Bayreuth, den 26.05.2022 - Apostelgeschichte 1, 3-11

Liebe Gemeinde! 

Auf einmal ist Jesus weg. Das ist schon irgendwie krass, oder? Eben redet er noch mit seinen Jüngern. Und plötzlich ist er weg. Er verschwindet in einer Wolke, fährt in den Himmel auf, geht zurück zu Gott.

War’s das nun? Hat der Sohn Gottes eine kurze Stippvisite auf der Erde eingelegt, 30 Jahre etwa? Da haben Menschen jahrhundertelang auf den Messias gewartet. Dann war er kurz da. Und geht wieder weg? Und kommt dann irgendwann einmal wieder? Und in der Zwischenzeit sind seine Anhänger alleine auf sich gestellt, ohne ihn?

Nein, so ist es nicht, ganz und gar nicht, sondern das Gegenteil ist der Fall.

Himmelfahrt heißt nicht: Jesus ist jetzt ganz weit weg. Sondern es heißt: Jesus ist jetzt immer da. Er ist anders da, aber er ist immer da. Er war nicht damals da, sondern er ist heute da, auch bei uns.

Das heißt schon was. Denn wo Jesus ist, da ist der Himmel. Es gab für die Jünger keinen Zweifel: Durch die Person Jesu kam der Himmel auf Erden zu ihnen. Es müssen wunderbare Jahre gewesen sein, die sie mit Jesus verbrachten. Und vor allen Dingen müssen es faszinierende Wochen zwischen seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt gewesen sein. Doch nun standen die Jünger auf dem Ölberg und mussten Abschied nehmen. Eine schöne, intensive Zeit ging zu Ende. Ging sie wirklich zu Ende? Nein, nun fängt sie erst so richtig an.

Der Himmel ist nicht nur Vergangenheit, er ist auch nicht nur Zukunft. Er ist Gegenwart, jetzt und hier erfahrbar.

Eine Wolke verhüllte Jesus bei seiner Himmelfahrt. Das heißt: Wie diese Himmelfahrt geschah, hat sich den Augen der Jünger entzogen. Es war auf jeden Fall nicht so, dass Jesus mit großer Geschwindigkeit nach oben verschwand. Dass er immer kleiner und kleiner wurde, bis die Jünger ihn nicht mehr sahen. Nein, Jesus wurde durch eine Wolke verhüllt. Da tat sich für ihn gewissermaßen eine Tür auf und er war von einem Moment zum anderen im Himmel. Das heißt, er war in der göttlichen Dimension, in der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes. Seitdem ist er nun nicht in einem unerreichbaren Ort irgendwo im Weltall. Nein, er ist ganz nahe, nur gewissermaßen durch einen zwar blickdichten aber hauchdünnen Vorhang von uns getrennt. Aber da, ansprechbar, erfahrbar.

Wir können Jesus nicht sehen. Aber er ist trotzdem unsichtbar da. "Siehe, ich bin euch alle Tage bis an der Welt Ende!" so hat er es allen, die ihm vertrauen, versprochen. Der Himmel ist nicht weit weg. Sondern er umgibt uns, er umhüllt uns wie eine Atmosphäre. Seit seiner Himmelfahrt ist Jesus jedem überall zu jeder Zeit gleich nah.

Jesus und damit der Himmel sind da, gegenwärtig, erfahrbar durch den Heiligen Geist.

"Ihr werdet die Kraft die heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird..." versprach Jesus seinen Jüngern. Wo der Heilige Geist wirksam ist, da ist Jesus gegenwärtig, da ist auch der Himmel. Den Heiligen Geist empfangen wir dann, wenn wir Jesus unser Leben anvertrauen, ihn um Vergebung bitten und ihm die Verfügungsgewalt über uns einräumen. Der Himmel beginnt für uns da, wo wir uns der Wirklichkeit des lebendigen Gottes ausliefern und unser Leben in die Hände des Mannes am Kreuz legen. Da werden wir auch immer wieder die Erfahrung des Himmels auf Erden machen.

