Christen des Jahres“ gewesen? Immerhin war er der Sprecher der Jünger, immer vornedran, wenn es etwas zu beschließen oder zu tun gab. Aber die Bibel verschweigt uns auch nicht die Schwachstellen und Schattenseiten dieses Mannes. Wie wir wissen, hat er vor der Kreuzigung Jesu beim Abendmahl sehr großspurig getönt: „Ich verlasse Jesus nicht, auch wenn alle anderen es tun. Ich bleibe ihm treu!“ Doch es kam ganz anders. Wenige Stunden später versagt er jämmerlich.

Im Palasthof des Hohenpriesters Kaiphas verleugnet er dreimal seinen Herrn. Wie stand er nun da? Als Angeber und Hochstapler, großspurig. Er konnte sich selbst nicht mehr in die Augen schauen. Christ des Jahres? Auf keinen Fall! Und nun die Begegnung mit Jesus, die nach der Auferstehung spielt. Nach dem Essen nimmt Jesus Petrus beiseite. Ob den Jünger wohl noch das schlechte Gewissen plagte? Ob er wohl Angst hatte, von Jesus wegen seines Versagens zur Rechenschaft gezogen zu werden?

Es kommt alles ganz anders wie erwartet. Keine kritische Frage: „Sag mal, Petrus, was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“ Oder: „Du kannst dir sicher denken, dass ich von dir enttäuscht bin.“ Oder: „Petrus, dein Verhalten hat mich doch sehr ins Fragen gebracht.“ Stattdessen die Frage: „Liebst du mich?“ Dreimal fragt er ihn, genauso oft, wie Petrus ihn verleugnet hat.

Es wird also das Versagen des Petrus nicht unter den Tisch gekehrt. Aber es wird nur zart angedeutet. Jesus macht dem Petrus keinen Vorwurf. Er macht ihm durch seine Fragen klar: Bei mir zählt nicht das Versagen, es zählt nur deine Liebe zu mir.

So ist Jesus. Bis auf den heutigen Tag handelt er so. Wenn wir unsere Sünde, unsere Schuld und Versagen erkennen und darunter leiden, so wie es bei Petrus war, - „Er weinte bitterlich“ heißt es nach der Geschichte seiner Verleugnung, - dann hören wir von ihm kein Wort des Vorwurfes. Dann begegnet uns nur seine Liebe und Vergebung. Dadurch wird unsere Sünde nicht verharmlost. Jesus musste ja für sie am Kreuz sterben. So furchtbar und schlimm ist sie. Aber keine Sünde, und sei sie noch so groß, kann mich von seiner Liebe trennen. Es hat einmal jemand so ausgedrückt: Unsere ganze Sünde ist immer nur ein Tropfen im Vergleich zum Ozean der Liebe Jesu.

Dass wir immer wieder versagen, macht uns nicht unbrauchbar für Jesus. Im Gegenteil, Jesus umgibt sich immer mit Versagern, so wie Petrus einer war. Mit den Braven und Selbstgerechten kann er nichts anfangen. Denn denen kann er ja nicht seine Liebe schenken. Die brauchen ihn nicht.

Jesus fragt uns nicht nach unserer Frömmigkeit, nach unserer Geschicklichkeit, nach unserer Einsatzbereitschaft für seine Sache. All das ist zweitrangig und nachgeordnet. Er fragt uns zuerst nach unserer Liebe zu ihm.

Dreimal fragt er Petrus: Hast du mich lieb? So wichtig ist Jesus diese Frage. Es ist eine bohrende Frage, an deren Beantwortung wir uns nicht irgendwie vorbeimogeln können.

Es geht im Christsein letzten Endes immer nur um die Liebe zu Jesus. Er will nicht unseren Taufschein, Konfirmationsschein, Kirchensteuerbescheinigung oder kirchlichen Trauschein. Mit alledem könnten wir nur Schein-Christen sein, die nichts gegen Gott haben. Jesus will mehr. Er will unsere Liebe. Unser Christsein soll keine Mogelpackung sein, deren Verpackung etwas Anderes vortäuscht, als der wirkliche Inhalt ist. Mogeln ist bei Jesus ausgeschlossen.

