Estomihi 19.02.2023 - 1. Kor. 13 - Nikodemuskirche

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Wir wollen in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten ... Herr, wir bitten dich, gib uns deinen Heiligen Geist zum Reden und zum Hören. Amen.

Was ist das Wichtigste im Leben? Was würden Sie antworten, wenn ihnen jemand diese Frage stellen würde? Bei einer Umfrage würde man sicher viele verschiedene Antworten erhalten, je nachdem, wen und wo man fragen würde. Am Rosenmontag auf dem Marktplatz würden vielleicht viele sagen: Spaß haben, mal richtig abfeiern. Am Abend in der Kneipe würden manche ihr Glas heben und sagen: Ein schönes Bier.

Würde man in einem Krankenhaus oder in einer Reha-Klinik mit dieser Frage auf Patienten zugehen, dann würden sicher die meisten von ihnen sagen: Gesundheit. Dass ich wieder hergestellt werde. Andere, die mitten im Leben stehen, würden vielleicht den Erfolg an die erste Stelle setzen, das Ansehen, Geld oder die Familie. Oft höre ich, dass die Zufriedenheit das Wichtigste sei. Oder seit einem Jahr käme vielleicht öfter die Antwort: Frieden. Dass der Krieg aufhört.

Was ist das Wichtigste im Leben? Über 80% antworteten bei einer Umfrage in den letzten drei Jahren: Gute Freunde haben und für die Familie da sein. Knapp über die Hälfte meinten, anderen Menschen helfen und Erfolg im Beruf haben. Mehr als ein Drittel der Befragten wollte ein hohes Einkommen haben und Abenteuer erleben. Manche machen auch ihr Hobby oder ihre Sammelleidenschaft zum Lebensinhalt, wie der Österreicher, der inzwischen 10Millionen Bier Kronkorken hat.

Würde Man die Umfrage nach dem Wichtigsten im Leben an einer Kirchentüre machen, könnte man sicher von Gottesdienstbesuchern vernünftigere Antworten hören. Vielleicht: Der Glaube ist das Wichtigste. Gottvertrauen. Manche würden sagen: Vergebung, Frieden mit Gott, nach Gottes Willen leben, die Gebote achten, Heiligen Geist haben.

In unserem Schriftwort für die Predigt heute beantwortet der Apostel Paulus die Frage: Was ist das Wichtigste im Leben und im Glauben eines Menschen? - Seine Antwort steht im 13. Kapitel des 1.Korintherbriefes. Sie ist eines der gewaltigsten und wichtigsten Stücke des Neuen Testaments. Dieses Kapitel wäre es wert, an jedem Tag einmal gelesen und bedacht zu werden. Es wird das Hohe Lied der Liebe genannt. Und der Apostel Paulus hält die Liebe für das Wichtigste im Leben und auch im Glauben ist. Er schreibt an die zerstrittenen Korinther:

(Übersetzung Hoffnung f. alle)
Ohne Liebe bin ich nichts, selbst wenn ich in allen Sprachen der Welt, ja mit Engelszungen reden könnte, aber ich hätte keine Liebe, so wären alle meine Worte hohl und leer, ohne jeden Klang, wie dröhnendes Eisen oder ein dumpfer Paukenschlag.
Könnte ich aus göttlicher Eingebung reden, wüsste alle Geheimnisse Gottes, könnte seine Gedanken erkennen und hätte einen Glauben, der Berge versetzt, aber mir würde die Liebe fehlen, so wäre das alles nichts.
Selbst wenn ich all meinen Besitz an die Armen verschenken und für meinen Glauben das Leben opfern würde, hätte aber keine Liebe, dann wäre alles umsonst.
Die Liebe ist geduldig und freundlich. Sie kennt keinen Neid, keine Selbstsucht, sie prahlt nicht und ist nicht überheblich.
Die Liebe ist weder verletzend, noch auf sich selbst bedacht, weder reizbar, noch nachtragend.
Sie freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Die Liebe erträgt alles, sie hofft alles und hält allem stand.
Einmal werden keine Propheten mehr zu uns sprechen, das Beten in anderen Sprachen wird aufhören, die Erkenntnis der Absichten Gottes mit uns wird nicht mehr nötig sein. Nur eins wird bleiben: Die Liebe.
Denn unsere Erkenntnis ist bruchstückhaft, ebenso wie unser prophetisches Reden.
Wenn aber das Vollkommene – Gottes Reich – da ist, wird alles Vorläufige vergangen sein.
Als Kind redete, dachte und urteilte ich wie ein Kind. Jetzt bin ich ein Mann und habe das kindliche Wesen abgelegt.
Noch ist uns bei aller prophetischen Schau vieles unklar und rätselhaft. Einmal aber werden wir Gott sehen, wie er ist.
Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.
Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Die Liebe aber ist das Größte.