Im Himmel waren sicher schon einige unter uns. Ich meine jetzt den sichtbaren Himmel. Über den Wolken in 10000 Metern Höhe zu schweben, im Bauch eines Flugzeuges, das ist schon ein besonderes Erlebnis.

Zuerst geht es durch die Gepäckabfertigung. Hunderte von Koffern wandern in den Bauch des Fliegers, unglaublich, aber wahr. Dann kommt die Passkontrolle. Ohne gültige Papiere wird man erbarmungslos zurückgewiesen. Dann darf man einsteigen und Platz nehmen - auf einem für einen ganz persönlich bestimmten Platz - Anweisungen der Stewardess – „Schnallen Sie sich bitte an und bringen Sie Ihren Sitz in eine aufrechte Position“ - Geheul der riesigen Motoren - Start - wahnsinnige Beschleunigung - und schließlich erhebt sich der Riesenvogel machtvoll immer höher und höher in die Weite des Himmels...

Was muss man tun, um in den Himmel zu kommen? Das Gleichnis vom Flieger zeigt es uns. Du musst eigentlich gar nichts tun. Du musst in ihm sein, in Christus. Christus hat alles für uns getan. Er bringt uns sicher zum Ziel. "In ihm" dürfen wir uns darauf freuen! Nur: Sind die Papiere in Ordnung, deine Sünden vergeben in Jesu Namen? Hast du das Gepäck deiner Vergangenheit, deine Schuld, schon bei Jesus abgegeben? Und bist du schon bei ihm eingestiegen?

Komm doch, nimm doch Platz - im Himmel! Das Ticket ist für dich schon bezahlt! Und dann geht's los zu einer aufregenden Reise mit einem phantastischen Ziel!

Auch wenn das Ziel phantastisch ist: Christen sind keine Phantasten. Sie sind keine Träumer, keine Himmelsgucker, so wie Hans Guck-in-die-Luft aus dem Kinderbuch. Der achtete bekanntlich nicht auf seine Umgebung, schaut nach oben und sieht dabei nicht, was direkt vor ihm passiert. Und erlebt deshalb so manche Missgeschicke. Manche meinen ja: Die Christen sind so Leute, ein wenig weltfremd, beschäftigen sich mit dem Himmel, aber mit den irdischen Dingen kommen sie nicht so klar.

Aber so ist es nicht. Die Jünger guckten in den Himmel, als Jesus vor ihren Augen verschwand. Sie schauen ihm verträumt nach. Aber zwei Engel rissen sie aus ihren Träumen. Schaut nicht in den Himmel! Das machten sie den Jüngern mit ihren Worten klar. Jesus ist im Himmel. Und er kommt wieder. Aber in der Zwischenzeit habt ihr einen Auftrag.

Haben wir auch einen Auftrag, hier auf dieser Erde. Wir sollen selber anderen Menschen den Himmel auf Erden bringen. Wir dürfen seine Zeugen sein. Zeugen sind Menschen, die einen Vorgang miterlebt haben und darüber berichten können. So können sie dazu beitragen, dass die Wahrheit gefunden wird.

Wenn wir mit Jesus leben, gilt sein Auftrag auch uns. Wir haben Erfahrungen mit ihm gemacht, und nun ist es unsere Aufgabe, andere einzuladen, damit sie wie wir Jesus kennenlernen können.

Uns fehlt der Mut dazu? Keine Angst, wir sind nicht allein, wenn wir uns zu Jesus bekennen. Er lässt uns nicht im Stich. Er hilft uns sogar das zu sagen, was gerade das Richtige ist.

Uns fehlen die Möglichkeiten, Zeuge Jesu zu sein? Oft reichen schon Kleinigkeiten aus: Bei einem Krankenbesuch oder beim Geburtstag einmal ein christliches Buch schenken, ein kurzes, Mut machendes Wort sagen, einfach so leben, wie Gott es haben will, nicht lügen, nicht betrügen, auch in kleinen Dingen auf seinen Lebenswandel achten. Auch scheinbar Kleines kann Großes bewirken, wenn es in seinem Namen geschieht.

