Bayreuth, den 31.12.2022 - Römer 8,31-39

Liebe Gemeinde!

Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch: Das Fernsehen strahlte aus Versehen –manche behaupteten, es sei Absicht gewesen -, die Silvesteransprache des damaligen Bundeskanzlers vom vorigen Jahr aus. Und kaum einer merkte es. Denn das waren noch andere Zeiten. Da verlief alles in unserem Land gleichmäßig. Es gab keine großen Veränderungen, keine großen Erschütterungen im gesellschaftlichen Leben.

Die Zeiten sind vorbei. In den letzten Jahren fanden in unserem Land ungeahnte und vorher unvorstellbare Veränderungen statt. Es begann mit der weltweiten Corona-Pandemie vor fast drei Jahren. Dann kam im Februar der Ukraine-Krieg. Und schließlich eine noch nie da gewesene Inflation sowie Energiekrise.

Wir haben hoffentlich gemerkt und gelernt: Nichts ist sicher. Unser Wohlstand ist nicht sicher, der Friede in Europa ist nicht sicher und auch nicht die gesundheitliche Lage in unserem Land. Wir wissen nicht, wie es im Jahr 2023 mit dem Ukraine-Krieg weitergeht. Wir wissen nicht, ob die Energiekosten weiter explodieren. Wir wissen auch nicht, ob die Corona-Pandemie endlich einmal vorbei ist.

In solchen Zeiten helfen nicht Versprechungen von Politikern, die sich oft als leer erwiesen haben. Da helfen keine billigen Vertröstungen, dass es irgendwann einmal schon wieder besser sein wird. Da hilft auch kein Glaube an irgendeinen Gott, der schon irgendwie vielleicht helfen kann. All diese Aussagen geben einem keine Kraft und keinen Trost.

Anders ist es mit den Worten, die ich eben vorgelesen habe. Sie können einem gerade in unsicheren Zeiten, in denen wir uns jetzt befinden, Kraft und begründete Zuversicht geben. Diese Worte stammen von Paulus. Er ist sich seines Glaubens gewiss. Das klingt erstaunlich. Denn Glauben heißt ja für uns moderne Menschen ja, nichts Genaues zu wissen. Und Leute, die sich ihres Glaubens gewiss sind, sind uns irgendwie verdächtig. Wir halten sie für fanatisch und engstirnig.

So war Paulus in seinem früheren Leben tatsächlich gewesen. Seinen Glauben nahm er sehr genau. Er war ein frommer Jude und ging für seinen Glauben buchstäblich über Leichen. Erbarmungslos verfolgte er die Abweichler vom jüdischen Glauben, die Christen. Doch dann begegnete er in einer Vision vor der Stadt Damaskus dem auferstandenen Christus. Diese Begegnung veränderte sein ganzes Leben. Aus einer selbstgemachten Sicherheit wurde eine von Jesus und seinem Geist gewirkte Gewissheit. In dem Predigttext, den ich eben vorgelesen habe, gibt er sie mit eindrücklichen Worten wieder. Paulus gibt eine Antwort auf die Fragen: Worauf kann ich mich in meinem Leben unbedingt verlassen? Was gibt mir Halt, der nicht zerbricht und Zuversicht, die nicht täuscht? Diese Antwort lautet: 1. Gott ist für uns. – 2. Jesus vertritt uns. Und drittens: Seine Liebe trägt uns.

Gott ist für uns, wer kann wider uns sein? So stellt es Paulus herausfordernd fest. Gott ist für uns. Das gilt nicht nur für das Jahr 2023, sondern unser Leben lang. Gott beschließt nicht eines Tages: Ich nehme meine Zusage wieder zurück. Ich kenne euch nicht mehr. Oder: Ich habe euch vergessen.

Er handelt nicht so, wie jener Ehemann. Bei dem war ein Freund zu Besuch. Er stellte fest, wie er seine Frau immer liebevoll mit "Schatzi", "Mausi" oder "Engelchen" ansprach. Schließlich sagte er: "Das finde ich ganz süß, dass du deine Frau immer mit diesen Kosenamen anredest." Daraufhin der Mann ganz ernst: "Wenn ich ehrlich bin: Ich habe ihren Namen vergessen." Das wird Gott ganz bestimmt nicht passieren. Er denkt immer an uns. Er vergisst uns nicht. Unsere Namen sind ihm immer in Erinnerung.

Es ist ihm eine Freude, immer an uns zu denken, unser Leben lang, und keine Qual. Denn er liebt uns. Das sind nicht nur leere Worte, hinter denen nichts steckt. Sondern sie sind mit geschichtlichen Tatsachen gedeckt.

