Bayreuth, 22.05.2022 - Lukas 11,1-13

Liebe Gemeinde!

Wanderer auf Usedom. Alte Buchenwälder, Blick aufs Wasser und Seeadler. Dann Einkehr in ein Café. Hier soll es den besten Kuchen auf Usedom geben. Und Hunger auf Kuchen hatten die Wanderer. Den gab es auch. Wirklich guten Kuchen. Die Philosophie des Lokals fasste augenzwinkernd ein Wandspruch im Café zusammen: „Ein Leben ohne Kuchen ist möglich. Aber es ist sinnlos.“

Wie ist das mit dem Christsein? Ist Christsein ohne Gebet möglich, aber sinnlos? Oder ist es gar unmöglich und macht keinen Sinn? Jesus und alle Schreiber des Neuen Testaments würden sicher Zweiteres bejahen. Es gibt kein Christsein ohne Gebet und macht keinen Sinn. Aber ich fürchte, so manche Christen, vielleicht auch unter uns, könnten sagen: Ein Christsein ohne Gebet ist sicher unsinnig. Aber es ist möglich, da das Gespräch mit Gott, das ist ja das Gebet, immer wieder abreißt, für kürzere oder gar längere Zeit.

Dabei ist das Gebet nicht etwas, was man vernachlässigen oder was man wie ein Hobby betreiben kann: Ist zwar nett, wenn man betet, und man macht es auch, mehr oder weniger als Erfüllung einer frommen Pflicht. Aber man könnte auch ohne Gebet leben. Können Sie das? Kannst du das?

Wer nicht genau weiß, wie er darauf antworten soll, kann er sich mal folgendes fragen: Wie würde Ihr Christsein ohne Gebet aussehen? Würde etwas anders sein? Würde etwas fehlen?

Manche meinen: Das Gebet ist so etwas wie ein Schleudersitz im Düsenjet. Da ist man froh, dass es ihn gibt. Aber man ist noch dankbarer, wenn man ihn nicht gebrauchen muss. Verräterisch sind solche Formulierungen wie: Da hilft nur noch Beten. Das heißt ja: Im Normalfall schaue ich, dass ich alleine, ohne Inanspruchnahme der Hilfe und des Eingreifens Gottes mein Leben bewältige. Nur, wenn es nicht anders geht, bete ich um Hilfe.

Aber das Gebet ist mehr als ein letzter Helfer in der Not. Es sollte uns tagtäglich, unser Leben lang begleiten. Gott möchte das ja auch. Er will uns auch unser Leben lang begleiten und möchte, dass wir unsere Anliegen mit ihm besprechen, also beten.

Jesus macht uns hier in seinen Worten Mut zum Gebet. Wer bittet, dem soll gegeben werden. Wer sucht, wird finden. Wer anklopft, dem wird aufgetan. So sagt er. Diese Worte klingen einfach, wie ein Rezept. Ist das so?

Ein Gerät funktioniert, wenn ich mich genau an die Bedienungsanleitung halte. Wenn ich meinen Computer anschalte und die richtigen Tasten benutze, dann erwarte ich, dass er funktioniert. Oder wenn ich in einen Automaten das richtige Geldstück einwerfe, dann hat unten die gewünschte Ware herauszukommen. Wenn sich nichts tut, dann ist der Automat kaputt.

Manche scheinen sich auch das Beten so vorzustellen: Gott hat gefälligst wie ein Automat zu funktionieren. Wenn ich oben die guten Taten und mein Gebet einwerfe, dann muss unten die Erfüllung meiner Wünsche herauskommen. Aber so einfach ist das eben nicht.

