Bayreuth, den 29.01.2023 Apostelgeschichte 10,21-35

Liebe Gemeinde!

Unser heutiger Predigttext spielt zur Zeit der ersten Christen und hat zwei Hauptpersonen. Die erste heißt Kornelius. Er lebte in Cäsarea am Meer. Das war die Hauptstadt der römischen Provinz Judäa. Dort war auch eine Garnison römischer Soldaten stationiert. Einer der Offiziere war Kornelius. Dieser wollte von den römischen Götzen nicht viel wissen. Vielmehr fühlte er sich von der jüdischen Religion angezogen. Solche Menschen nannte man Proselyten. Luther übersetzt dieses Wort mit „Gottesfürchtige“. Mit seiner ganzen Familie bekannte sich Kornelius zum jüdischen Glauben. Er war großzügig im Spenden. Und vor allem betete er. Es steht nicht in der Bibel, was er betete. Aber diese Gebete gefielen Gott so gut, dass er auf ungewöhnliche Art und Weise reagierte. Kornelius erschien ein Engel. Der spricht zu ihm: „Gott hat deine Gebete erhört. Schicke Boten nach Joppe und lass Simon Petrus zu dir herholen. Der hält sich gerade bei Simon, dem Gerber, auf.“ Kornelius gehorcht sofort dem Auftrag des göttlichen Boten.

In der Zwischenzeit hat nun die zweite Hauptperson unserer Geschichte, der Apostel Petrus, ein merkwürdiges Erlebnis. Beim Beten auf dem Flachdach seines Gastgebers sieht er den geöffneten Himmel Gottes. Es wird ein Tuch herabgelassen, das an vier Enden zusammengebunden ist. In dem Tuch liegen für einen Juden unreine Tiere. Eine Stimme fordert ihn auf, diese Tiere zu schlachten und zu essen. Aber Petrus weigert sich mit den Worten: „O nein, denn ich habe noch nie etwas Unreines gegessen.“ Die Stimme antwortet: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.“ Diese Szene wiederholt sich dreimal. Petrus ist verwirrt und fragt sich nach der Bedeutung der Vision.

In diesem Augenblick kommen die Boten des Kornelius an die Tür und erkundigen sich nach einem gewissen Simon Petrus. Der Geist Gottes spricht zu Petrus: „Geh hinunter, geh mit ihnen und zweifle nicht. Denn ich habe sie geschickt.“

An dieser Stelle unserer Geschichte beginnt der Predigttext. Er steht in der Apostelgeschichte, Kapitel 10, Vers 21 bis 35.

Diese Geschichte zeigt uns, wie Mission geschehen und gelingen kann und hat damit auch für unser Land und für unsere Zeit eine wichtige Bedeutung. Es gibt die Zerrbilder von Mission. Da kann man an weiße Männer denken, die Menschen mit anderer Hautfarbe und nichteuropäischen Kontinenten das Christentum nahebringen wollen. Da hat Mission etwas mit Kolonialismus zu tun, mit dem Überstülpen der europäischen Kultur.

Aber so ein Verständnis von Mission hat mit dem der Bibel nichts zu tun. Da geht es nicht darum, dass Menschen anderen Menschen etwas beibringen oder rüberbringen wollen. Sondern es geht darum, dass Gott etwas beibringen und rüberbringen will. Gott möchte, dass seine Geschöpfe ihn kennenlernen und in eine lebendige Beziehung zu ihm kommen.

Man muss also nicht weit weg fahren, um Mission zu betreiben. Mission kann man auch in seiner Umgebung betreiben. Hier bei uns. Deutschland ist schon lange zum Missionsland geworden. So ist es nicht verwunderlich, wenn das Wort "Mission" in offiziellen kirchlichen Kreisen nicht mehr negativ besetzt ist. Mission ist nötig, auch im eigenen Land. Allerdings ist Mission etwas Anderes, als "verlorene Schäfchen" zurückzugewinnen oder zumindest den Bestand der Kirchenmitglieder zu sichern. Theologieprofessor Michael Herbst aus Greifswald betont: "Mission ist nicht nötig, weil es der Kirche schlecht geht, sondern weil Gott sich nach den Menschen sehnt".

Gott hatte auch Sehnsucht nach diesem römischen Offizier Kornelius. Er hat gemerkt, dass dieser ein Mensch ist, der ihn sucht, der sich auch, vielleicht ohne es zu wissen, nach ihm sehnt. So ergreift Gott ungewöhnliche Maßnahmen, dass ein suchender Mensch eine lebendige Beziehung zu ihm bekommt. Er bereitet Petrus für eine ungewöhnliche Mission vor. Und gleichzeitig bereitet er Kornelius darauf vor, dass Gott ihm begegnen will.