Bei einer japanischen Hochzeit wurden die Gäste gebeten, einen Krug Reiswein mitzubringen. Alle leerten das Mitgebrachte in ein großes Gefäß am Eingang. Als sie tranken, wurden sie nicht blau vom Alkohol, sondern rot vor Scham. Es war pures Wasser. Jeder dachte, mein gemogeltes Wasser merkt man in dieser großen Menge nicht. Was für eine Blamage und was für ein Betrug!

In das Fest in der Ewigkeit Gottes können wir uns nicht so hineinmogeln. Wir müssen schon etwas mitbringen. Das ist die Liebe zu Jesus. Sonst bleibt unser Christsein ein frommer Betrug uns selbst gegenüber und Gott gegenüber. Wie sieht das mit unserer Liebe zu Jesus aus? Es heißt, ihn zu lieben, weil er mich zuerst geliebt hat. Hast Du, haben Sie diese Liebe erfahren?

Wie entsteht Liebe überhaupt? Liebe, wirkliche Liebe, entsteht durch Begegnung. Wem ich noch nie begegnet bin, den kann ich auch nicht lieben. Nur unter der Begegnung kann der Funke überspringen und ein Feuer entzünden.

Mit der Liebe zu Jesus verhält es sich genauso. Wenn er für mich nur eine geschichtliche Person ist, von der man im Gottesdienst immer wieder schöne Geschichten hört, bleibt er mir fremd. Erst wenn er als der Lebendige und Auferstandene zu mir spricht, kann ich ihn auch lieben.

Dass Jesus durch sein Wort ganz persönlich zu mir spricht, ist ein Wunder, das man nicht beschreiben, sondern nur erleben kann. Da kann einer die gleichen Sätze wie ein anderer in der Predigt hören, aber den einen lassen sie innerlich kalt, und der andere merkt, dass Jesus ihn anredet. Es kann einer den gleichen Bibelabschnitt wie ein anderer lesen, und der eine wird von Gott angerührt, und der andere bleibt verschlossen.

So habe ich es selbst erlebt, als ich als Fünfzehnjähriger in der Bibel las, und mir begegnete in den Worten, die ich las, zum ersten Mal die vergebende Liebe Jesu. Ein anderer, der mit mir im gleichen Zimmer war, las zur selben Zeit die gleichen Worte. Sie rührten ihn nicht an.

Wen lässt die Liebe Jesu kalt? Wen rührt sie an? So kann man fragen. Die Antwort lautet: Wer gemerkt hat, dass sein Christsein nichts taugt, dass er wie Petrus ein Versager ist, der Gott schon so oft durch sein Verhalten enttäuscht hat, wer darum weiß, dass Gott ihn deshalb verstoßen müsste, der hat die besten Voraussetzungen dafür, die Liebe Jesu zu erfahren. Er braucht sich nur nach ihr zu sehnen, um sie zu bitten, dann bekommt er sie auch geschenkt, in der Vergebung. Jesus ist immer für dich da und bereit, dir seine Liebe zu schenken. Er spricht auch jetzt zu Ihnen, zu dir: „Ich habe dich je und je geliebt. Deshalb habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“

Viele unter uns haben sicherlich diese Liebe Jesu in ihrem Leben erfahren und angenommen. Aber wir wissen ja, wie das mit einer Liebe weitergehen kann. Sie kann auch wieder nachlassen oder gar verschwinden.

In der Offenbarung Johannis spricht Jesus von der ersten Liebe zu ihm, die man verlassen kann. In der Regel geschieht solches Verlassen unmerklich. Jesus ist einem nicht mehr so wichtig wie früher. Andere Dinge schieben sich in den Vordergrund. Die tägliche Bibellese, die einem früher so wichtig war, fällt schon einmal aus.