Nicht jedes Gebet hat das Versprechen der Erfüllung. Sondern nur die Gebete, die aus dem Herzen Gottes kommen. Dazu gehören mit Sicherheit die Bitten des Vaterunsers. Jesus lehrt es den Jüngern als Mustergebet. Dieses Gebet kommt aus dem Herzen Gottes. Diese Bitten wird Gott erfüllen. Natürlich nicht, wenn wir sie nur herunterleiern, wenn sich nur unsere Lippen bewegen und nicht unser Herz. Die Bitten des Vaterunsers, die von Herzen kommen, wird Gott erfüllen. Und natürlich auch die Bitten, die sich vom Inhalt nach am Vaterunser orientieren. Wenn wir um das Kommen des Reiches Gottes bitten, also, dass Gott in dieser Welt und auch in unserem Leben das Sagen hat, dann erfüllt Gott diese Bitte. Wenn wir darum bitten, dass der Wille Gottes geschieht, dann wird dies auch passieren. Auch die Bitte um unser tägliches Brot, also was wir zum Leben brauchen, wird er erfüllen. Allerdings nicht immer das, was wir meinen, zu brauchen. Gott vergibt Schuld, wenn wir ihn darum bitten. Er bewahrt uns vor übermächtiger Versuchung und wird uns auch von allem Bösen, das in unser Leben und vor allem in unser Wesen eingedrungen ist, befreien. Um all das dürfen wir bitten.

Gerade in diesen unsicheren Zeiten ist das Gebet besonders wichtig. Wir sind herausgerissen worden aus aller falschen Sicherheit, zuerst durch die Pandemie und dann durch den Krieg in der Ukraine. Wer hätte gedacht, dass durch ein kleines Virus unsere Welt nun schon über zwei Jahre lang in Atem gehalten wird? Wer hätte es für möglich gehalten, dass mitten in Europa nach so einer langen Friedenszeit Städte zerbombt werden, innerhalb von wenigen Wochen tausende von Menschen durch kriegerische Handlungen sterben oder verhungern und Millionen von Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen? Es ist, als ob die Pforten der Hölle sich geöffnet hätten. Und es ist auch so.

Die Mächte der Hölle wollen Unfrieden und Verderben. Gott sucht deshalb Männer und Frauen, die im Gebet sich für die Welt einsetzen und darum bitten, dass Gott uns vor diesem Verderben bewahrt. Ich meine, das Wort Reinhold Schneiders, das im Dritten Reich vielen Christen wichtig wurde, hat auch heute noch oder wieder seine Aktualität. Ich habe es in letzter Zeit öfters zitiert, weil es mir so wichtig erscheint: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen. Denn Täter werden nie den Himmel zwingen: Was sie vereinen, wird sich wieder spalten, was sie erneuern, über Nacht veralten, und was sie stiften, Not und Unheil bringen. Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt, und Menschenhochmut auf dem Markte feiert, indes im Dom die Beter sich verhüllen. Bis Gott aus unseren Opfern Segen wirkt und in den Tiefen, die kein Aug' entschleiert, die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.“

Natürlich ist es wichtig, wenn sich Politiker für den Frieden einsetzen. Es ist auch wichtig und richtig, wenn Menschen sich für die Freiheit ihres Landes einsetzen und es verteidigen. Aber genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger ist es, wenn Christen sich im Gebet dafür einsetzen.

Man braucht es sich beim Beten nicht zu kompliziert machen. Wir brauchen uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Gott wohl zum Beispiel Frieden in der Ukraine will. Natürlich dürfen wir um Frieden bitten, immer wieder, so wie wir ja auch um Hilfe und das Eingreifen Gottes bitten, wenn wir oder andere in großen Nöten sind. Das wäre ja unnormal, wenn wir es nicht tun würden. Auch in den Gerichten Gottes dürfen wir um Gnade bitten, auch wenn wir und die ganze Welt es nicht verdient hätten, dass Gott eingreift und hilft. Ein stürmisches Gebet wird bei Gott nicht ohne Eindruck bleiben. Das will uns Jesus auch mit dem Gleichnis vom bittenden Freund sagen.

