Sonntag vor der Passionszeit: Estomihi, 11. Februar 2024
Nikodemuskirche Bayreuth
Amos 5,21-24

"Brauchst du Kraft? Bei ihm ist Stärke!
Brauchst du Hilfe? Er ist da.
Er wird nie sein Kind verlassen,
nein, will bei der Hand dich fassen.
Fürchte nichts, er ist ganz nah.

Er, dein Gott, weiß Rat für alles,
er errettet, trägt und hebt.
Seinem Blick ist nichts verborgen.
Lass in seiner Hand dein Morgen.
Er ist Sieger und er lebt."

Gnade sei mit euch und Friede von dem,
der da ist und der da war und der da kommt:
Jesus Christus! Amen.

Zu dem für heute vorgeschriebenen Predigttext schrieb ein Pfarrer: "Nach seiner Verlesung würde ich am liebsten aus der Kirche nach-hause gehen!" Kann ich nicht, weil für mich wegen meiner PNP- Beine der Weg von der Neuen Heimat nach Bindlach zu weit wäre. Und darf ich auch nicht, weil ich sonst Gott verraten würde! Habe ich Euch neugierig gemacht? Dann schnallt Euch gut an, wenn ich vorlese, was der Prophet Amos den Israeliten von Gott ausrichten muss:

Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen - es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar -, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlacht-opfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören. Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Wow! Da will einem die Luft wegbleiben! Und das, wo die " fünfte Jahreszeit", wie der Fasching heißt, gerade auf die Zielgerade einbiegt! Ist ja auch zu schön, wenigstens einmal im Jahr aus der Rolle fallen und maskiert eine andere Rolle im Leben spielen zu können als sonst!

Was das mit unserem Predigttext zu tun hat, liebe Gemeinde? Ich denke, sehr viel! Denn ich höre Amos hier den Israeliten sagen: "Narren seid ihr! Ihr treibt es toll in euren Gottesdiensten. Super, was Ihr da alles aufbietet und Gott anbietet mit Musik und Tieropfern! Ihr veranstaltet da ein heiliges Spektakel. Oder soll ich besser sagen: ein Heidenspektakel? Weil vieles bei euch nur frommes Theater ist! Gott könnt ihr damit nicht imponieren. Im Gegenteil! Er kann euch nicht mehr riechen. Eure frommen Veranstaltungen stinken ihm. Von ihnen will er nichts mehr sehen und hören!"

"Mensch, Amos," denken wir jetzt vielleicht: "Ob nicht Du der eigentliche Narr in dieser Geschichte bist? Mit so einer ätzenden Kritik - auch wenn im Namen Gottes - machst du dir doch keine Freunde, sondern höchstens Feinde! Stimmt! Die Folge für Amos war dann auch, dass ihm der Oberpriester in Bethel Hausverbot erteilte. So ein Wutbürger, Miesmacher und Spaßverderber hatte in Gottes Heiligtum und Gemeinde nichts verloren! Doch warum machte Amos den Israeliten ihre Gottesdienste und Feiertage so madig? Weil er hinter ihre Masken sah: hinter ihren frommen Betrieb, wie es da wirklich aussah! Doch nicht bloß sie versteckten sich damals hinter ihren Masken. Trifft nicht auch auf uns jenes alte Lied zu, in dem es hieß: "Wir tragen viele Masken und haben kein Gesicht?" Ich denke, darin sind wir alle, Konfis wie Erwachsene, irgendwie Weltmeister: Wir verstecken oft unser wahres Gesicht voreinander! Aber nicht immer können wir damit einander täuschen.

Schuljahrsbeginn in einer Bayreuther Realschule. Ich bekomme eine 9. Klasse. Im Lehrerzimmer warnt man mich vor einer Schülerin. Sie sitze in der mittleren Reihe auf der ersten Bank und sei der Klassenclown. Was ich bald erlebe! Sie zieht im Religionsunterricht alles, was ich sage, ins Lächerliche und hat die Lacher auf ihrer Seite. Einen Monat schaue ich mir das an. Dann sage ich eines Tages zu ihr: "Du kannst mir nichts vormachen. Du sitzt ja direkt vor mir. Ich sehe oft deine Augen. Sie verraten mir viel Enttäuschung, Traurigkeit und Sehnsucht. Du spielst hier nur den Klassenkasper! Wenn du allein bist, ist dir oft zum Heulen zumute! Nicht wahr?" Sie schwieg daraufhin - für gut zwei Wochen. Dann beteiligte sie sich auf einmal am Unterricht! Wenn ich später im Lehrerzimmer nach ihr gefragt wurde, konnte ich sagen: "Ich habe Null Probleme mit ihr. Sie ist meine beste Mitarbeiterin - oft kritisch, aber belebend für den Unterricht!"

