"Brauchst du Kraft? Bei ihm ist
Stärke!
Brauchst du Hilfe? Er ist da.
Er wird nie sein Kind verlassen,
nein, will bei der Hand dich
fassen.
Fürchte nichts, er ist ganz nah.
Er, dein Gott, weiß Rat
für
alles,
er errettet, trägt und hebt.
Seinem Blick ist nichts verborgen.
Lass in seiner Hand dein Morgen.
Er ist Sieger und er lebt."
Zu dem für heute vorgeschriebenen
Predigttext
schrieb ein Pfarrer: "Nach seiner Verlesung
würde ich am liebsten
aus der Kirche nach-hause gehen!" Kann
ich nicht, weil für mich
wegen meiner PNP- Beine der Weg von der Neuen Heimat nach Bindlach zu
weit wäre. Und darf ich auch nicht, weil ich
sonst Gott verraten
würde! Habe ich Euch neugierig gemacht? Dann
schnallt Euch gut an,
wenn ich vorlese, was der Prophet Amos den Israeliten von Gott
ausrichten muss:
Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure
Versammlungen nicht riechen - es sei
denn, ihr bringt mir rechte
Brandopfer dar -, und an euren
Speisopfern habe ich kein Gefallen,
und euer fettes Schlacht-opfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das
Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein
Harfenspiel nicht hören.
Es ströme aber das Recht wie Wasser und die
Gerechtigkeit wie ein
nie versiegender Bach.
Wow! Da will einem die Luft wegbleiben! Und das,
wo die " fünfte
Jahreszeit", wie der Fasching
heißt, gerade auf
die Zielgerade einbiegt! Ist ja auch zu schön,
wenigstens einmal im
Jahr aus der Rolle fallen und maskiert eine andere Rolle im Leben
spielen zu können als sonst!
Was das mit unserem Predigttext zu tun hat, liebe
Gemeinde? Ich denke, sehr viel! Denn ich
höre Amos hier den
Israeliten sagen: "Narren seid ihr! Ihr treibt es
toll in euren
Gottesdiensten. Super, was Ihr da alles aufbietet und Gott anbietet
mit Musik und Tieropfern! Ihr veranstaltet da ein heiliges Spektakel.
Oder soll ich besser sagen: ein Heidenspektakel? Weil vieles bei euch
nur frommes Theater ist! Gott könnt ihr damit
nicht imponieren. Im
Gegenteil! Er kann euch nicht mehr riechen. Eure frommen
Veranstaltungen stinken ihm. Von ihnen will er nichts mehr sehen und
hören!"
"Mensch, Amos," denken wir jetzt
vielleicht: "Ob nicht Du der eigentliche Narr in
dieser Geschichte
bist? Mit so einer ätzenden Kritik
- auch wenn im Namen Gottes
-
machst du dir doch keine Freunde, sondern
höchstens Feinde! Stimmt!
Die Folge für Amos war dann auch, dass ihm der
Oberpriester in
Bethel Hausverbot erteilte. So ein Wutbürger,
Miesmacher und
Spaßverderber hatte in Gottes Heiligtum und
Gemeinde nichts
verloren! Doch warum machte Amos den Israeliten ihre Gottesdienste
und Feiertage so madig? Weil er hinter ihre Masken sah: hinter ihren
frommen Betrieb, wie es da wirklich aussah! Doch nicht
bloß sie
versteckten sich damals hinter ihren Masken. Trifft nicht auch auf
uns jenes alte Lied zu, in dem es hieß:
"Wir tragen viele Masken
und haben kein Gesicht?" Ich denke,
darin sind wir alle, Konfis
wie Erwachsene, irgendwie Weltmeister: Wir verstecken oft unser
wahres Gesicht voreinander! Aber nicht immer
können wir damit
einander täuschen.
Schuljahrsbeginn in einer Bayreuther Realschule.