Es werden nachher in der Apostelgeschichte seltsame Dinge von diesen Jüngern erzählt: Furchtlos stellten sie sich den Drohungen des Hohen Rates der Juden gegenüber. In Gefängnissen singen sie Loblieder: Getröstet gehen sie in den Tod. Mutig erobern sie das römische Imperium für das Evangelium.

Das kann man nur begreifen, wenn man versteht: Sie wussten, dass Jesus sie bei ihrer Aufgabe nicht alleine lässt. Und so konnten sie Großes tun.

Ganz schön riskant, ist man versucht zu sagen, was Jesus hier tat. Die Jünger sollen dafür sorgen, dass seine Erlösung, die er am Kreuz geschaffen hat, aller Welt bekannt wird. Nicht sündlosen Engeln gab er diesen Auftrag, in alle Welt zu gehen und das Evangelium zu verkündigen. Sondern er betraute mit dieser Aufgabe fehlerhafte und schwache Menschen. Und wenn sie versagten? Allein auf sich gestellt, müssten sie versagen. Aber sie durften ja jederzeit mit der Kraft Jesu rechnen. Sie brauchten auch keine Angst zu haben, etwas Falsches und Dummes zu machen. Jesus versprach ihnen, dass ihnen zur rechten Zeit das Rechte einfallen würde. Jesus hatte sich nicht auf sein himmlisches Altenteil zurückgezogen und ließ seine Jünger nun allein dahinwursteln. Er war für sie nicht i.R. im Sinne von „im Ruhestand“, sondern i.R. im Sinne von „in Reichweite“.

Jesus will für die Verkündigung seiner Botschaft keine Engel, da will er uns haben.

Dazu eine lustige und zugleich sehr tiefsinnige Geschichte:

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts lebte im Schwabenland ein Schmied mit dem Namen Huschwadel. Der war stark wie ein Bär und hatte große Hände. Wenn er mit leeren Händen durch die Straßen ging, meinte man, er trüge zwei Handkoffer.

Als Geselle begab er sich auf die Wanderschaft und kam in ein kleines Städtchen in Thüringen. Dort suchte er sich Arbeit, und auf dem Weg zur Herberge sah er ein Plakat: „Heute Abend um 20 Uhr spricht Herr Professor X aus Berlin im Hinterstübchen des ‘Ochsen’ zu dem Thema: „Warum es Gott nicht geben kann!“ Huschwadel denkt bei sich: „Warum es Gott nicht geben kann? Ich habe doch eben noch mit ihm gesprochen!“ So findet er sich interessiert um 20 Uhr im Hinterstübchen des „Ochsen“ ein und muss mit anhören, wie ein kleiner Mann aus Berlin eine ganze Stunde auf gotteslästerliche Weise über Gott herzieht. Seine Schimpf- und Spottreden gipfeln in dem Satz: „Liebe Leute, wenn es Gott wirklich gäbe, dann müsste er nach so viel Hohn und Spott jetzt einen Engel schicken, der mir vor Ihren Augen eine Ohrfeige gibt.“

Huschwadel erhebt sich, geht in aller Ruhe auf die Bühne und sagt: „Einen schönen Gruß von Gott, für solche Banausen wie dich schickt er keine Engel, das kann der Huschwadel auch besorgen!“ Und dann legt er ihm die Hand an die Backe. Denn er zugehauen hätte, wäre der Mann wohl hingewesen.

Für viele Aufgaben schickt Gott keine Engel. Vieles können auch wir besorgen: Trösten und Raten, Helfen und Lindern, aber auch Warnen und Mahnen.

Jesus sagte vor seiner Himmelfahrt: „Ihr werdet aber die Kraft des heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein!“ (Apostelgeschichte 1,8) Diese Zusage und dieser Auftrag gelten auch uns!

Wir sollen den Himmel nicht aus den Augen verlieren und in unseren irdischen Aufgaben aufgehen. Aber wir sollen auch nicht die Erde aus den Augen verlieren, weil wir uns nur mit himmlischen Dingen beschäftigen.