Zu Beginn meiner Predigt habe ich von zwei Hauptpersonen, Kornelius und Petrus, gesprochen. Aber eigentlich ist die Hauptperson der Heilige Geist, wie in der ganzen Apostelgeschichte übrigens. Wir können hier direkt dabei zuschauen, wie der Heilige Geist an verschiedenen Menschen wirkt, wie er sie beeinflusst, wie er mit ihnen redet, wie er sie bewegt, Dinge zu tun, die sie sicher sonst so nicht getan hätten. Der Heilige Geist ist sozusagen der Regisseur, der die Fäden in der Hand hat, der alles nach seinen Plänen lenkt und durchführt. Und ich finde, es ist ungeheuer spannend, wenn der Heilige Geist Regie führt. Da hört die Langeweile auf, da geschehen seltsame und unerhörte Dinge, da geschehen Veränderungen des Denkens und der Weltanschauung, die man sich nicht hätte vorstellen können.

Vor allem an Petrus musste Einiges geschehen, damit er das tun konnte, wofür Gott ihn vorgesehen hatte. Der Apostel war zwar Christ, aber noch in den engen Grenzen seiner alten jüdischen Religionszugehörigkeit gefangen. Nur Juden, so meinte er bis zu seiner Begegnung mit Kornelius, konnten Christen werden. Und Heiden nur dann, wenn sie komplett das jüdische Gesetz befolgten. Wenn sich dieses Denken bei Petrus und später bei den anderen Verantwortlichen der christlichen Gemeinde nicht geändert hätte, hätte das das Ende des Christentums bedeutet. Dann wäre es eine jüdische Sondergruppe geblieben.

Das wollte Gott auf jeden Fall verhindern. An Pfingsten wehte der Geist Gottes wie ein Sturmwind und brannte wie ein glühendes Feuer. 3000 Menschen wurden an einem Tag Christen. Rasend schnell bekehrten sich immer mehr Menschen zu Jesus. Aber nun bestand die Gefahr, wie schon so oft in der Kirchengeschichte, dass aus dem Sturmwind ein lahmer Windhauch wurde und das Feuer niederbrannte. Das alles deshalb, weil man Gott zu enge Grenzen setzte.

Das ist eben die Gefahr: Je länger ein Mensch Christ ist, je länger eine lebendige christliche Bewegung existiert, desto mehr kann es zu einem verfestigten und starren Denken und Verhalten kommen. Man beschäftigt sich mit sich selbst, seinem frommen Wohlbefinden und seinen christlichen Freunden, richtet den Blick nur nach innen und nicht nach außen. Es interessiert einen nicht mehr so oder vergisst gar, dass es da ja noch viele Menschen gibt, die auch noch die Botschaft von Jesus hören und glauben müssen, um gerettet zu werden.

Dann kann folgende Entwicklung geschehen, wie sie in einer Geschichte geschildert wird. Es ist eine Art modernes Gleichnis: An einer gefährlichen Küste machten vor Zeiten ein paar Leute eine Seenot-Station für Schiffbrüchige auf. Zu dieser Rettungsstation gehörte nur ein einziges Boot. Damit wagte sich eine kleine, mutige Mannschaft immer wieder auf das Meer hinaus, um Menschen in Seenot zu helfen. Bald war dieser kleine Stützpunkt überall bekannt. Viele der Geretteten und auch andere Leute aus der Umgebung waren bereit, die armselige Station mit Geld zu unterstützen. Mit diesem Geld konnte die Seenot-Station großzügig ausgebaut werden. Sie wurde immer schöner und komfortabler und diente den Mitgliedern als eine Art Clubhaus. So war es nicht verwunderlich, dass immer mehr Mitglieder der alten Mannschaft keine Lust mehr hatten, auszufahren und Menschen in Seenot zu bergen. Der Rettungsdienst war unangenehm und dem Clubbetrieb hinderlich. Ein paar Mutige vertraten den Standpunkt: Lebensrettung ist unsere vorrangige Aufgabe. Sie trennten sich, bauten nicht weit entfernt eine neue Seenot-Station auf. Nach einiger Zeit ereilte sie das gleiche Schicksal. Aus der Rettungsstation wurde auch ein Clubhaus. So kam es schließlich zur Gründung einer dritten Rettungsstation. Doch auch hier wiederholte sich die gleiche Geschichte.

Wer heute diese Küste besucht, findet längs der Uferstraße eine ganze Reihe exklusiver Clubs. Immer noch wird die Küste vielen Schiffbrüchigen zum Verhängnis. Die meisten von ihnen ertrinken.

Was sind wir, was ist unsere Gemeinde: Clubhaus oder Rettungsstation? Es ist wohl so. Je länger eine lebendige Bewegung oder Gruppe existiert, desto mehr steht sie in Gefahr von einer Rettungsstation zu einem Clubhaus zu werden. Der Auftrag einer christlichen Gemeinde ist klar. Sie soll ein Sammelbecken für Verlorene sein, für Sünder, die den Heiland Jesus Christus brauchen. Wir Christen sollten Glaubens-, Liebes- und Hoffnungssalz in der „Suppe der Welt“ sein. Aber irgendwann einmal kann es passieren, dass die Salzkraft nachlässt. Der anfängliche Eifer, Neue einzuladen, lässt nach. Vielleicht denkt man auch: In meine Gruppe kann man eigentlich keine Neue einladen. Da ist ja alles so festgefahren, auch die Verkündigung ist an die ausgerichtet, die schon seit Jahr und Tag kommen. Vielleicht denken das auch manche von unseren Gottesdiensten. Außerdem ist es bequemer, wenn man unter Seinesgleichen ist. Es ist viel anstrengender, wenn man sich um Neue kümmern muss, ihre Meinungen berücksichtigen und auf sie eingehen muss. Clubhaussituation.

Ich denke, viele in unserer Gemeinde, wie im Kirchenvorstand, Mitarbeiter im kids-Treff oder im Kindergottesdienst wollen eine Rettungsstation bleiben. Aber wie sieht das bei jedem Einzelnen aus, der sich zu dieser Gemeinde hält? Prüfe sich jeder!

Die Zeiten haben sich sicher geändert. Die Älteren unter uns, und das sind im Laufe der letzten Jahre immer mehr geworden, haben mehr Verpflichtungen in Beruf und Familie. So viel „Neue“, die man einladen könnte, kennt man als Älterer auch nicht mehr wie früher. Mag alles sein.

Dazu kommt Corona. Corona hat wie viele andere Gemeinden auch unsere sehr verändert. Es besuchen etliche unsere Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen nicht mehr. Andere nehmen nur noch online teil. Für die, die zu krank oder zu alt sind oder zu weit weg wohnen, ist das Streaming eine wunderbare Sache. Aber andere, so habe ich den Eindruck, sind zu bequem, zu kommen. Und haben vergessen, oder vielleicht sogar nie gemerkt, dass die Gemeinschaft vor Ort nicht zu toppen ist.

An dieser Entwicklung ist nicht Corona schuld. Corona war nur ein Brandbeschleuniger einer tiefer gehenden Fehlentwicklung. Das ist die Trägheit, die sich eingeschlichen hat. Es fehlt die erste, brennende Liebe, wo einem Christen nichts wichtiger war, als Gottes Wort in der Gemeinschaft zu hören und dass doch noch viele, viele andere zu dem wunderbaren Glauben kommen, der uns geschenkt wurde.

Ich denke: Wir alle müssen anders werden, bei uns angefangen - und bei mir. Nicht durch eigene Bemühungen. Sondern der Heilige Geist kann wie ein Sturmwind den Staub von unseren Seelen fegen und uns wieder in Bewegung versetzen. Die Liebe Jesu kann uns wieder neu in Verwunderung und Bewunderung versetzen, dass wir doch jemanden haben, der uns unendlich liebt und unendlich reich beschenkt hat.

Bei Petrus geschah diese Veränderung. Auch wenn er einer der bedeutendsten Apostel war, so dachte er nicht: Ich kenne den Wille Gottes. Ich weiß, wie es langgeht. Ich brauche nichts mehr Neues zu lernen. Nein, auch er der große Apostel Petrus, gerade er, war offen, für neue Winke Gottes. Er ließ sich in seinem Denken und Verhalten korrigieren und verändern.

Es ging bei ihm stückweise. Erst einmal blickt er gar nicht durch, was diese Vision mit den unreinen Tieren ihm sagen soll. Was soll das alles bedeuten? Aber dann geht es weiter: der Heilige Geist sagt ihm, dass er ohne Bedenken mit den Boten zu Kornelius mitgehen soll. Und als er dort ist, betritt er das Haus des Römers, obwohl es einem Juden an sich streng verboten ist. Jetzt hat er verstanden, was Gott ihm sagen wollte: Es gab eine Zeitepoche, da war nur das Volk der Juden das auserwählte Volk, das Volk, mit dem Gott redete und das eine enge Verbindung zu Gott haben durfte. Aber jetzt ist eine neue Zeitspanne angebrochen. Jetzt dürfen auch Heiden zu Gott kommen, dürfen zum Volk Gottes gehören, ohne den Umweg über das Judentum nehmen zu müssen.

