Johannes 14, 15-19. Pfingsten 28.05.2023. Nikodemuskirche

Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen dessen,
der mit der Kraft seines Wortes die Welt geschaffen hat,
der mit der Kraft seiner Liebe die Welt erlöst hat
und der mit der Kraft seines Trostes Hoffnung für die ganze Welt hat – feiern ihn im Namen Gottes des Vaters
und des Sohnes
und des Heiligen Geistes.
Amen

Der HERR sei mit euch!
Ich freue mich, mit Ihnen zusammen diesen Festgottesdienst zu feiern. Ein herzliches „Grüß Gott“ jedem von Ihnen, ob hier live in der Nikodemuskirche oder online zuhause!
Pfingsten ist heute – Fest des Heiligen Geistes. Kein einfaches Fest. Denn wie soll man sich den Heiligen Geist vorstellen? Nach alter Tradi-tion in Gestalt einer Taube? So kann man ihn in vielen alten Kirchen aus Gips gemacht unterhalb der Kanzeldecke sehen.
Weil der inzwischen pensionierte Hausherr gerne etwas zum Lachen erzählt hat, will ich Beginn dasselbe tun, auch wenn sicher manche die Geschichte schon kennen.
In einer Gemeinde war es Brauch, an Pfingsten den Heiligen Geist sichtbar in Gestalt einer Taube auf die Gottesdienstbesucher herab-kommen zu lassen. Dazu war es die Aufgabe des Mesners, sie im Gottesdienst an einer bestimmten Stelle des Schlussgebetes durch ein Fenster in der Kirchendecke losfliegen zu lassen.
Wieder war es soweit. Der Pfarrer rief mit feierlicher Stimme: „Der Heilige Geist erscheine!“ Doch es passierte nichts. Erneut rief der Pfarrer nach dem Heiligen Geist. Aber das Fenster in der Kirchendecke blieb zu. Der Pfarrer rief ein drittes Mal, jetzt schon etwas ungehaltener: „Der Heilige Geist erscheine!“ Aber der erschien wieder nicht, sondern nur das hochrote Gesicht der Mesners im offenen Fenster, der laut in die Kirche hinunter rief: „Den Heiligen Geist hat die Katz g’fressn!“

Ob sie wahr ist, diese alte Geschichte, weiß ich nicht. Aber wenn man sieht, was für ein trauriges Bild die Kirche Jesu heute abgibt, könnte man schon denken: „Den Heiligen Geist hat die Katz g’fressn!“ Nur drei Schlagzeilen dazu: Die Kirchenaustritte nehmen erschreckend zu. Der Gottesdienstbesuch geht immer mehr zurück. Gemeinsames Beten in der Familie wird immer seltener.

Schön, dass Sie an Pfingsten hier live oder zuhause im Stream mit dabei sind, um vom Heiligen Geist zu hören und zu singen! Vielleicht auch, um ihn sich neu für sich und ihre Kirche und Gemeinde zu erbitten.

Gebet des Tages (Martin Luther)

Gib mir, HERR, nicht Gold und Silber,
sondern einen starken, festen Glauben.
Ich suche nicht Lust oder Freude der Welt, sondern Trost und
Erquickung durch dein heiliges Wort.
Nichts begehre ich, das die Welt groß achtet, denn ich bin dadurch vor dir nicht um ein Haarbreit gebessert;
sondern deinen Heiligen Geist gib mir, der mein Herz erleuchte,
mich in meiner Angst und Not stärke und tröste;
im rechten Glauben und Vertrauen auf deine Gnade erhalte mich bis an mein Ende.
Amen


Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen
Aus dem schon vorgelesenen Evangelium dieses Sonntages in Johannes 14 noch einmal, was Jesus in Vers 26 sagt: „Der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“

Herr, tritt du selbst in unsre Mitte, stärk unsre Herzen durch dein Wort.
Sieh unsre Schwachheit, hör die Bitte, gib deinen Geist an diesem Ort.