Ich bekomme eine 9. Klasse. Im Lehrerzimmer warnt man mich vor einer
Schülerin. Sie sitze in der mittleren
Reihe auf der ersten Bank
und sei der Klassenclown. Was ich bald erlebe! Sie zieht im
Religionsunterricht alles, was ich sage, ins
Lächerliche und hat die
Lacher auf ihrer Seite. Einen Monat schaue ich mir das an. Dann sage
ich eines Tages zu ihr: "Du kannst mir nichts
vormachen. Du sitzt
ja direkt vor mir. Ich sehe oft deine Augen. Sie verraten mir viel
Enttäuschung, Traurigkeit und Sehnsucht. Du
spielst hier nur den
Klassenkasper! Wenn du allein bist, ist dir oft zum Heulen zumute!
Nicht wahr?" Sie schwieg daraufhin
- für gut zwei
Wochen. Dann
beteiligte sie sich auf einmal am Unterricht! Wenn ich
später im
Lehrerzimmer nach ihr gefragt wurde, konnte ich sagen:
"Ich habe
Null Probleme mit ihr. Sie ist meine beste Mitarbeiterin
- oft
kritisch, aber belebend für den
Unterricht!"
Ich hatte dieses Mädchen durchschaut. Liebe Gemeinde, wenn das manchmal schon Menschen können, wieviel mehr dann erst recht Gott! Deshalb des Amos deutliche Warnung an seine Landsleute: "Gott sieht hinter eure Masken! Ihm könnt ihr nichts vormachen. Er kennt euer wahres Gesicht! Ja, dass ihr eigentlich zwei Gesichter habt: Ein frommes Gesicht am Feiertag und ein oft gottloses Gesicht im Alltag! Am Sabbat singt ihr laut Halleluja: Gelobt sei Gott! Aber unter der Woche lieber: 'Süßer die Kassen nie klingeln!’ Da geht bei euch die Gerechtigkeit den Bach hinunter. Da brecht ihr das Recht, fälscht ihr auf dem Markt die Gewichte eurer Waage und betrügt damit die Leute. Doch Gott kennt eure beiden Gesichter!"
Haben Du und ich auch zwei Gesichter? Ein
Sonntagsgesicht und ein Werktagsgesicht? Oder knallhart
ausgedrückt,
wie man früher sagte: Sind wir
"Kirchenengel und Hausteufel"?
Ganz ehrlich: Als unsere drei Kinder noch bei uns zuhause wohnten, hatte ich oft ein schlechtes Gewissen. Denn ich musste mir sagen: "Gerhard, sie erleben dich in einer Doppelrolle. In der frommen als Pfarrer und in der ganz menschlichen als Vater. Wie viel klafft da oft auseinander! Stimmt bei dir werktags nicht mit dem überein, was sie sonntags von dir auf der Kanzel hören!" Ich bin heute noch Gott dafür dankbar, dass meine Kinder - als sie erwachsener wurden - offensichtlich bald zu der Erkenntnis kamen: "Unser Vater ist halt genauso ein armer Schlucker wie wir. Auch er hat seine Fehler, Ecken und Kanten. Versagt immer wieder als Christ. Wird damit schuldig vor Gott. Auch er kann nur aus seiner Vergebung leben! Wie wir!"
Ich weiß, wie weh das tut, wenn man sich die Maske des braven Biedermanns abnehmen muss, die man vor sich herträgt. Ich weiß, wie schmerzhaft das ist, wenn man plötzlich nicht mehr "so toll" vor sich selber, vor Menschen und Gott dasteht! Doch ist so eine Demaskierung nicht heller Wahnsinn? Damit liefere ich mich doch auf Gedeih und Verderben Gott aus! Oder zumindest dem Gespött und der Verachtung von Menschen?
Im "Nordbayerischen Kurier" las ich einmal auf der Seite "Jugend heute" das Bekenntnis einer unbekannten 15-jährigen Mädchens:
"Seit Jahren schon laufe ich mit
einer Maske
herum.
