Gottesdienst am 4. So. n. Trin., 02.07.2023
um 09:30 Uhr in der Nikodemuskirche
Pfr. i.R. Wolfgang Heidenreich

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

1. Petrus 3,8-17:

8 Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. 9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.
10 Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. 11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. 12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun« (Ps 34,13-17).
13 Und wer ist's, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? 14 Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; 15 heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, 16 und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. 17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

Liebe Gemeinde!

Ein Pfarrer trifft seinen ehemaligen Konfirmanden. Er kommt mit ihm ins Gespräch und lädt ihn ein, doch wieder einmal in den Jugendkreis zu kommen.
Der junge Mann lehnt aber ab mit den Worten: Nein, Herr Pfarrer, da möchte ich nicht hin. Denn ich will erst noch etwas vom Leben haben.
Für diesen jungen Mann ist der christliche Glaube offensichtlich unattraktiv, weil er ihn angeblich zu sehr in seiner Lebensführung einschränken würde.
Er ist der Meinung, dass es beim christlichen Glauben nur um Verbote und Gebote geht. Christen sollen dies tun und jenes lassen. Das eine dürfen Christen nicht tun und anderes müssen sie tun, um Christ zu sein.
Wenn man unseren heutigen Predigttext hört, dann kommt man in Versuchung, diesem jungen Mann Recht zu geben. Denn Petrus spricht hier eine ganze Reihe von Imperativen aus: seid gleichgesinnt, vergeltet nicht, segnet, hütet eure Zunge, betrügt nicht, wendet euch ab vom Bösen, tut Gutes, sucht Frieden, heiligt den Herrn, seid bereit über euren Glauben zu sprechen!
Die Fülle dieser Anweisungen und Befehle erschlägt uns fast. Wir können sie schier nicht fassen.
Da scheint wirklich das Klischee erfüllt zu sein, dass es im christlichen Glauben nur um Vorschriften und Verbote geht. Da könnte man fast versucht sein zu glauben, dass der Satz richtig wäre, dass man erst dann Christ wäre, wenn man all das tun und jenes lassen würde.
Aber genau das ist eine furchtbare Verzerrung unseres christlichen Glaubens. Dann wäre unser Glaube nur eine unerträgliche Last. Dann wäre Christsein nur eine schlimme Form von Werkgerechtigkeit. Denn das würde ja heißen, dass wir erst dann Christinnen und Christen wären, wenn wir genau so leben würden. Christ wäre ich also nur dann, wenn ich bestimmte Leistungen erfülle, bestimmten Geboten Folge leisten würde und anderen Verboten gehorsam wäre.
Aber genau das ist die falsche Reihenfolge.
Ich möchte das am Beispiel eines Waschbeckens verdeutlichen. So ein Waschbecken hängt an der Wand. Es ist ausgestattet mit allem, was dazugehört.
Jetzt könnte man fragen: Wird das Waschbecken erst dann zum Waschbecken, wenn Wasser durch es hindurchfließt?
Nein, würden wir sagen. Denn es ist doch schon vorher ein Waschbecken. Es ist als Waschbecken geschaffen worden.
Aber das Wasser kann erst durch das Waschbecken fließen, wenn ein Wasserhahn und eine Wasserleitung da sind. Es ist von Anfang an ein Waschbecken, aber das Wasser fließt erst durch dieses Becken, wenn es angeschlossen ist.
Dazu kann dieses Becken nichts tun. Der Klempner muss es einbauen und anschließen. Danach erst kann das Waschbecken seine Funktion erfüllen. Dann erst kann Wasser durch es hindurchfließen.
Übertragen wir dieses Beispiel auf unser Leben als Christinnen und Christen. Wir sind dazu geschaffen, dass Segen durch uns fließt. Wir sind dazu geschaffen, den Menschen um uns herum Gutes zu tun.
Aber das können wir nicht aus eigener Kraft. Wir können nicht von uns aus Segen geben, nur weil wir uns anstrengen. Wir können nicht von uns aus in Gedanken, Worten und Taten so leben, wie Jesus es gerne haben möchte.
Wir müssen vielmehr vorher an die Kraftquelle angeschlossen werden. Wir brauchen täglich die Verbindung zu Jesus Christus. Täglich dürfen wir sozusagen in der stillen Zeit, beim Bibellesen und Beten den Hahn öffnen, damit das lebendige Wasser uns durchströmt, damit Gottes Heiliger Geist zu uns kommt, damit die reinigende und verändernde Kraft des göttlichen Wortes an uns arbeiten und uns erneuern kann.
Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Kein Christ ist sofort vollkommen, wenn er zum Glauben gekommen ist, Vergebung empfangen hat und eine Wiedergeburt erlebt hat.
Ein Christ ist im Werden. Und das wird ein Leben lang so bleiben. Wir sind zwar an die Kraftquelle Gottes angeschlossen, wir sind im Glauben mit ihm verbunden, aber die verändernde Kraft des Glaubens wird sich in unserem Leben erst Stück für Stück entfalten. Wo wir auf dem Weg des Glaubens gehen, da arbeitet Jesus täglich an uns. Er spricht uns Mut zu, aber er korrigiert uns auch immer wieder dort, wo es noch nicht passt.