Der Journalist musste lange warten, bis er die Erlaubnis erhielt, das Gefängnis zu besuchen. Menschen hinter Gittern, für Monate, Jahre ausgeschlossen von der Gesellschaft, eingeschlossen in eine Zelle ... schon der Gedanke daran war für ihn bedrückend!
Endlich ist es soweit. Ein Aufsichtsbeamter läßt ihn ins Gefängnis. Als erstes sieht er den Innenhof. Dort dreht sich gerade ein unheimliches Karussell: Paarweise gehen die Gefangenen im Kreis, alle gleich ange-zogen. Manche mit ausdruckslosen Gesichtern, andere munter schwat-zend oder unbeschwert lachend, so als trenne sie keine meterhohe Mauer von der Außenwelt.
„Es sind eine ganze Menge begabter Leute darunter“, meint der Beamte, „die hätten es im Leben zu etwas bringen können! Der ‚Kleine‘ dort zum Beispiel hätte Kunstmaler werden können. Sie werden Augen machen, wenn Sie dem seine Bilder sehen!“
Er hat nicht übertrieben. Als der Aufsichtsbeamte später in seinem Dienstzimmer hinter einem Schrank ein Bild hervorholt, da ist der Journalist sprachlos und fasziniert zugleich. In kühnen Farben gemalt, stehen zwölf Männer im Kreis und schauen aufgeregt nach oben. Ihre Haare sind zerzaust, ihre Gesichter eingetaucht in strahlendes Licht, das in den Farben des Regenbogens von oben her einfällt; die Augen der Männer sind weit aufgerissen und von übertriebener Größe.
Das erregendste an dem Bild aber ist die besondere Optik. Man hat nämlich den Eindruck, als wenn man von oben her – wie von einem Turm aus – in die Gesichter der Zwölf schaut!
„Pfingsten, nennt er das Bild“, sagt der Beamte. „Er hat es für die Gefängniskirche gemalt, darf es aber dort nicht aufhängen!“ Warum nicht, will der Journalist wissen, das Bild sei doch von einer unerhörten Ausdruckskraft. „Weil das alles Mitgefangene sind, die er da gemalt hat“, kriegt er zur Antwort. „Der da war ein Rückfalldieb, der ein vielfacher Betrüger, und so weiter. Es hätte auch ‚kleine Gauner‘ gegeben, die das erste Mal ‚sitzen‘. Aber er hat sich gerade die Allerschlimmsten herausgesucht, richtige Verbrecher!“, regt sich der Beamte auf.
Der Journalist will diesen Strafgefangenen unbedingt mal sprechen. Nach einem Telefonat mit der Gefängnisleitung bekommt er dazu auch die Erlaubnis. „Was haben Sie sich bei diesem Bild gedacht?“, fragt er ihn als erstes. „Genau das, was die Bibel von Pfingsten berichtet!“, ist die Antwort des Häftlings. „Daß Gottes Heiliger Geist Herzen und Sin-ne der Menschen total verändert! Und dadurch Sünder selig werden!“
Der Strafgefangene sieht den Journalisten fragend an: „Kennen Sie das Pfingstlied: Zieh ein zu deinen Toren?“ Der Journalist nickt. „Dann kennen Sie doch auch den dritten Vers: Ich war ein wilder Rebe, du hast mich gut gemacht; der Tod durchdrang mein Leben, du hast ihn umgebracht!“
Ein Häftling, der sich so in Bibel und Gesangbuch auskennt? Der Journalist will das nicht so recht glauben. Es geht ihm alles zu flüssig über die Lippen, was der Gefangene sagt. „Die Männer beim ersten Pfingstfest waren bekehrt! Das kann man aber beim besten Willen nicht von denen sagen, die Sie gemalt haben!“, gibt er deshalb zu bedenken.
Da legt der Häftling los. „Wissen Sie was Pfingsten ist? Pfingsten ist eine Zusage, dass alles anders wird! Den Frommen, die schon alles haben, braucht man diese Zusage nicht zu geben. Aber denen, die an sich verzweifeln, denen muss man sagen, dass es auch für sie einen neuen Anfang gibt!“
Der Journalist läßt aber nicht locker. „Schön und gut. Doch man hat mir erzählt, Sie hätten sich für dieses Bild gerade die Schlimmsten unter Ihren Mitgefangenen herausgesucht! Können Sie da nicht verstehen, dass das eine Provokation für jeden anständigen Christen ist?“
Darauf der Strafgefangene: „Pfingsten ist ein Wunder. Und wenn ich das zum Ausdruck bringen will, muss ich solche Männer malen, die nur durch ein Wunder zu retten sind. Die ‚kleinen Sünder‘ könnte vielleicht auch die eigene Frau ändern; manche ändert mitunter sogar schon das Gefängnis! Aber die ganz großen Sünder – die ändert nur Gott!“
Der Journalist merkt, wie der Gefangene in dem Moment mit sich kämpft und schließlich wortlos auf eine Stelle des Bildes deutet. Jetzt erst fällt ihm auf, dass der Häftling sich selbst mitgemalt hat! „Die ganz großen Sünder“, sagt er dann noch einmal stockend, „die ändert nur Gott“.
Der Journalist spürt die innere Erregung des Gefangenen, beendet daraufhin sein Interview und geht – tief bewegt.

Eine bewegende Geschichte, liebe Gemeinde. Vielleicht hat sie man-chen unter uns aber auch aufgeregt. Was gar nicht so schlecht wäre! Denn genau das möchte Pfingsten: uns aufregen. Es wäre das beste Zeichen dafür, dass Gottes Geist bereits begonnen hat, mit uns zu reden!

prachwissenschaftlich gesehen hängt nämlich das Wort „Geist“ mit dem altnordischen Wort „geisa“ (wüten) und mit dem gotischen „usgaisjan (außer sich sein) zusammen. Die Grundbedeutung des deutschen Wortes „Geist“ gibt man daher am besten mit „Aufregung“ wieder. Dieser sprachgeschichtliche Zusammenhang ist echt aufregend:

Gottes Geist möchte dich und mich in eine heilige Aufregung versetzen!

Wenn wir uns aufregen, ist das meistens nicht heilig – schon von unserer Lautstärke her – und hat oft nur unheilige Folgen. Denken wir kurz mal darüber nach: Wer in unserer engeren oder weiteren Umge-bung regt uns immer wieder auf – in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Verein, in der Nachbarschaft, am Ort? Ich bin mir sicher, da fallen uns gleich welche ein! 

Manchem sagen wir das auch deutlich: Die Frau ihrem Mann oder umgekehrt, der Vater seinem Sohn, die Schülerin ihrer Freundin, der Angestellte seinem Kollegen: „Du regst mich auf mit deinem ...“ – und dann kommen alte oder neue Vorwürfe, die oft nur Unfrieden auslösen.

Drehen wir lieber den Spieß mal um und fragen uns: „Regen wir uns auch über uns auf?“ Etwa, wenn wir Mist gebaut haben und uns selber vorhalten müssen: „Und Du willst ein Christ sein?“ Wohl eher selten. Meistens sind wir zufrieden mit uns. Aber genau da fährt uns der Heili-ge Geist in die Parade und versetzt uns in helle Aufregung. Denn so Martin Luther: „Wo das Evangelium hinkommt, da gibt es Rumor.“ Also: Aufregung!

Woran sie sich entzündet? Dass Jesus von sich gesagt hat: „Ich bin gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Das ist sein Auftrag, sein Heilandsamt, sonst verlorene Menschen zu retten! Doch sehen wir bei uns eine Notwendigkeit dafür? Insgeheim denken wir manchmal doch: „Wenn nur alle so wären wie ich!“

Ach, es sagt sich so leicht: „Wir sind halt alle Sünder.“ Aber wehe, man spricht uns ganz persönlich und konkret auf ein Versäumnis, ein Versagen, eine Schuld an – dann regen wir uns prompt auf, gehen innerlich oder äußerlich hoch! Suchen unser Heil in der Ausflucht: "Die anderen sind auch nicht besser!“ Anstatt uns zu dem Heiland zu flüch-ten, der einzig und allein deshalb gekommen ist, „zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“.

Ich wünsche uns daher, dass wir uns hier oder zuhause aufregen. Nicht über die, die an diesem Sonntag oder auch sonst nicht hier sind, sondern über uns selber! Dass sich jeder von uns darüber aufregt: „So, wie ich bin – oft denke, rede, handle – liege ich bei Gott völlig schief, kann ich nicht vor ihm bestehen, muss er mich verurteilen, bin ich verloren!“

Wen das nicht in Ruhe läßt, sondern tief beunruhigt, der braucht einen Retter, der ihn vor einem geistlichen Supergau, der größtmöglichsten Katastrophe vor Gott bewahrt! Nämlich verloren zu gehen. Doch dieser Retter sagt zu jedem von uns, der sich mit der Angst seines Herzens an ihn klammert: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“

Jesu Heilandsruf gilt gerade denen, die ihre Verlorenheit vor Gott in helle Aufregung versetzt hat: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“

Der Heilige Geist ist ein Störenfried, der uns aufrütteln will, damit unser Leben nicht im Untergang vor Gott endet. Aber zugleich ist er ein Störenfried, dessen bedinungslose Liebe uns alle Aufregung und alle Angst nimmt, uns beruhigt und befriedet.