Gott ist wie ein Freund, so sagt Jesus, zu dem wir in der Not gehen dürfen. Er wird uns geben, was wir brauchen, auch wenn die Hilfe mit Schwierigkeiten verbunden oder menschlich gesehen unmöglich ist. Wenn wir im Gebet nicht nachlassen, wird uns geholfen werden.

Es klingt auf unsere Ohren schon skurril, was Jesus hier seinen Zuhörern erzählt. Mitten in der Nacht klopft ein Mann an die Tür eines Freundes und bittet um Brot für einen Freund, der zu Besuch zu ihm gekommen ist. Im Orient reiste man gerne wegen der hohen Tagestemperaturen auch gerne nachts. Also durchaus möglich, dass so ein Besuch in der Nacht ankommt und natürlich auch Hunger hat, und zwar richtig Hunger, sonst hätte sich der Mann nicht auf den Weg zu seinem Freund gemacht. Brot gebacken wurde jeden Tag neu. Kein Wunder, dass der Mann keines mehr im Hause hatte. Deshalb wendet er sich an seinen Freund. Der hatte kleine Kinder. Für die hatte man über Nacht eine Notration aufbewahrt.

Es gehört natürlich schon eine gehörige Portion Unverschämtheit dazu, jemanden darum zu bitten, dass er einem den Vorrat seiner Kinder für einen Gast herausrückt. Außerdem weiß er auch, dass dieser Freund eigentlich nicht aufstehen kann. Denn damals wohnten Frau, Kinder und auch die Haustiere unter einem Dach in einem Raum. Die Tür war mit einem Riegel verschlossen. Den zu öffnen, wäre mit einem ziemlichen Lärm verbunden. Und durch den Krach würde die ganze Familie aufwachen. Keine prickelnden Aussichten.

Aber trotzdem würde der Freund seinem Nachbarn helfen, wenn nicht um der Freundschaft willen, dann wenigstens deshalb, damit der Bittsteller nicht noch mehr Krach macht.

So ist Gott, will Jesus sagen. Fallt ihm gewissermaßen auf die Nerven. Rennt ihm die Bude ein, bis er nicht mehr anders kann, als zu helfen. Hartnäckigkeit gefällt Gott. Ihm ist nichts zu viel, wenn es darum geht, euch zu helfen. Ihr seid es ihm wert. Er ist wie ein Freund, der anderes zurückstellt, wenn er damit aus der Not helfen kann. Bleibt dran am Gebet. Bittet. Sucht ihn, sucht seine Nähe, immer wieder. Klopft an. Macht auf euch aufmerksam. Seid nicht zu bescheiden und zu schüchtern.

Keiner ruft Gott vergeblich an. Gott hört. Auch wenn du meinst, er hört nicht, weil ich schon so lange gebetet habe, oder weil ich ja gar keinen Anspruch auf eine Erhörung habe. Bete weiter. Lass nicht locker. Luther schreibt einmal: „Rufen musst du lernen und nicht dasitzen bei dir selbst oder liegen auf der Bank, den Kopf hängen und schütteln und mit deinen Gedanken dich beißen und fressen. Sondern wohlauf: auf die Knie gefallen und deine Not mit Weinen vor Gott dargelegt, geklagt und angerufen.“

Sicher, Gott ist keine Bedienung im Lokal, zu der wir sagen können: "Bringen Sie mir mal dieses oder jenes." Aber er ist unser Vater, dem wir zwar keine Bestellung geben aber doch unsere Bitten mitteilen können.

Wenn ein Sohn, so sagt Jesus, seinen Vater um einen Fisch bittet, so wird er ihm doch nicht eine Schlange geben, oder wenn er ihn um ein Ei bittet, keinen Skorpion anbieten. So wird uns auch Gott nichts Schädliches oder Verkehrtes, sondern nur Gutes, ja sein Bestes schenken. Auch wenn es so aussieht, dass er uns auf unser Gebet hin Schlechtes statt Gutem gegeben hat, so hat dies ganz gewiss seine Gründe. Vertraue nur!