Ich habe es gelernt, wie man es macht,
seine Schwäche zuzudecken und
die Gefühle zu
verbergen.
Ich lächle unverbindlich, aber
mein Lachen ist
nicht echt.
Ich lege Sicherheit an den Tag,
aber in Wirklichkeit spiele ich nur Theater.
Ich tue so, als falle mir alles in den
Schoß,
als irrte ich niemals,
als hätte ich weder Sehnsucht
noch Heimweh.
Warum bin ich nicht so, wie ich wirklich bin?
Wenn ich allein und für mich
bin,
fällt mir die Maske vom
Gesicht.
Wenn doch einer käme und sagte:
ICH MAG DICH TROTZDEM!"
Ihr Lieben, diesen Einen gibt es zu
unserem
Glück! Es ist der
größte Liebhaber des Menschen
- heißt Jesus!
Er liebt auch und gerade die, die sich hinter einer Maskeverstecken!
Sie kam zusammen mit der Sünde in
die Welt. Nach dem
Sündenfall - Adam
und Eva hatten ein eindeutiges Verbot Gottes
übertreten -
merkten die zwei, dass sie etwas zu verbergen hatten.
Da wurden sie gewahr, dass sie nackt waren -
demaskiert,
durchschaut und überführt
dastanden! Sie flochten Feigenblätter
zusammen und machten sich Schurze. Das waren, wenn mann so
will,
die ersten Masken, hinter denen sich Menschen versteckten. Wenn das
so war, müsste unsere Maskerade vor Gott immer
dann zu Ende sein,
wenn wir unsere Ãœbertretungen von Gottes guten
Geboten loswerden
wollen. Aber wie? Bei IHM, sagt die Bibel, der uns bedingungslos
liebt: JESUS! Er lädt Dich und mich ein: Kommt
her zu mir! Nehmt
eure Masken ab! Bringt eure Schuld unter mein Kreuz! Dann nehme ich
sie euch ab und ihr seid sie los! Damit eigentlich auch den Zwang,
weiterhin schauspielern zu müssen
- euch selber, Gott und anderen
ständig etwas vormachen zu
müssen!
Das ist echt befreiend! Kann man Jesus zugeben, wie man oft ist: Manchmal super und stark, dann wieder hässlich und schwach. Manchmal mutig und treu im Glauben, dann wieder kleingläubig und gebetsfaul. Manchmal liebevoll und hilfsbereit, dann wieder unfreundlich und egoistisch. Aber bei Jesus kann ich sein, der ich bin! Bei ihm muss ich nicht auf fromm und brav machen. Ihm kann ich ja nichts vormachen. Ich kann zu ihm sagen: "Herr, du weißt, wie ich bin! Leider oft alles andere als eine Reklame für dich!" Noch schöner, ich darf Jesus mit den gleichen Worten bitten, die ich einmal in einem Fernsehfilm einen Mann zu seiner Frau sagen hörte. "Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdiene - weil ich es da am meisten brauche!" Und Jesus antwortet Dir und mir dann: "ICH MAG DICH TROTZDEM!" Das ist die absolut schönste Liebeserklärung, die man uns machen kann. Ich kann sie nicht oft genug hören. Wann? Wo? Wenn ich mir werktags eine Viertelstunde Zeit nehme, um in Gottes Wort, der Bibel, von ihr zu lesen und darüber zu beten! Und sonntags im Gottesdienst, weil mir da Jesu Liebe neu zugesagt wird oder ich sie mir im Heiligen Abendmahl schmecken lassen darf!
"Im Gottesdienst?" denkt jetzt mancher Konfi vielleicht. "Was sollen wir da überhaupt? Wir verstehen da manchmal bloß Bahnhof !"