Und er merkt: „Gott sieht die Person nicht an; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.“ So formuliert Petrus seine neue Erkenntnis.

Ich versuche das mal auf uns zu übertragen: Es ist egal, ob einer reich oder arm ist, es ist egal, ob einer mehr oder weniger gebildet ist, ob er klüger oder dümmer ist als ein anderer, es ist auch egal, in welchem Beruf einer arbeitet, ob er erfolgreich ist oder nicht oder gar arbeitslos. Es ist ebenso egal, ob einer ledig ist oder verheiratet, ob er viele oder keine Kinder hat. All diese Äußerlichkeiten sind vor Gott völlig unwichtig. Er hat ganz andere Kriterien, er schaut tief nach innen, was im Herzen ist. Vor Gott kehrt sich oftmals alles um. "Der Mensch sieht auf das Äußere. Gott sieht das Herz an." Mit diesen Worten machte einmal Gott dem Propheten Samuel klar, dass er den kleinen David zum König salben sollte und nicht einen seiner älteren und beeindruckenderen Brüder.

So ein Satz ist wichtig. Denn auch wir beurteilen die Menschen oft nach dem, was sie in der Welt oder nach außen hin darstellen. Wir haben eine klare Hierarchie im Kopf, wer mehr Achtung und Ansehen verdient als ein anderer. Zu manchen schauen wir auf, auf andere blicken wir herab. Aber mit welchem Recht? Gott prüft das Herz, das Innerste. Er schaut darauf, ob einer ihn ehrlich sucht wie ein Heide Kornelius oder ein anderer Mensch, von dem wir gar nichts halten.

Die Geschichte von dem Offizier Kornelius zeigt uns, dass wir mit unserem Urteil Menschen gegenüber sehr zurückhaltend sein müssen. Gott kann sie ganz anders beurteilen als wir.

Wenn wir für die Winke Gottes offen sind, können wir unsere Überraschungen erleben. So wie Mathilda Wrede, die Tochter eines finnischen Gouverneurs. Dieser hatte Gefangene unter sich. Sie war eine gläubige Christin und hatte eines Nachts einen Traum. Sie sah einen Mann, der an Händen und Füßen gefesselt war und sie um Hilfe bat. Ganz aufgewühlt wurde sie wach. Sie bat Gott, dass er ihr doch zeigt, was dieser Traum für sie bedeutet. Sie schlug die Bibel auf. Ihr Blick fiel auf die Stelle: "Du Menschenkind... gehe hin zu den Gefangenen deines Volkes und sprich mit ihnen." Am nächsten Morgen wollte sie an den Strand gehen. Auf dem Wege traf sie einen Gefangenen. Sie schaute ihm ins Gesicht und erschrak. Es war der Mann, den sie nachts im Traum gesehen hatte. Sie sprach mit ihm. Der Mann fasste Vertrauen zu ihr und bat sie nach dem Gespräch: "Sie sollten ins Gefängnis kommen und mit uns allen reden."

Nun war Mathilda Wrede klar, welchen Auftrag sie hatte: Gefangene besuchen.

Wir haben wohl nicht den gleichen Auftrag wie eine Mathilda Wrede, die man später "Engel der Gefangenen" nannte. Aber wir alle können doch ein Engel, d. h. ein Bote Gottes, für die Menschen sein, die Gott uns in den Weg stellt. Es mögen keine Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt dabei sein. Aber es gibt doch genug Gefangene aus unserer Umgebung, Menschen, die gefangen sind in ihrer Sorge, Trauer, Not oder Sünde und Schuld. Gerade für die sind wir doch da, so wie Jesus auch.

Deshalb gibt es in unserer Gemeinde ja einen kids-Treff. Ich bin mir sicher, und ich habe es ja schon oft erzählt: Das hat Gott so gewirkt und gelenkt, dass es diese Arbeit gibt.

Auch wenn etliche Kinder diese Einrichtung besuchen: Es gibt immer noch genug jüngere und natürlich auch ältere Menschen hier in Bayreuth und Umgebung, die Jesus noch nicht kennen, - gerade hier in diesem Stadtteil.

Wir haben keinen Grund zur Resignation. Ich möchte nicht so denken wie ein jüngerer Kollege, der sagte einmal:“ Ich gehöre zu denen, die in 40 Jahren in unserer Kirche das Licht ausmachen.“

Und wenn es so wäre, was wir ja gar nicht wissen: In diesen Jahren haben wir immer noch Chancen, jede Menge Lichter anzuzünden, nicht auszumachen. Sicher, wer weiß wie lange. Aber wir haben diese Chance. Und so gut wie es geht, wollen wir sie nutzen.

Amen