Ich hatte dieses Mädchen durchschaut. Liebe Gemeinde, wenn das manchmal schon Menschen können, wieviel mehr dann erst recht Gott! Deshalb des Amos deutliche Warnung an seine Landsleute: "Gott sieht hinter eure Masken! Ihm könnt ihr nichts vormachen. Er kennt euer wahres Gesicht! Ja, dass ihr eigentlich zwei Gesichter habt: Ein frommes Gesicht am Feiertag und ein oft gottloses Gesicht im Alltag! Am Sabbat singt ihr laut Halleluja: Gelobt sei Gott! Aber unter der Woche lieber: 'Süßer die Kassen nie klingeln!’ Da geht bei euch die Gerechtigkeit den Bach hinunter. Da brecht ihr das Recht, fälscht ihr auf dem Markt die Gewichte eurer Waage und betrügt damit die Leute. Doch Gott kennt eure beiden Gesichter!"

Haben Du und ich auch zwei Gesichter? Ein Sonntagsgesicht und ein Werktagsgesicht? Oder knallhart ausgedrückt, wie man früher sagte: Sind wir "Kirchenengel und Hausteufel"?

Ganz ehrlich: Als unsere drei Kinder noch bei uns zuhause wohnten, hatte ich oft ein schlechtes Gewissen. Denn ich musste mir sagen: "Gerhard, sie erleben dich in einer Doppelrolle. In der frommen als Pfarrer und in der ganz menschlichen als Vater. Wie viel klafft da oft auseinander! Stimmt bei dir werktags nicht mit dem überein, was sie sonntags von dir auf der Kanzel hören!" Ich bin heute noch Gott dafür dankbar, dass meine Kinder - als sie erwachsener wurden - offensichtlich bald zu der Erkenntnis kamen: "Unser Vater ist halt genauso ein armer Schlucker wie wir. Auch er hat seine Fehler, Ecken und Kanten. Versagt immer wieder als Christ. Wird damit schuldig vor Gott. Auch er kann nur aus seiner Vergebung leben! Wie wir!"

Ich weiß, wie weh das tut, wenn man sich die Maske des braven Biedermanns abnehmen muss, die man vor sich herträgt. Ich weiß, wie schmerzhaft das ist, wenn man plötzlich nicht mehr "so toll" vor sich selber, vor Menschen und Gott dasteht! Doch ist so eine Demaskierung nicht heller Wahnsinn? Damit liefere ich mich doch auf Gedeih und Verderben Gott aus! Oder zumindest dem Gespött und der Verachtung von Menschen?

Im "Nordbayerischen Kurier" las ich einmal auf der Seite "Jugend heute" das Bekenntnis einer unbekannten 15-jährigen Mädchens:

"Seit Jahren schon laufe ich mit einer Maske herum.
Ich habe es gelernt, wie man es macht,
seine Schwäche zuzudecken und die Gefühle zu verbergen.
Ich lächle unverbindlich, aber mein Lachen ist nicht echt.
Ich lege Sicherheit an den Tag,
aber in Wirklichkeit spiele ich nur Theater.
Ich tue so, als falle mir alles in den Schoß, als irrte ich niemals,
als hätte ich weder Sehnsucht noch Heimweh.
Warum bin ich nicht so, wie ich wirklich bin?
Wenn ich allein und für mich bin,
fällt mir die Maske vom Gesicht.
Wenn doch einer käme und sagte:
ICH MAG DICH TROTZDEM!"

Ihr Lieben, diesen Einen gibt es zu unserem Glück! Es ist der größte Liebhaber des Menschen - heißt Jesus! Er liebt auch und gerade die, die sich hinter einer Maskeverstecken! Sie kam zusammen mit der Sünde in die Welt. Nach dem Sündenfall - Adam und Eva hatten ein eindeutiges Verbot Gottes übertreten - merkten die zwei, dass sie etwas zu verbergen hatten. Da wurden sie gewahr, dass sie nackt waren - demaskiert, durchschaut und überführt dastanden! Sie flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. Das waren, wenn mann so will, die ersten Masken, hinter denen sich Menschen versteckten. Wenn das so war, müsste unsere Maskerade vor Gott immer dann zu Ende sein, wenn wir unsere Ãœbertretungen von Gottes guten Geboten loswerden wollen. Aber wie? Bei IHM, sagt die Bibel, der uns bedingungslos liebt: JESUS! Er lädt Dich und mich ein: Kommt her zu mir! Nehmt eure Masken ab! Bringt eure Schuld unter mein Kreuz! Dann nehme ich sie euch ab und ihr seid sie los! Damit eigentlich auch den Zwang, weiterhin schauspielern zu müssen - euch selber, Gott und anderen ständig etwas vormachen zu müssen!