Dasselbe sagte einmal eine Konfirmandin zu ihrem Opa. Der schwieg zunächst eine Weile, dann fragte er sie: "War eigentlich der Klavierstimmer schon da? Du wartest doch schon seit langem auf ihn!" "Nein," antwortete seine Enkelin, "dabei ist unser Klavier so schrecklich verstimmt!"
"Siehst du," meinte der Großvater, "wir Menschen gleichen irgendwie einem Klavier, dessen Saiten - mit ‚a-i’ geschrieben - mit der Zeit nachgeben und sich dann verstimmen. Auch wir haben verschiedene Seiten - mit ‚e-i’ geschrieben - und sind manchmal verstimmt und vermiesen dann anderen die Stimmung. Deshalb brauchen Du und ich den Gottesdienst, damit wir durch die Zusage der Liebe und Hilfe Jesu wieder in die rechte ‚Stimmung’ gebracht werden! Unser Leben durch ihn ‚stimmig’ wird - neu oder immer mehr mit Gottes Willen übereinstimmt!
Damit meinte der Großvater nicht ein frommes Gefühl, das uns im Gottesdienst überkommen soll. Sondern, dass unser Leben wieder auf Jesus eingestimmt wird - er darin das Sagen bekommt und uns dabei hilft, dass es in unserer Umgebung recht und gerecht, menschlich und nächstenliebend zugeht.
Nur in einem Punkt hinkte natürlich der
Vergleich
mit einem Klavier. Das braucht vielleicht nur alle 10-12 Jahre eine
neue Stimmung. Wir Menschen haben sie werktags und sonntags
nötig,
weil wir oft leicht und schnell
"verstimmt" sind!
In den "drei tollen
Tagen" des Faschings wird
meistens künstlich auf Stimmung gemacht. Deshalb
bin ich ein
"Faschingsmuffel."
Ich will für meine Person lieber wie Amos ein
Narr sein, der sich und andere warnt: "Gott sieht
hinter unsere
Masken!" Und wie ein Paulus sein, der
von uns Christen geschrieben
hat: Wir sind Narren um Christi willen. Nämlich
in den Augen
der Welt, weil wir an den gekreuzigten und auferstandenen Christus
glauben! Einem Heiland vertrauen, den niemand
sieht und der
doch angeblich alle Tage bei uns ist! Diesem HERRN
wollen wir
gehören, der unser Leben lenkt und beschenkt. Auch
wenn ihn dieWelt
ablehnt und verachtet, unser guter Hirte und unsere
Zukunft
ist.
Solche
"Narren" sind wir!
Aber lieber ein
"Narr" sein, der an
Jesus
glaubt als jemand, der nicht weiß, warum und wozu
er auf der Welt
ist: Was Sinn und Ziel seines Lebens ist, wenn
für ihn einmal der
Tod das endgültige
"Aus" seiner
Träume ist!
Lieber ein
"Narr" sein, der
sich zu Gott hält
und von ihm gehalten wird, als jemand, der nur ins Blaue hinein lebt
und dem am Ende nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung bleibt!
Ja, lieber ein solcher
"Narr" sein, der
sich
vor Gott weder verstecken und verstellen muss, sondern getrost vor
ihm auf jede Maskerade verzichten kann. Denn er ist von ihm geliebt,
begnadigt und gerettet. Und kann daher mit einem Dietrich Bonhoeffer
sagen: "Am Ende bin ich noch immer bei dir!"
Lassen wir daher andere über unseren
Glauben
ruhig lächeln oder gar spotten
- wer zuletzt lacht, lacht
bekanntlich am Besten! Zuletzt werden einmal nur die Narren
um
Christi willen etwas zu lachen haben. Nur ihr Mund wird
einmal
voll Lachens sein, sagt die Bibel!
Nämlich voll
Rühmens
der unsterblichen, ewigen Liebe Gottes.
Amen
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus.
Amen
Verfasser: Pfarrer i.R. Gerhard Weinreich