Das Wichtigste im Leben und auch im Glauben ist also die Liebe. Wo die Liebe fehlt, da bleiben wir leer und unzufrieden, da fehlt auch echte Freude, da gibt es kein Glücklichsein. Und die schönsten Momente im Leben sind die, in denen wir die Liebe von Menschen oder die Liebe Gottes spüren.

Der Jünger Johannes schreibt in seinem 1. Brief sogar: Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1.Joh.4,16) Dass Gott die Liebe ist, hat er bewiesen durch Jesus Christus. So lieb hat Gott diese verlorene, verdorbene, mit Bösem angereicherte Welt, dass er trotzdem zu ihr kommt. Er gibt ihr das liebste und Beste, was er hat, um die Welt und ihre Bewohner zu retten. Die Welt? Das sind für Gott zuerst die Menschen. Menschen, die seine Welt an den Rand des Untergangs gebracht haben.

Die Menschen haben die Welt zum Schlachtfeld, zur Mördergrube, zur Hungerwüste, zur Folterkammer gemacht; zum Versuchsobjekt, zu ihrem Beuteterrain. Und in diese furchtbaren Abgründe schickt Gott seinen Sohn, um die Welt und ihre Bewohner zu retten. Jesus lässt sich schicken, sogar in den Tod. In Gethsemane ringt er sich betend dazu durch, aus Liebe. Am Kreuz von Golgatha bleibt er, bis es vollbracht ist. Durch Jesus wird das Schreckenssymbol Kreuz zum Segenszeichen der unermesslichen Liebe Gottes. Alles, was nicht Liebe ist, wird an seinem Kreuz verwandelt, ausgelöscht, neu gemacht.

Wenn man diese Sätze des Apostels Paulus von der Liebe liest, dann geht einem ja, wenn man ehrlich ist, immer sofort auf, wie wenig man selber Liebe hat. Wie viel einem da noch fehlt.

Ein toller Satz: Die Liebe ist freundlich. Schon im Umgang mit denen, die uns am nächsten stehen, tun wir uns schwer. Ein Ehepaar geriet in Streit: „Warum hältst du mir immer die Fehler vor, die ich früher einmal gemacht habe? Ich denke, du hast sie mir längst vergeben und vergessen.“ – Ja, ich hab dir vergeben, und auch vergessen,“ antwortete die Ehefrau, „aber ich möchte auch sicher sein, dass du nicht vergisst, dass ich dir vergeben und alles vergessen habe!“ Wie ist das bei Ihnen?

Die Liebe ist nicht nachtragend, „sie rechnet das Böse nicht zu“, übersetzte Martin Luther. Nicht so, wie jenes andere Ehepaar, das nach ewigen Streitereien bei einem Seelsorger Hilfe und Vermittlung suchte. Während des Gesprächs zog zum Entsetzen des Pfarrers der Ehemann ein Büchlein heraus und fing an vorzulesen: Am 19. Juli hat meine Frau zu mir gesagt…; am 20. Juli hat sie das und das getan…; am 21. Juli hat sie… und so ging es dann weiter.

Wir sind entsetzt! Aber haben wir nicht alle so ein Notizbüchlein? Wenigstens im Kopf, in dem wir fein säuberlich vermerken haben, was uns andere antun? - Wer unter den Einfluss der Liebe Jesu, wer in die Nähe seines Kreuzes kommt, der kann doch solche alten Notizbücher nur vernichten, so wie Jesus am Kreuz unseren eigenen Schuldschein vernichtet.

Es gibt eine Novelle von dem dänischen Dichter Jens Jakobsen, in der er die Kreuzigungsszene schildert. Er schreibt dann weiter: „Da sah Gottes Sohn, dass sie der Erlösung nicht wert waren. Und er riss seine Füße über den Kopf des Nagels heraus, er ballte die Hände und riss sie los und er sprang herab und er riss sein Gewand an sich mit dem Zorn eines Königs und fuhr zum Himmel auf. -- Und das Kreuz blieb leer stehen und das Werk der Versöhnung wurde niemals vollbracht...“