Vor über 2000 Jahren geschah ein unbegreifliches Wunder. An Weihnachten, haben wir uns wieder mit ihm beschäftigt: Gott wurde ein Mensch. Aus Liebe zu uns kam er aus seiner ewigen Herrlichkeit in unsere vergängliche Welt. Unter einfachen, ja erbärmlichen Bedingungen wurde er geboren. Sein Leben war von einer wunderbaren Liebe gekennzeichnet. Er heilte Kranke, vergab Sünden, sprach in seinen Worten von der unbeirrbaren Liebe zu uns Menschen. Von seinen Feinden wurde er verkannt, verlacht, verspottet. Schließlich schafften sie es, dass er an ein Kreuz genagelt wurde und dort einen qualvollen Verbrechertod starb.

Doch dieser Tod war nicht sinnlos, sondern von Gott so gewollt und geplant. Jesus starb für unsere Schuld am Kreuz. Aus Liebe zu uns. Wer so sein Leben geopfert hat, der meint es gut mit einem, der muss es gut mit einem meinen. Und er will uns alles schenken, was wir in unserem Leben brauchen.

Gott ist für uns. Das ist eine geschichtliche Tatsache, nicht nur eine philosophische Idee. Der unwiderlegbare Beweis ist das Sterben seines Sohnes am Kreuz. Paul Gerhardt hat diese Wahrheit mit den Worten seines Weihnachtsliedes so ausgedrückt:

„Sollt‘ uns Gott nun können hassen, der uns gibt, was er liebt über alle Maßen? Gott gibt, unserm Leid zu wehren, seinen Sohn aus dem Thron seiner Macht und Ehren.“

Gott ist für uns da. Das gilt, wenn uns Schuld und Sünde quält. Es gilt auch in Zeiten, in denen uns Gott weit weg entfernt scheint, In Krankheit und Einsamkeit, in Arbeitslosigkeit und beim Verlust von lieben Menschen.

Gott ist für dich da. Wenn deine persönlichen Erfahrungen gegen diesen Satz zu sprechen scheinen, dann denke an Jesus, an seine Liebe, wie er für dich am Kreuz hing und sein Leben für dich dahingab. Er liebt dich ganz gewiss. Diesen Satz sage dir immer wieder vor, jeden Tag, dein ganzes Leben lang.

Und nun zum zweiten: Jesus Christus vertritt uns. Wenn wir auf das vergangene Jahr zurückschauen, dann wird uns nicht nur das einfallen, wofür wir dankbar sind, was Gott uns an Gutem geschenkt hat und was er uns hat gelingen lassen. Sondern da wird auch vor unserem inneren Auge stehen, was uns misslungen ist, wo wir versagt und unseren Mitmenschen wehgetan haben. Wir wollten das Gute und haben doch wieder Böses getan. Wir wollten aus unseren Fehlern lernen und sind doch wieder in alte, ungute Verhaltensmuster zurückgefallen. Alles, was uns belastet, können wir heute vor Jesus bringen. Er nimmt es uns ab. Er vergibt. Er ist unser Fürsprecher. Wenn uns unser Gewissen verklagt, und wenn uns auch der Teufel vor Gott verklagt, so haben wir doch Jesus, der für uns eintritt.

Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? So fragt hier Paulus. Niemand hat dazu das Recht, weil Jesus für uns eintritt.

Dieses Jahr ist in ein paar Stunden vorbei. Und niemand braucht das Gepäck seiner Vergangenheit mit ins neue Jahr schleppen. Auch heute gilt der Zuspruch der Vergebung durch sein Wort und im Abendmahl: „Deine Schuld ist vergeben! Über deinem Leben steht die Liebe Gottes!“ Das sind Worte, an die wir uns im neuen Jahr festhalten können, auch wenn wir meinen, Gott kann uns gar nicht lieben, weil wir schon wieder so viel gesündigt haben. Jesus lässt uns trotzdem nicht los.

Johann-Heinrich Volkening war ein bedeutender Prediger in Minden --Ravensberg. Angesichts des Todes war er so sehr über sich selbst, seine Sünde und Gottesferne erschüttert, dass er gegenüber seiner Frau bemerkte: „Ich bin innerlich so verdorben und verloren. Ich glaube, ich muss zur Hölle.“ Seine Frau antwortete ihm nun nicht mit dem Hinweis: „Heinrich, du hast doch gepredigt und ungezählten Menschen den Weg zum Leben gezeigt. Du warst ein segensreicher Pfarrer.“ Sie wusste, dass das, was wir getan haben, vor Gott nicht besteht und im Sterben nicht tröstet. Darum hat sie ihren angefochtenen Mann auf Christus hingewiesen: „Heinrich, wenn es so um dich steht, dann muss Christus mit dir in die Hölle. Er hat zu viel für dich getan. Keine Hölle, auch nicht die Hölle in dir, kann dich von seiner Liebe trennen.“

Um es einmal überspitzt so zu formulieren: Und wenn es wirklich so weit kommen sollte, dass Gott einmal im letzten Gericht dich von sich weist und dich nicht in den Himmel hineinlässt, so ginge Jesus mit dir in die Hölle. Und dann wäre diese Hölle nicht mehr die Hölle, sondern der Himmel. Jesus steht dir zur Seite, immer, auch in der Ewigkeit.