Gott kann auch Wunder tun. Er kann wirklich bis auf den heutigen Tag wunderbar eingreifen. Jeder Mensch, der Gott vertrauensvoll wie ein Kind seinen Vater um Hilfe gebeten hat, kann von solchen Wundern erzählen.

Gott ist kein Computer, der auf Tastendruck meine Befehle ausübt, habe ich vorhin gesagt. Aber er ist ein Herr auch über die Computer. Das habe ich einmal vor Jahren im Pfarramt erlebt. Ein Programm, das unsere Gabenkasse verwaltet, ging nach dem Jahrtausendwechsel nicht mehr, - obwohl uns der Hersteller versicherte, dass es funktionieren müsste. Aber diese Beteuerungen halfen uns auch nicht. Ein Computerfachmann installierte das Programm neu, doch kurze Zeit später ging es wieder nicht. Ich dachte: "Jetzt kann nur noch Gott helfen." und betete, kurz aber intensiv. Dann sagte ich zu meiner Sekretärin: "Jetzt starten Sie noch einmal das Programm." Es funktionierte tadellos und funktionierte, solange wir es verwendet haben. So dürfen wir es alle machen: Mit unseren ganz alltäglichen Problemen und Problemchen zu Gott gehen, er lässt uns nicht im Stich!

Es ist wichtig, dass Jesus am Ende dieses Abschnittes über das Gebet die Bitte um den Heiligen Geist nennt. Denn wir neigen wohl alle dazu, um alles Mögliche zu bitten, um Hilfe bei Prüfungen oder im Beruf, für unsere Angehörigen oder für unsere Gesundheit. Das ist alles richtig und gut. Darum dürfen und sollen wir auch bitten. Aber noch wichtiger ist es, um den Heiligen Geist zu bitten.

Wir dürfen also um etwas ganz Großes bitten, um die größte Gabe, die Gott hat. Das ist sein Geist. Das heißt, das ist er selber. Er selber will sich uns schenken, will in unser Leben hineinkommen. Ganz gewiss.

Die Bitte um den Heiligen Geist bedeutet, dass wir darum bitten, zu Gott zu gehören, ganz und gar. Wir dürfen Kinder Gottes heißen, dürfen gewissermaßen neu geboren werden durch den Geist Gottes, dürfen von ihm beeinflusst, das heißt durch sein Wort angesprochen, gemahnt, korrigiert, getröstet, gestärkt und verändert werden. Wir dürfen Jesus ähnlich werden, Stück für Stück im Laufe eines Lebens, wenn wir um den Heiligen Geist bitten und es auch glauben, dass er ihn uns gibt.

Gott gibt ihn, auch wenn wir immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass unser Leben doch nicht vom Geist Gottes geleitet wird.

Es kann sogar so weit kommen, dass wir denken, wir haben gar keinen Heiligen Geist, haben uns die Erfahrung der Liebe Gottes vielleicht nur eingebildet.

Solche Erfahrungen sind ganz normal im Leben eines Christen. Er schwebt ja nicht auf Wolke Nummer 7, sondern lebt mitten in dieser Welt, die ja weiterhin voll unheiliger Geister ist. Er wird noch manches Mal auf ihre Kniffe hereinfallen, sich von ihnen verführen lassen.

Wenn dir das passiert ist, dann tu bitte eines: Rufe zu Gott! Rufe zu ihm, bitte um Vergebung, bitte um einen Neuanfang durch seinen Heiligen Geist! Und glaube es auch, dass du wirklich neu anfangen kannst - und auch zum Ziel kommst!

Paulus schrieb einmal den Christen in Philippi: "Ich bin ganz sicher, dass Gott sein Werk, das er bei euch durch den Glauben begonnen hat, zu Ende führen wird." Der Geist Gottes ist stärker als alle anderen Geister. Er wird sich durchsetzen, auch in deinem Leben. Das glaube, und dafür sei dankbar!

Amen