Warum? Weil uns „der Tröster, der heilige Geist“ sagt: Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz zwischen uns und Gott Frieden gemacht! Seitdem dürfen wir den großen Trost und die feste Gewißheit haben, dass uns vor Gott nichts mehr verurteilen kann. „Es gibt nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind,“ schreibt Paulus einmal. Wer sein Heil in Jesus gesucht und gefunden hat, der ist und bleibt geliebt, begnadigt und gerettet bei Gott im Leben und im Sterben! Dem steht im Leben und nach dem Sterben der Himmel offen.

Liebe Gemeinde, gibt es etwas Aufregenderes, Wunderbareres und Verheißungsvolleres als diese Tatsache? Doch wer will und muss sie immer wieder hören? Wer braucht sie immer neu für sein Lebensglück und sein Seelenheil?

Als der große Naturforscher David Livingstone in Afrika unterwegs war, kam es manchmal vor, dass ein Stamm von Eingeborenen ihn bat: „Gib uns unseren Schlaf wieder!“ Sie baten ihn um ungestörte Ruhe vor nächtlichen Überfällen durch Gegner und Feinde Livingstones, was begreiflich und verständlich war.

Wenn diese Bitte aber von Menschen nur so verstanden wird, dass Gott sie in Ruhe lässt, sie nicht von seinem Wort gestört, aufgeregt und wachgerüttelt werden wollen, dann ist das eine tödliche Bitte!

Doch viele Christen erwarten von uns Pfarrern, wir sollen sie in ihrem Christsein bestätigen, aber nicht in Frage stellen! Ihnen versichern, dass zwischen ihnen und Gott schon irgendwie alles im grünen Bereich ist. Sie wünschen sich „Wohlfühlgottesdienste“, in denen sie ungestört in der Liebe ihres „Kuschelgottes“ baden können, weil der ihnen in nichts hineinredet und „Fünfe gerade sein“ lässt.

Nur, dass der Heilige Geist, der Störenfried und Störenfried, etwas dagegen hat! Das Evangelium von der großen Liebe Gottes will sicher riesige Freude bringen und tiefe Geborgenheit schenken. Aber es will auch aufschrecken und aufwecken! Nämlich zum Kampf gegen die Sünde aufrufen: zum Kampf gegen Egoismus und Bequemlichkeit, gegen Habgier und Geiz, gegen Unglaube und Aberglaube, gegen Unzufriedenheit und Undankbarkeit, gegen Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit, gegen Richtgeist und Selbstgerechtigkeit.

Deshalb sollten wir die alten Pfingstlieder mit der Bitte um den Heiligen Geist einmal so singen: „O heilige Aufregung, kehr bei uns ein!“ Oder: „Komm, o komm du Aufregung des Lebens, wahrer Gott von Ewigkeit, deine Kraft sei nicht vergebens, sie erfüll uns jederzeit!“

Sicher können Sie von der Nikodemuskirche Gott dankbar sein für die vielen Aktivitäten in Ihrer Gemeinde! Dankbar sein für den Kids-Treff, die vielen Gruppen und Kreise, die sich hier treffen, und Ihre vielen Mitarbeiter! Auch in dankbarer Vorfreude sein auf Ihren neuen Pfarrer, der wie Ihre bisherigen Pfarrer Hager und Opitz auch ein Freund Jesu ist und Ihnen diesen Retter und Erlöser daher ganz groß machen wird!

Aber das alles darf Sie nicht beruhigen: „Unser gottesdienstliches und gemeindliches Leben läuft ja bestens!“ – wenn viele Menschen in der Neuen Heimat oder in Ihrem persönlichen Umfeld von Gott und Jesus wenig oder gar nichts wissen wollen!

Deshalb sollte es an Pfingsten und danach täglich unser aller Herzens-gebet sein: „HERR, schenke bitte unserer Gemeinde, deiner Kirche, unserem Volk, unserer Regierung und aller Welt Gottesfurcht und Gottvertrauen, Jesusliebe und Nächstenliebe! Schenke du doch allen Menschen kraft deines Heiligen Geistes „Glauben, Hoffnung, Liebe“ – und fange bei mir an!“

Amen

Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsre Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus. Amen