Martin Luther schrieb, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße ersäuft werden soll und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen soll ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.

Als Christenmensch werde ich also immer wieder meine Unvollkommenheit erkennen. Alles was ich täglich falsch mache, tut mir dann leid. Aber ich zucke dann nicht mit den Achseln und sage, dass das halt so ist, sondern ich komme täglich neu zu Jesus, bringe ihm mein Versagen, ergreife die Vergebung und vertraue darauf, dass Jesus Stück für Stück mein altes Leben erneuern wird. Denn er hat uns ja versprochen: Siehe, ich mache alles neu!
Petrus hat das in seinem Leben immer wieder erfahren dürfen. Als junger Mann war er von seiner eigenen Kraft überzeugt. Da war er in seinen eigenen Augen besser als die anderen Jünger. Da wollte er aus eigener Kraft sich für Jesus einsetzen und sogar sein Leben für ihn geben.
Aber dann ist er mit seiner eigenen Kraft fürchterlich gescheitert. Nicht einmal vor einer einfachen Magd traute er sich, sich zu Jesus zu bekennen. Und vor den Soldaten hat er ihn sogar verleugnet.
Es war ein schlimmes Erwachen für Petrus, als der Hahn krähte und er sich bewusst wurde, wie weit er aus eigener Kraft gekommen war.
Und diese Erfahrung trieb ihn zu tiefen Tränen der Reue.
Aber er durfte bald darauf erleben, wie Jesus in wunderbarer Seelsorge an ihm arbeitete, seine neue Gesinnung prüfte, ihm Vergebung zuteilwerden ließ und ihn wieder in sein Apostelamt einsetzte.
In den folgenden Jahren hat Jesus offensichtlich weiter an Petrus gearbeitet. Aus dem Heißsporn ist ein Mensch der Liebe und des Friedens geworden. Aus dem, der damals noch mit dem Schwert für Jesus kämpfen wollte, ist einer geworden, der in Barmherzigkeit und Demut Jesus nachfolgte, der auf eigene Macht und Ehre verzichten konnte und dem es wichtig geworden war, ein Segen für andere zu sein.
Diese Veränderung hat Petrus aber nicht selber vollbracht. Diese Veränderung geschah in der Nachfolge Jesu Christi. Petrus durfte die verändernde Kraft des Glaubens am eigenen Leben erfahren.

Er musste deshalb nicht mehr nach dem Echogesetz der Welt handeln, das da lautet: Wie du mir, so ich dir!
Er kann jetzt vielmehr nach dem Echogesetz des Himmels leben: Wie Jesus mir, so ich dir!