Die Gottesdienste bringen einem nicht mehr so viel. Vielleicht schiebt man die Schuld auf den Pfarrer und den immer gleichmäßigen Ablauf eines Gottesdienstes. Man empfindet das als langweilig. Aber ist nicht der eigentliche Grund ein anderer? Liegt es nicht daran, dass einem Jesus nicht mehr so wichtig ist? Findet das Christsein vielleicht nur noch gewohnheitsmäßig und nicht mehr aus Liebe zu Jesus statt?

Das Wunderbare ist jetzt: Ich brauche jetzt nicht wie ein Vereinsvorsitzender mit Forderungen kommen wie: Wir müssen uns wieder anstrengen, damit unsere Sache wieder vorwärtsgeht!

Nein ich möchte euch alle und auch mich an etwas erinnern. Wie war denn das, als unser Herz für Jesus gebrannt hat? Da hatten wir gemerkt, wie groß unsere Schuld war und wie übergroß die Liebe Jesu.

Wie groß ist diese Liebe! Eine kleine Geschichte aus der Mission kann uns ihre Größe verdeutlichen. Vor einer Taufe sollen die Taufbewerber geprüft werden. Der Missionar fragte die alte Afrikanerin aus dem Transvaal: "Was hast du in diesen zwei Jahren gelernt?" Die Frau sah stumm vor sich hin. "Dann sage uns doch, was Jesus für dich getan hat." Da holte die Frau vom Lagerfeuer glühende Holzstückchen und legte sie in einen engen Kreis um einen Käfer. Der sucht vergeblich einen Ausweg. Immer näher züngeln die Flammen. Im letzten Augenblick, ehe das Tierchen sich versengen muss, greift die Frau in den Kreis hinein, hebt den Käfer heraus und gibt ihm die Freiheit. Dann schaut sie auf und sagt: "Das tat Jesus für mich!"

Diese Frau konnte keine Bibelsprüche, Gesangbuchverse und Katechismustexte aufsagen. Doch sie hat das Entscheidende begriffen: Die Liebe Christi zu ihr. Sie hat verstanden und geglaubt, dass er sie aus einer aussichtslosen Lage herausgeholt hatte. Ohne Jesus wäre sie verloren gewesen wie jener Käfer. Doch er hatte sie gerettet. Diese Liebe konnte sie nicht in Worte fassen. Aber sie hat sie sicherlich erfahren. Und das war das Entscheidende.

Überleg dir einmal: Da gibt es einen, der weiß zwar, wie du bist: Ganz und gar nicht so lieb, wie du sein solltest, ganz und gar nicht ihm gehorsam, sondern oft höchst eigensinnig. Aber der liebt dich trotzdem. Der vergibt dir, wenn du seine Vergebung haben willst. Der liebt dich trotzdem, auch wenn du noch so lieblos bist.

Die Liebe Christi ist immer größer, auch größer als die größte und abscheulichste Schuld. So eine Liebe muss einen doch bewegen und begeistern. Und zwar so bewegen, dass man selber auch so lieb sein möchte wie dieser Jesus Christus. Doch dies geschieht nicht durch unsere Bemühungen, durch unsere Kraft, sondern auch nur durch seine Liebe, durch seinen Geist in uns.

Jesu Liebe erfahren und ihn dann auch liebhaben, ist nicht das Steckenpferd von ein paar besonders Frommen. Allein die Liebe zu Jesus kann die Voraussetzung zum rechten christlichen Handeln und Mitarbeiten für ihn und seine Gemeinde sein.

Ich möchte dies an einem kleinen Beispiel klarmachen. Da beobachtete ein Mann auf einer Baustelle drei Maurer. Er fragt sie: „Was macht ihr da eigentlich?“ Der erste antwortet: „Ich verdiene hier Geld.“ Der zweite: „ich setze Steine aufeinander, das sehen Sie doch.“ Der dritte antwortete mit leuchtenden Augen: „Ich baue ein Krankenhaus.“ Drei verschiedene Einstellungen, wie man seine Aufgaben verrichten kann. Drei Einstellungen auch von Leuten, die in der Gemeinde Jesu mitarbeiten. Der eine tut es als seine Pflicht, der andere, weil er ein wenig Ehre und Anerkennung sucht, und der dritte aus Liebe zu Jesus. Sie kann allein die rechte Motivation für alle Arbeit und auch Mitarbeit im Reich Gottes sein.

Die Liebe Jesu ist kein berauschendes Gefühl, das mich nun erfüllt und in dem ich selig schwelgen kann. Sie macht zwar frei und froh, aber sie drängt mich nun auch zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Ein Christ ist bestimmt kein Drückeberger, der seinen Aufgaben ausweicht, und der zufrieden ist, wenn es nur ihm gut geht. Sondern er bekommt eine Verantwortung übertragen, so wie Petrus, zu dem Jesus sagt: „Weide meine Lämmer.“ Das heißt, sei ein Hirte für meine Gemeinde. Es ist nicht jeder zu den Taten eines Petrus berufen. Aber jeder kann mit seinen Gaben etwas für Jesus tun.

Wo er kann und gefragt wird, soll ein Christ seinen guten Einfluss geltend machen und nicht denken: Ach, die böse Welt lässt sich doch nicht ändern! Wie viel Verantwortung allein habe ich meiner Familie und meinen Kindern gegenüber! Verantwortungsvolles Handeln ist auch das treue Gebet für sein Land, seine Stadt, seine Gemeinde und seine Kirche. Gerade die, die vorne stehen, haben unsere Fürbitte notwendig, wie Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Stadträte, unser Oberbürgermeister, unser Dekan und unsere Regionalbischöfin, um nur einige zu nennen. Wir können die Macht und Wirkung solcher Gebete gar nicht überschätzen.

Wir müssen der Versuchung widerstehen, unserer Verantwortung uns zu entziehen, aus Bequemlichkeit, Feigheit oder aus Resignation. Der bequemste Weg ist nicht immer der richtige. Vor allen Dingen ist er dann nicht der richtige, wenn wir nur auf unser eigenes Wohlergehen bedacht sind.

So fragt Jesus auch uns heute: "Hast du mich lieb?" Wenn wir mit "Ja" antworten, dann sagt er zu uns: "Dann setze dich auch für mich und meine Sache ein." Und wenn wir ihn im Gebet fragen: "Was soll ich denn für dich und deine Sache tun?" dann bekommen wir sicher eine Antwort.

Vielleicht ist das, was ich jetzt sage, schon eine Antwort für den einen oder anderen unter uns: Besuche Menschen, die dich brauchen! Besuche Alte, Einsame, Kranke, Menschen, die die Liebe Jesu brauchen. Gib in deiner Familie die Liebe Jesu weiter. Da gibt es viel, was du tun kannst, als Vater, Mutter, Sohn oder Tochter. Arbeite bei uns im kids-Treff mit. Wir brauchen ehrenamtliche Mitarbeiter bei der Hausaufgabenhilfe, unter der Woche im kids-Treff oder im Teen-Treff. Oder die jungen Leute unter uns, die kurz vorm Abitur stehen: Überlegt euch, ob Gott nicht will, dass ihr Theologie studiert und Pfarrer oder Pfarrerin werdet. Dieser Beruf kann in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in unserem Land und unserer Gesellschaft sicher immer schwerer werden. Aber was soll denn aus unserer Kirche werden, wenn niemand von den jungen Leuten mehr den Pfarrberuf ergreifen möchte? Sollen die Kanzeln unbesetzt bleiben? Soll das Evangelium nicht mehr oder nur in unvollkommener Weise verkündigt werden? Soll das der Wille Gottes sein? Ich will es nicht glauben. Er möchte, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, vielleicht auch durch dich.

Amen