Das ist echt befreiend! Kann man Jesus zugeben, wie man oft ist: Manchmal super und stark, dann wieder hässlich und schwach. Manchmal mutig und treu im Glauben, dann wieder kleingläubig und gebetsfaul. Manchmal liebevoll und hilfsbereit, dann wieder unfreundlich und egoistisch. Aber bei Jesus kann ich sein, der ich bin! Bei ihm muss ich nicht auf fromm und brav machen. Ihm kann ich ja nichts vormachen. Ich kann zu ihm sagen: "Herr, du weißt, wie ich bin! Leider oft alles andere als eine Reklame für dich!" Noch schöner, ich darf Jesus mit den gleichen Worten bitten, die ich einmal in einem Fernsehfilm einen Mann zu seiner Frau sagen hörte. "Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdiene - weil ich es da am meisten brauche!" Und Jesus antwortet Dir und mir dann: "ICH MAG DICH TROTZDEM!" Das ist die absolut schönste Liebeserklärung, die man uns machen kann. Ich kann sie nicht oft genug hören. Wann? Wo? Wenn ich mir werktags eine Viertelstunde Zeit nehme, um in Gottes Wort, der Bibel, von ihr zu lesen und darüber zu beten! Und sonntags im Gottesdienst, weil mir da Jesu Liebe neu zugesagt wird oder ich sie mir im Heiligen Abendmahl schmecken lassen darf!

"Im Gottesdienst?" denkt jetzt mancher Konfi vielleicht. "Was sollen wir da überhaupt? Wir verstehen da manchmal bloß Bahnhof !"

Dasselbe sagte einmal eine Konfirmandin zu ihrem Opa. Der schwieg zunächst eine Weile, dann fragte er sie: "War eigentlich der Klavierstimmer schon da? Du wartest doch schon seit langem auf ihn!" "Nein," antwortete seine Enkelin, "dabei ist unser Klavier so schrecklich verstimmt!"

"Siehst du," meinte der Großvater, "wir Menschen gleichen irgendwie einem Klavier, dessen Saiten - mit ‚a-i’ geschrieben - mit der Zeit nachgeben und sich dann verstimmen. Auch wir haben verschiedene Seiten - mit ‚e-i’ geschrieben - und sind manchmal verstimmt und vermiesen dann anderen die Stimmung. Deshalb brauchen Du und ich den Gottesdienst, damit wir durch die Zusage der Liebe und Hilfe Jesu wieder in die rechte ‚Stimmung’ gebracht werden! Unser Leben durch ihn ‚stimmig’ wird - neu oder immer mehr mit Gottes Willen übereinstimmt!

Damit meinte der Großvater nicht ein frommes Gefühl, das uns im Gottesdienst überkommen soll. Sondern, dass unser Leben wieder auf Jesus eingestimmt wird - er darin das Sagen bekommt und uns dabei hilft, dass es in unserer Umgebung recht und gerecht, menschlich und nächstenliebend zugeht.

Nur in einem Punkt hinkte natürlich der Vergleich mit einem Klavier. Das braucht vielleicht nur alle 10-12 Jahre eine neue Stimmung. Wir Menschen haben sie werktags und sonntags nötig, weil wir oft leicht und schnell "verstimmt" sind!

In den "drei tollen Tagen" des Faschings wird meistens künstlich auf Stimmung gemacht. Deshalb bin ich ein "Faschingsmuffel." Ich will für meine Person lieber wie Amos ein Narr sein, der sich und andere warnt: "Gott sieht hinter unsere Masken!" Und wie ein Paulus sein, der von uns Christen geschrieben hat: Wir sind Narren um Christi willen. Nämlich in den Augen der Welt, weil wir an den gekreuzigten und auferstandenen Christus glauben! Einem Heiland vertrauen, den niemand sieht und der doch angeblich alle Tage bei uns ist! Diesem HERRN wollen wir gehören, der unser Leben lenkt und beschenkt. Auch wenn ihn dieWelt ablehnt und verachtet, unser guter Hirte und unsere Zukunft ist.
Solche "Narren" sind wir!

Aber lieber ein "Narr" sein, der an Jesus glaubt als jemand, der nicht weiß, warum und wozu er auf der Welt ist: Was Sinn und Ziel seines Lebens ist, wenn für ihn einmal der Tod das endgültige "Aus" seiner Träume ist!

Lieber ein "Narr" sein, der sich zu Gott hält und von ihm gehalten wird, als jemand, der nur ins Blaue hinein lebt und dem am Ende nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung bleibt!

Ja, lieber ein solcher "Narr" sein, der sich vor Gott weder verstecken und verstellen muss, sondern getrost vor ihm auf jede Maskerade verzichten kann. Denn er ist von ihm geliebt, begnadigt und gerettet. Und kann daher mit einem Dietrich Bonhoeffer sagen: "Am Ende bin ich noch immer bei dir!"

Lassen wir daher andere über unseren Glauben ruhig lächeln oder gar spotten - wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am Besten! Zuletzt werden einmal nur die Narren um Christi willen etwas zu lachen haben. Nur ihr Mund wird einmal voll Lachens sein, sagt die Bibel! Nämlich voll Rühmens der unsterblichen, ewigen Liebe Gottes.

Amen

Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus.

Amen

Verfasser: Pfarrer i.R. Gerhard Weinreich