Wie das zusammenpasst, kann uns vielleicht folgende Anekdote veranschaulichen: Irgendwo in Amerika tagte im 19. Jahrhundert ein Parlament, während eine Sonnenfinsternis eintrat. Panik brach aus, weil man den Weltuntergang befürchtete. Da sagt ein Abgeordneter: „Meine Herren, entweder der Herr kommt, dann soll er uns bei der Arbeit antreffen; oder er kommt nicht, dann sollte dies uns auch nicht von der Arbeit abhalten.“

Das ist die richtige Einstellung: Ganz bei der Arbeit sein und trotzdem damit rechnen, dass Jesus wiederkommt.

Er war etwa 30 Jahre auf dieser Erde, er ist da, durch den Heiligen Geist und er wird kommen. Jetzt können wir mit dem auferstandenen Christus Erfahrungen machen, können im Gebet mit ihm reden, und er mit uns durch sein Wort und wir können Wunder seines Eingreifens erleben. Das ist schon viel. Aber das ist noch nicht alles. Es steht noch etwas aus. Etwas ganz Großes und Wichtiges. Es ist das, wovon die Engel in der Himmelfahrtsgeschichte zu den Jüngern gesprochen haben: Jesus wird wiederkommen.

Seit Christi Himmelfahrt gilt zwar grundsätzlich, wie es in dem Lied heißt: „Jesus Christus herrscht als König“. Diese Wahrheit haben ja bei weitem nicht alle erkannt, sondern nur die, die ihn als den Herrn ihres Lebens angenommen haben. Denen ist schon klar, dass Jesus wirklich alle Macht im Himmel und auf der Erde hat. Aber sichtbar für alle ist das noch nicht. Das steht noch aus. Das Reich Gottes hat sich nur punktuell und nicht auf der ganzen Welt durchgesetzt. Das geschieht erst, wenn Jesus wiederkommt.

Bernhard von Clairvaux war einer der großen Theologen des Mittelalters. Er schrieb einmal: „Eine dreifache Ankunft des Herrn kennen wir… In der ersten kam er im Fleisch und in der Schwachheit. In der mittleren kommt er in Geist und Kraft, in der letzten in Herrlichkeit und Majestät.“

Die erste Ankunft, das war Weihnachten. Die zweite Ankunft, das ist jetzt, nach der Himmelfahrt: Die Gegenwart von Jesus durch den Heiligen Geist. Und die dritte Ankunft, das wird die endgültige Wiederkunft von Jesus sein. Dann wird unsere Hoffnung Wirklichkeit werden, dass Gott alle Tränen abwischen wird, dass alles Unrecht aufgearbeitet und das Recht hergestellt wird, dass am Ende nichts Sinnloses stehen bleibt.

Dann wird es so sein, wie es in dem Lied von Manfred Siebald heißt: Dann wird nicht mehr auf verbranntem Land das Blut von Kindern fließen. Dann wird keiner mehr nach Frieden schreien, weil endlich Friede ist. „Dann kennen wir das Wann, Warum, Wielange und Woher, dann quälen tausend ungelöste Fragen uns nicht mehr; denn unsre letzte Antwort ist uns Christus, unser Herr, der uns und unsre Dunkelheit mit seinem Licht erhellt, der unsre Sonne ist in Gottes neuer Welt.“

Das wollen wir doch sehen, oder? Dass Jesus wirklich alles in seiner Hand hatte. Dass alles nach einem für uns jetzt oftmals unbegreiflichen Plan geschah. Dass alle Fragen beantwortet werden und uns alles klar wird.

Deshalb gehört zur Himmelfahrt auch die Hoffnung, dass Jesus als Herr des Himmels und der ganzen Welt wiederkommt. Soweit ist es noch nicht. „Noch haben wir“, so Manfred Siebald, „in dieser Welt ein Leben zu besteh’n.“ Bis es soweit ist, wollen wir uns ganz eng zu Jesus halten, den Blick auf ihn richten und gleichzeitig mit ihm in dieser Welt unsere Aufgaben verrichten.



Amen