Bestimmt wäre es so gewesen, wenn Jesus so wäre wie wir. Aber er ist ganz anders. Er ist die Liebe. Darum blieb er am Kreuz bis zum Ende, denn in seinem Herzen brannte die Liebe Gottes. Und die sah die vielen Millionen an der Liebe Gescheiterten, die ohne sein Durchhalten verloren wären. Er sah sie alle mit einem tiefen liebenden Erbarmen an. Die Frau, den Mann, den Sohn, die Tochter, den Chef, den Kollegen, den Lehrer, den Schüler, Sie und mich und dann blieb er an seinem Kreuz, bis es vollbracht war, damit auch für uns noch Liebe da ist. Liebe, von der wir leben, Liebe, die wir uns schenken lassen dürfen, um sie zu spüren und um sie weiterzugeben. Manfred Siebald schrieb in einem seiner Lieder von der Liebe Gottes:

Was uns bleibt von unserm Lebenstanz, ist nicht das Lachen, nicht die Lust, die Schönheit und der Glanz.
Was uns bleibt von unserm Lebensfleiß, ist nicht die Arbeit,
nicht der Lohn, die Mühe und der Schweiß.
Die Liebe bleibt. Was wir aus Liebe tun, das bleibt besteh’n,
auch wenn es still geschieht und ungeseh’n,
wenn es nur Liebe ist, die uns hier treibt, die Liebe bleibt.
Was uns bleibt in unsrer Lebenszeit,
ist stärker noch als Leid und Tod und bleibt in Ewigkeit.
Was uns bleibt, das finden wir bei Gott.
Die Liebe trieb ihn in die Welt und für uns in den Tod.
Die Liebe bleibt, was Gott aus Liebe tat, das bleibt besteh’n.
Und das kann heute noch bei uns gescheh’n,
wo seine Liebe uns zur Liebe treibt.
Die Liebe bleibt.

Das ist der Schlüssel zu einem Leben, in dem Liebe siegt: Wenn wir Jesu Liebe wirklich im Glauben für uns nehmen, dann wird uns diese Liebe verändern und auch zu solchen Menschen machen, von denen immer mehr Liebe ausgeht. So verstanden ist die Liebe keine Forderung, für die ich mich immerzu anstrengen muss, sondern ein Geschenk, das mich froh macht und zum Handeln in der Liebe befreit.

Nie werde ich die strahlenden Augen des sonst meist mürrischen alten Mannes vergessen, dem im hohen Alter sein erst wenige Wochen altes Urenkelkind auf den Schoß gelegt wurde. Man hatte ihn schon lange nicht mehr so freundlich lächeln sehen, aber der Anblick dieses Kindleins ließ sein bitteres hartes Herz weich werden. So wie ihn das Enkelkind anlächelte, konnte er nicht anders als zurück zu lächeln und mit freundlichem liebevollem Blick auf das Kind sehen.

Wenn schon ein kleines Kind mit seiner unschuldigen Freundlichkeit so etwas bewirken kann, wie viel mehr kann das die Freundlichkeit Gottes in dem unschuldigen Jesus Christus, der dich und mich trotz allem, was war, freundlich ansieht mit einer Liebe, die alles Böse und Harte überwindet. Berührt dich das nicht? Solche Liebe für dich!

Es hat mal jemand herausgefunden, dass man in diesem Hohen Lied der Liebe das Wort Liebe jedes Mal ersetzen kann durch das Wort Jesus. Dann lautet es in den Kernversen:

Jesus ist geduldig und freundlich. Er kennt keinen Neid, keine Selbstsucht, er prahlt nicht und ist nicht überheblich.
Jesus ist weder verletzend, noch auf sich selbst bedacht, weder reizbar, noch nachtragend.
Jesus freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Jesus erträgt alles, hofft alles und hält allem stand.

Paulus hat dieses Hohe Lied der Liebe an die zerstrittenen Christen in Korinth geschrieben. Aber es gilt auch für die zerstrittenen, beleidigten, empfindlichen, nachtragenden Christen anderswo. Es ist wie ein Wegweiser, der uns zeigt, wo der Weg der Nachfolge Jesu, wo der Weg eines Christen lang geht. Nicht die Erfüllung von Geboten und Dogmen ist das Wichtigste. Nicht die Ableistung irgendwelcher Pflichten oder die Vermeidung von Fehlern, sondern die Liebe zu Gott und den Menschen, die dahintersteht.

Meinen Sie nicht auch, es täte uns gut, diese Zeilen immer wieder zu lesen und uns zu Herzen zu nehmen. Nach einem Streit in der Familie oder in der Ehe, nach einem unerfreulichen Telefonat oder vor einem schwierigen Gespräch. Vor einem Schultag oder nach einem stressigen Arbeitstag. Mit Gerhard Tersteegen dürfen wir beten:

Ich bete an die Macht der Liebe,
die sich in Jesus offenbart;
Ich geb’ mich hin dem freien Triebe,
mit dem ich Wurm geliebet ward;
Ich will anstatt an mich zu denken,
ins Meer der Liebe mich versenken.


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