Und nun noch der dritte Satz, auf den wir uns verlassen dürfen: „Gottes Liebe trägt uns“. Paulus schreibt in unserem Predigttext: „Ich bin gewiss, dass uns nichts von der Liebe Gottes scheiden kann, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ Paulus zählt 10 Einwände auf, die gegen diese Gewissheit sprechen. Aber sie werden alle mit dem Hinweis auf Jesu Liebe entkräftet. Sie ist stärker als alles, was im neuen Jahr uns die Gewissheit, bei Gott gut aufgehoben zu sein, wegnehmen will.

Vielleicht gibt es ja auch in deinem Leben Punkte, die dich unsicher machen wollen, ob Gott dich liebhat, Punkte, die dich nach unten ziehen wollen. Vielleicht ist es nur einer, oder drei oder vier, oder wie bei Paulus 10 Punkte, oder gar noch mehr. Wenn dir solche Gedanken kommen, dann sage dir immer wieder vor: Ich bin und bleibe von Gott geliebt. Ich bin und bleibe um Jesu willen ein Kind Gottes.

Vielleicht erfahren wir in den nächsten 12 Monaten Manches oder gar Vieles, was uns nicht gefällt. Wir wissen es nicht. Aber selbst wenn es so kommt, dürfen wir trotzdem daran festhalten, dass Gott uns um Jesu willen liebt. Dann werden wir erfahren, dass uns das Leid nicht kaputt macht. Es ist vielmehr so, wie es Bonhoeffer in „Widerstand und Ergebung“ formuliert hat:

„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.

Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.

Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.

In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind,

und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Schicksal ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Wenn wir an Gottes Zusagen festhalten, uns auf seine Barmherzigkeit berufen, uns auf seine Güte immer neu einlassen, dann sind wir auch in dunklen Stunden nie ohne Gnade unterwegs.

Denke nicht, dass Du Dein Leben selber managen musst. Du bürdest Dir mit diesem Glauben eine Last auf, die Dir zu schwer ist. Ich rate Dir, etwas Anderes zu glauben. Dass dein Leben in Gottes Hand ist. Mit diesem Glauben wirst Du gut fahren.

Zur Verdeutlichung zum Schluss eine kleine Geschichte: Ein Bauer geht mit seinem kleinen Jungen in die Stadt. Unter anderem kaufen sie für die Mutter eine schöne Vase. Der Junge darf sie tragen. Aber als sie auf dem nächtlichen Heimweg durch den Wald gehen, sagt der Junge: „Vater, nimm du die Vase! Wenn ich stolpere, geht sie kaputt.“ So nimmt der Vater die Vase. Und wirklich, der Junge fällt über eine Baumwurzel. Er schreit vor Schmerzen. Aber die Vase nimmt keinen Schaden.

Der Glaube, mein ganzes Leben, meine Vergangenheit und Zukunft, auch mein ewiges Heil, liegt in meiner Hand, ist wirklich schwierig. Dann muss ich mir andauernd Sorgen machen, wie wohl dies und jenes ausgehen will. Aber Glauben im Sinne der Bibel ist ja etwas ganz Anderes. Es heißt: Mein Leben liegt nicht in meiner Hand. Dort wäre es viel zu gefährdet, so wie die Vase in der Hand des kleinen Jungen. Sondern es liegt in der Hand Jesu. Dort ist es gut aufgehoben. Sicher kann mir dann auch noch Schweres widerfahren. Ich kann in Sünde fallen, in Angst und Sorge. Diese Nöte können mir weh tun, so weh, dass ich manchmal schreien oder weinen muss. Aber mein Leben ist nicht zerstört. Es liegt fest in der Hand Jesu. Der hält es in seinen Händen. Und er lässt es nicht los, nie!

Im Johannesevangelium vergleicht Jesus die, die an ihn glauben mit Schafen, die auf die Stimme des guten Hirten hören. Er kennt sie und sie folgen ihm. Und er verspricht ihnen: „Und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

Ist das nicht ein einfacher und doch wunderbarer Glaube? Niemand kann dich im Jahr 2023 und auch dein ganzes Leben lang aus der Hand Jesu reißen.

Amen