Christen sind wir also nicht, weil wir uns an bestimmte Ordnungen und Regeln halten. Denn so werden wir in Gottes Augen nie recht sein.
Und wenn wir ehrlich sind, dann spüren wir nur allzu schnell, dass wir das aus eigener Kraft auch überhaupt nicht schaffen. Denn kein Mensch ist vor Gott gerecht.
Aber durch die Gnade Jesu Christi dürfen wir das sein, wozu Jesus uns umgestaltet.
Denn das neue Leben, von dem Petrus hier in unserem Predigttext spricht, ist nicht Voraussetzung für unseren Glauben, sondern erst die Folge unseres Glaubens, unseres Lebens mit Jesus.
Strecken wir uns also täglich danach aus. Bitten wir Jesus im Gebet, dass er uns verändert, dass er uns umgestaltet in sein Bild, dass wir ihm immer mehr ähnlich werden.
Und wenn wir wieder scheitern, wenn wir spüren, wie weit wir noch davon entfernt sind, dann brauchen wir uns nicht entmutigen lassen. Dann dürfen wir wieder neu zu Jesus kommen, ihn um Vergebung bitten und darauf vertrauen, dass er bei uns alles neu macht und dass er uns noch an das gute Ziel bringt. Denn er ist ja der Sieger.
Das ist dann so wie mit den Petunien auf meinem Balkon. Die können auch nichts aus eigener Kraft. Die mussten sich von uns einpflanzen lassen, die müssen sich von uns gießen und düngen lassen.
Immer wieder wird das entfernt, was nicht schön ist. Ansonsten können sie sich nur noch der Sonne aussetzen und zu unserer Freude wachsen und gedeihen.
Genauso können auch wir uns nur die Fürsorge Jesu gefallen lassen. Manchmal tut es weh, wenn er etwas entfernt, was nicht gut ist. Aber er versorgt uns täglich mit all seinen guten Gaben. Und in seinem Licht dürfen wir leben zu seiner Ehre und zum Segen für andere. Denn es geht dann in unserem Leben nicht mehr um unsere eigene Ehre, sondern darum Jesus groß zu machen und ihn zu verherrlichen.
Sind wir Christen deshalb die besseren Menschen? Nein, wir sind nicht besser, aber wir sind besser dran! Denn Jesus steht an unserer Seite. Er hilft uns, ihm nachzufolgen und ihm auf diesem Weg immer ähnlicher zu werden.
Aber dieses Leben in der Nachfolge Jesu Christi hat auch Folgen.

Christoph Zehendner schrieb dazu:

Folgen heißt zu lernen, von sich selbst wegzusehen, die Not der Welt erkennen und mutig loszugehen, heißt Hilflosen zu helfen mit Trost und gutem Rat, heißt reden, heilen, handeln, so wie es Jesus tat.

Dieses mitleidige, barmherzige und brüderliche Leben bleibt aber nicht im Verborgenen.
So ein Leben ist eine Predigt ohne Worte. Die Menschen um uns merken, wenn wir nicht mit über andere herziehen, sondern über unsere Nächsten Gutes reden und alles zum Besten kehren.
Sie merken an unserem Verhalten, dass uns etwas trägt, dass wir etwas haben, was andere nicht haben.
Und deshalb kann so ein Leben andere neugierig machen, sie zum Fragen bringen, sie zum Glauben einladen. Deshalb sollen wir – wie Petrus hier schreibt – allezeit bereit sein zur Verantwortung vor jedermann, der von uns Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in uns ist.
Denn was gibt es Schöneres, als suchenden und fragenden Menschen von dem zu erzählen, was uns und unser Leben trägt. - Und wo wir das tun, da tragen wir den Segen Gottes weiter.
Natürlich kann dieses veränderte Leben auch anderen zum Anstoß werden. Es kann sie ärgern.
Und weil sie unser Handeln weder verstehen noch nachvollziehen können, kann es auch sein, dass ihre Ablehnung in Hass umschlägt.
Es gefällt uns natürlich alle nicht, wenn wir wegen unseres Glaubens Nachteile haben oder leiden müssen.
Aber wir dürfen froh darüber sein, weil es ein Zeichen dafür ist, dass unser Glaube echt ist.
Und wir dürfen dann ganz fest glauben, dass Gottes Augen dann voller Liebe auf uns sehen. Denn wir geben ja – wenn wir wegen unseres Glaubens leiden – ihm dadurch die Ehre.
Letztlich kann uns nichts schaden. Denn wir haben eine Hoffnung, die weit über dieses irdische Leben hinausreicht. Wir haben reichen Lohn im Himmel.
Und hier schon dürfen wir wissen, dass wir letztlich auf der Seite des Siegers stehen.
Denn wer uns antastet, der tastet den Augapfel Gottes an.
Deshalb dürfen wir in Freud wir im Leid ganz geborgen sein, weil die Zusage Jesu ganz gewiss auch uns gilt: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!

Amen

Und der Friede Gottes, welche höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen